Berlin. . Im Streit um das von der Koalition beschlossene neue Meldegesetz verteidigt Bundestagsinnenausschuss-Vorsitzender Wolfgang Bosbach (CDU) die Änderungen auch gegen Kritik aus den eigenen Reihen. Adressen von Bürgern würden nicht nur von der Wirtschaft, sondern zur wissenschaftlichen Forschung gebraucht.

Die Bundesregierung kritisiert die Beschlüsse der Koalition zum umstrittenen Meldegesetz. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) distanzierte sich am Dienstag von den im parlamentarischen Verfahren durchgesetzten Änderungen. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte die Rückkehr zur von der Regierung vorgeschlagenen Lösung. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), hat den Parlamentsbeschluss zum Meldegesetz allerdings gegen die Kritik auch aus eigenen Reihen verteidigt.

„Wenn das ein Geschenk für die Werbewirtschaft sein soll, dann wäre auch die bisherige Rechtslage in den Bundesländern ein solches Geschenk“, sagte Bosbach der „Saarbrücker Zeitung“ und widersprach damit etwa dem Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar. Bosbach betonte, es gehe nicht nur um die werbetreibende Wirtschaft und deren Interessen, potenzielle Kunden gezielt anzusprechen. „Die Adressen von Bürgern werden auch zu wissenschaftlichen Forschungszwecken oder von Meinungsumfrage-Instituten benötigt“, erklärte der CDU-Politiker.

Der Regierungsentwurf hatte vorgesehen, dass die Weitergabe persönlicher Daten durch die Meldebehörden ausdrücklich der Zustimmung der Betroffenen bedürfe. Die Koalition im Bundestag beschloss dagegen, die Datenweitergabe generell zu erlauben, solange die Betroffenen nicht Widerspruch einlegen. Verabschiedet wurde die Novelle fünf Minuten nach Anpfiff des EM-Halbfinales zwischen Deutschland und Italien, als nur wenige Abgeordnete im Plenum saßen.

Verbraucherministerin Aigner (CSU): Pragrafenänderung war ein Fehler

Aigner (CSU) kritisierte die Parlamentsfassung. „Aus meiner Sicht war es ein Fehler, dass der entscheidende Paragraf quasi über Nacht im Schnellverfahren geändert wurde“, sagte Aigner der „Bild“-Zeitung. „So wird das Gesetz nicht kommen.“

Leutheusser-Schnarrenberger sagte der „Augsburger Allgemeinen“: „Wir wollen zurück zur Einwilligungslösung.“ Die umstrittene Regelung der Weitergabe von Daten der Einwohnermeldeämter solle mit Unterstützung der bayerischen CSU/FDP-Koalition rückgängig gemacht werden.

SPD vermutet Lobbyisten am Werk

SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz vermutete, dass das Gesetz das Ergebnis der Lobbyarbeit von Interessenverbänden sei. „Hier ist offenbar die Koalition gegenüber dem Adresshandel und der Werbewirtschaft eingeknickt“, sagte er der „Bild“-Zeitung.

Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann verlangte Änderungen am Meldegesetz. „So, wie das Gesetz jetzt aussieht, kann es nicht bleiben“, sagte der CDU-Politiker der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Der Verkauf von Daten liege keineswegs im öffentlichen Interesse. Wenn so etwas beabsichtigt sei, könne dies nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Bürgers geschehen. Den Bundestag rief Busemann auf, seine Abläufe besser zu ordnen.

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, fürchtet um das Vertrauensverhältnis zwischen Bürgern und Behörden. „Es gibt ein ganz besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Bürgern und Meldebehörden“, sagte Landsberg der „Passauer Neuen Presse“. „Da darf noch nicht einmal der Anschein entstehen, dass Daten an Adresshändler einfach so weitergegeben werden.“ Vorwürfe, die Kommunen wollten mit der Weitergabe von Meldedaten Geld verdienen, wies Landsberg zurück. „In Fällen, in denen es keinen Widerspruch der Betroffenen gibt, werden Daten weitergegeben. Dann wird eine Gebühr erhoben, mit der die Kommunen ihre Kosten decken“, sagte er. (dpad)