Bochum. Der Verhandlungspoker um den Automobilhersteller Opel zerrt an den Nerven der Belegschaft. Die Opelaner fürchten, dass das Unternehmen in die Insolvenz geht, spätestens nach den Wahlen. Die Mitarbeiter verlieren die Geduld - und ihren Glauben.

Opelaner schweigen nicht, Opelaner haben noch immer das Maul aufgemacht, wie man im Ruhrgebiet sagt: Dafür sind sie bekannt. Doch jetzt hat es ihnen die Sprache verschlagen. Sie eilen zum Eingang mit ihren Butterbroten, blicken zu Boden, finster und abweisend, „wir müssen arbeiten”, ruft einer über die Schulter – „noch”. Was sollen sie auch sonst sagen. Dasselbe allenfalls wie Dietmar Hoffmann: „Einmal ja, einmal nein, nein doch, ja doch, verkaufen, nicht verkaufen, an den oder an den – weiß doch keiner mehr, was los ist.”

Hier ist das Tor 4 des Opelwerks Bochum. Vor genau sechs Monaten fuhren an dieser Stelle die Busse ab nach Rüsselsheim; da hatte gerade die Krise ans Werkstor geklopft, sie war aus Amerika gekommen und trieb die Arbeiter zu einem Aktionstag: „Opel muss bleiben!”, forderten sie. Vor genau drei Monaten feierten dieselben Opelaner an derselben Stelle ihre Rettung. Rüttgers war da, der Ministerpräsident, mit der Nachricht des Tages: „Opel bleibt.”

Und es ist ja immer noch da, immer noch so grau – und immer noch unsicher. Aber die Protestplakate sind abgehängt, nur an einem Stromkasten klebt noch der gelbe Sticker: „Jetzt wir!” Oder Magna oder Ripplewood oder doch GM? Unter dem Aufkleber ist ein neues Poster befestigt: Werbung für einen Trödelmarkt. „Das Werk ist alt, da kann man bald sowieso nichts mehr retten”, sagt einer.

Kaum noch Optimisten im Opelwerk

Nach all den Monaten sind kaum noch Optimisten unter den Opelanern, „die schicken uns in die Insolvenz, dann machen sie die Bude zu”, sagt Dietmar Hoffmann. „Die lassen uns verrecken.” Da kommt nichts mehr, ahnt auch Joachim Krüger, „die veräppeln uns” und lassen die Leute „hängen an einem hängenden Ast” – und da soll man den Kopf nicht auch noch hängen lassen. Die Kollegen seien „am Boden zerstört”, erzählt einer, die Stimmung auf dem Tiefpunkt, „alles Scheiße”, presst einer im Vorbeigehen hervor, „aussichtslos”. Nur noch Poker, murmelt einer vom Rohbau, „alles unglaubwürdig”.

Dabei hatten sie noch an das Gute geglaubt, damals im Juni. „Magna wäre vielleicht die Zukunft”, sagt Friedhelm Kruklinski immer noch, „wenn denn überhaupt.” Aber Kruklinski ist auch schon elf Jahre raus und war damals zuständig für „Verbesserungsprozesse”. An diesem Tag ist der Rentner nur kurz vorbei gekommen, einen neuen Opel ordern. „General Motors” spricht er deutsch aus, die Konzernmutter als „General”. Kruklinski hat seine Frau dabei, die war auch mal bei Opel, „in der Hinterachse”, und hat nun noch zwei Söhne im Werk. „Traurig”, sagt sie, und: „Ich glaub gar nichts mehr.”

Missmut am Fließband

Auch Dietmar Hoffmann kann „darüber nur noch lachen”, und es ist auch das Einzige: „Es wird immer schlimmer hier. Früher hat man gelacht”, er ist jetzt 34 Jahre in der Logistik, er ist gern gekommen, aber jetzt „sind alle bloß missmutig”, und Hoffmann hat Magenschmerzen. „Wenn die Wahl nicht wäre, wär' hier schon lange zu.” Und nach der Wahl, sagt Joachim Krüger, „ist Feierabend”. Gegenüber am Laternenpfahl werben kleine Parteien für Arbeit, aber die eine will sie nur für Deutsche, die andere die Autoindustrie „umrüsten für Afrika”.

Nur geht es gerade um Amerika, und „die Amerikaner lassen sich nichts wegnehmen”, glaubt Lackierer Krüger, „die wollen im europäischen Markt bleiben.” Was nicht ganz zusammen passt mit der verbreiteten Überzeugung: Wenn die Opel behalten, machen die uns dicht. Das haben viele Opelaner längst auch getan, „schlecht”, sagen sie über ihre Gefühle oder auch „gut” – dann legt die bittere Ironie ihre Mundwinkel schief.

„Irgendwann biste's leid”, sagt der Mann aus dem Rohbau, der schon zu lange zusieht, wie sie bei Opel Leute abbauen, Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld und nun am Ende gar den Standort? „Dann biste nur noch fertig.”