Bochum. Die IG Metall NRW befürchtet das Aus für den Opel-Standort Bochum, sollte das Unternehmen beim US-Mutterkonzern General Motors bleiben. Die Gewerkschaft kritisiert, GM würde keine tragfähigen Konzepte vorlegen. Die Opel-Betriebsräte fürchten nun Massenentlassungen.

Die Gespräche zwischen Vertretern von Bund und Ländern auf der einen und dem US-Autokonzern General Motors (GM) auf der anderen Seite über die Zukunft der deutschen GM-Tochter Opel sind am Dienstag nach rund zwei Stunden zu Ende gegangen. Ergebnisse wollte das Bundeswirtschaftsministerium später mitteilen. Keiner der Sitzungsteilnehmer gab nach der Sitzung eine Stellungnahme ab.

Nach monatelangen Verhandlungen überlegt der US-Mutterkonzern laut Medienberichten jetzt offenbar doch, das deutsche Tochter-Unternehmen zu behalten.

„Diesen Plan, sollte er sich bestätigen, sehen wir mit allergrößter Skepsis“, erklärt Marc Schlette, Sprecher der IG Metall NRW. Die Gewerkschaft befürchtet, dass ein Verbleib von Opel beim US-Mutterkonzern General Motors das Aus für den Standort Bochum bedeuten könnte. „Wir sehen bis jetzt kein tragfähiges Konzept“, so Schlette. „Wir brauchen endlich eine klare Perspektive für Opel.“

Bieter Magna Favorit der Arbeitnehmer

Eine weitgehende Unabhängigkeit von Opel aus dem GM-Mutterkonzern sei laut Schlette stets Ziel der Verhandlungen gewesen. „Warum sollte ausgerechnet GM, das die Probleme bei Opel verursacht hat, die Probleme jetzt lösen können?“ Favorisiert wird von Belegschaft und Arbeitnehmervertretern der kanadische Bieter Magna – selbst wenn die Lösung „substanzielle Einschnitte für Opel Bochum bedeutet“. „Wir brauchen den besten Investor“, betont der IG-Metall-Sprecher.

Versäumnisse sieht Schlette bei der Politik. „Wir haben nicht ohne Grund aufs Tempo gedrückt. Wir hätten schneller belastbare Zusagen gebraucht.“ Die Rolle von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Verhandlungs-Poker sei „unglücklich“ gewesen. „Wir hätten uns ein klares schnelles Wort gewünscht.“ Jetzt fordert die Gewerkschaft, die Überlegungen, Opel bei GM zu belassen, schnell zu beenden.

Betriebsräte fürchten Massenentlassungen

Auch Mitarbeiter und Betriebsräte sind alarmiert. Sie fürchten Massenentlassungen und Werksschließungen in Deutschland und Europa und sehen konkret die deutschen Werke Bochum und Eisenach sowie den belgischen Standort Antwerpen massiv bedroht. Man habe große Sorge, dass GM wieder selbst ins Geschäft kommen wolle, sagte Opel-Betriebsratschef Klaus Franz am Dienstag Mittag nach einem Treffen von Betriebsräten mit SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bei ThyssenKrupp in Essen. Dabei hatten sich Steinmeier, Franz und der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel über die Lage bei Opel ausgetauscht. Sollte GM Opel behalten, wären die deutschen Werke Bochum und Eisenach gefährdet, sagte Franz mit Blick auf frühere GM-Pläne. „Dafür gäbe es keinerlei Handreichungen der Arbeitnehmer in Deutschland und in Europa.” Steinmeier unterstrich noch einmal die Präferenz der Bundesregierung für das Übernahmekonzept des österreichisch-kanadischen Autozulieferers Magna, der sich mit dem belgischen Investor RHJ ein Bieterrennen um Opel liefert.

„Maßgeblich für die deutsche Bundesregierung ist, dass das Konzept, das sich durchsetzt, die vier deutschen Standorte am Leben erhält”, sagte Steinmeier. Zu Opel in Deutschland gehören neben den Werken Bochum und Eisenach noch das Stammwerk in Rüsselsheim und das Komponentenwerk in Kaiserslautern.

Die Bundesregierung habe „Einfluss- und Überzeugungsmöglichkeiten” auf GM im Ringen um die Opel-Zukunft, machte der SPD-Kanzlerkandidat deutlich. Steinmeier verwies auf den bereitgestellten Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro für Opel und die angebotetenen Milliarden-Bürgschaften.

Wut in der Belegschaft wächst

Angesichts der seit Monaten unklaren Lage wächst unterdessen in der Belegschaft die Wut. „Die Beschäftigten sind es leid. Seit November letzten Jahres wird auf ihnen rumgehackt”, klagte Betriebsratschef Franz über die „Hängepartie auf dem Rücken der Beschäftigten”. Auch sein Bochumer Kollege Einenkel kritisierte das „Ping-Pong-Spiel” um Opel: „Die Menschen werden immer wütender. Das ist eine gefährliche Mischung.”

Er zeigte sich kampfbereit. Die Arbeitnehmerseite könnte nun mit „sehr kreativen” Protestaktionen reagieren, warnte Einenkel. Öffentliche Aktionen ließen sich „relativ schnell und spontan” organisieren. Als ersten Schritt hat die Belegschaft die Einforderung des Urlaubsgeldes ins Spiel gebracht, auf das sie zur Stützung Opels bereit war zu verzichten.

Nach Informationen des „Wall Street Journals“ hat der GM-Verwaltungsrat, den Vorstand beauftragt, Alternativen zu einem Verkauf zu prüfen. GM-Chef Fritz Henderson solle den Plan einschließlich eines Finanzierungskonzepts über 4,3 Milliarden Dollar bis zum nächsten Verwaltungsratstreffen Anfang September ausarbeiten, berichtete das Blatt.

Nach Informationen der „Financial Times“ erwägt GM eine Opel-Rettung ohne deutsche Hilfe, wie die deutsche Ausgabe des Blattes berichtete. GM und seine Berater spielen danach eine Alternative zu dem von Bund und Ländern favorisierten Verkauf an den österreichisch-kanadischen Zulieferer und die russische Sberbank durch. Der neue Plan sehe vor, dass GM für Opel und Vauxhall rund 3 Milliarden Euro von den Regierungen der USA, Großbritanniens, Spaniens und anderer europäischer Staaten erhält. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen.

Oberbürgermeister fordern Machtwort von Merkel

Die vier Oberbürgermeister der deutschen Opel-Standorte fordern im Poker um den Autohersteller ein Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). «Die Bundesregierung kann Druck machen, weil General Motors über eine Treuhand zu 60 Prozent dem Staat USA gehört», sagte der Eisenacher Oberbürgermeister Matthias Doht (SPD). Merkel müsse sich aktiv einschalten und darum werben, dass der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna den Zuschlag erhält, hieß es in der gemeinsamen Mitteilung Dohts und der Oberbürgermeister Stefan Gieltowski (Rüsselsheim), Ottilie Scholz (Bochum), Klaus Weichel (Kaiserslautern, alle SPD) weiter. Mit Material von ddp.