Essen. Die Opel-Mutter General Motors prüft, ob man seinen europäischen Teil nicht lieber behält und wie eine Sanierung finanziert werden könnte. Eine Blitzinsolvenz scheint ein Baustein zu sein. Ein Spitzengespräch zwischen GM und der Bundesregierung brachte am Dienstag keine Lösung.

Damit hatten die Arbeitnehmervertreter offenbar nicht gerechnet. Jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. Als sich die Betriebsräte der Opel-Standorte gestern um acht Uhr früh zu einer Schaltkonferenz zusammen telefonierten, sollte es eigentlich darum gehen, wie die Gewerkschafter auf die neuerliche Unentschlossenheit in der Spitze von General Motors reagieren wollten, was den Verkauf von Opel an Magna betrifft. Öffentlichkeitswirksame Aktionen wollten sie planen. Aus der Verzögerung bei GM ist jedoch eine Kehrtwende geworden.

Vollbremsung drohte

Nach mehreren Monaten Verhandlungen, akribischer Detailarbeit an Verträgen und harten Verhandlungen um Lizenz- und Patentrechte drohte über Nacht die Vollbremsung. Das Wall Street Journal berichtete über den Auftrag aus dem GM-Verwaltungsrat, das Management möge doch bitte prüfen, wie ein Verbleib von Opel im US-Konzern zu bewerkstelligen wäre. Und wie 4,3 Milliarden Dollar (drei milliarden Euro) zu mobilisieren wären, die das Aufsichtsgremium dafür veranschlagt. Dementsprechend hoch ging es in der Telefonkonferenz her. Schließlich hatten die Arbeitnehmervertreter im Verein mit der Politik wochenlang dafür gekämpft, dass der damals schwer angeschlagene GM-Konzern im Frühjahr endlich bereit war, Opel frei zu geben.

Endlich ein eigenes Konto, einen eigenen Finanzkreislauf und die Hoheit über die Entwicklung der europäischen Modelle – das galt bei den Arbeitnehmern und auch Autoexperten als Befreiungsschlag für die traditionsreiche Marke. Hatte Opel doch jahrelang unter einer völlig verfehlten Modellpolitik und der verpassten Entwicklung von Dieselmotoren gelitten – mit entsprechenden Schleifspuren bei den Marktanteilen. Die halbierten sich binnen zehn Jahren auf rund acht Prozent. Und nun die Wende bei voller Fahrt?

Wut bei Arbeitnehmervertretern

Die Betriebsräte schäumen. Und sie sorgen sich. Ihnen muss es vorkommen wie ein Zeitsprung ins Frühjahr 2008, als die ersten US-Pläne zur Rettung des angeschlagenen Autobauers ruchbar wurden. Plan 1 beinhaltete die Schließung der Werke in Bochum und Antwerpen, den Verkauf oder die Schließung von Eisenach. Kurzum eine Horrorliste, die später auf Druck der Politik und mit den in Aussicht gestellten Bürgschaften deutlich entschärft wurde: In Plan 2 sollten Bochum und Eisenach bestehen bleiben. Dank der Staatshilfe.

Was aber, wenn jetzt General Motors Opel behält und auf Staatshilfe verzichtet? „Das würde natürlich alles in Frage stellen”, sagt der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel. Und Konzernbetriebsratschef Klaus Franz fragt, woher die drei Milliarden Euro denn kommen sollen. Falls Opel das Geld beisteuern müsste, „bedeutet das den Verzicht auf zwei neue Modelle und die Schließung von Werken”. Die Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer, Stefan Bratzel und Willi Dietz sind sich einig: Das Geld hat General Motors auch nach seiner Blitz-Entschuldung nicht.

Insolvenz als Option

Deshalb droht ein weiteres Gruselszenario: GM könnte versucht sein, die von Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg in Betracht gezogene und Betriebsratschef Franz abgelehnte Variante einer Opel-Insolvenz zu kalkulieren. Experten vermuten, damit könnte sich GM der enormen Pensionsverpflichten von geschätzten 4,5 Milliarden Euro entledigen. Zu Lasten der deutschen Wirtschaft. Einspringen müsste der Pensionssicherungsverein (PSV), finanziert über ein Umlageverfahren aus Beiträgen der Unternehmen.

Das allerdings ist nicht nur ein ökonomischer Sprengsatz, sondern auch ein politischer. Der Düsseldorfer Insolvenzverwalter Wolfgang van Betteray: „Das würde alle bisher dagewesenen Dimensionen sprengen.” Bei der AEG-Pleite mit 21 000 Mitarbeitern 1982 hätten sich die Beiträge der Unternehmen für den PSV verfünffacht. Zudem müsste die Bundesagentur für Arbeit für drei Mobate das Insolvenzausfallgeld berappen: bei 27 000 Mitarbeitern geschätzte 400 Millionen Euro.

Ganz abwegig ist das nicht. Zumal Insolvenzexperten eine Sanierung von Opel über eine schnelle, gut organisierte Plan-Insolvenz Chancen ausrechnen. Nach Informationen dieser Zeitung aus dem Umfeld des für Opel zuständigen Darmstädter Gerichts hat Insolvenzverwalter Horst Piepenburg bereits Interesse signalisiert. Von ihm ist das Zitat überliefert: „Wir machen das A und O des Insolvenzrechts – erst Arcandor, dann Opel.”

Entscheidung fällt wohl erst nach der Wahl

Die Zukunft des Autobauers Opel wird sich voraussichtlich erst nach der Bundestagswahl Ende September entscheiden. Ein Spitzengespräch zwischen Bundesregierung und einem Spitzenvertreter der amerikanischen Opel Mutter General Motors (GM) brachte gestern Nachmittag in Berlin keine Einigung. Nach WAZ-Informationen aus Teilnehmerkreisen hält GM den Plan zum Verkauf von Opel allerdings weiter aufrecht, andere Lösungen würden vorläufig nicht angestrebt.