Witten. Sollte der Bürgermeister bei Beleidungen im Rat eingreifen? Darum dreht sich eine heftige Debatte in Witten. Mit sehr gegensätzlichen Positionen.
Wie sollten die Mitglieder des Stadtrates miteinander umgehen? Diese Frage, die eigentlich leicht zu beantworten sein müsste, sorgt in der Wittener Politik für heftigen Streit. Denn die Meinungen dazu gehen zwischen den Fraktionen weit auseinander. Die SPD fordert in einem Antrag ein konsequenteres Eingreifen von Bürgermeister Lars König, wenn beleidigende oder diskriminierende Äußerungen fallen. Doch der sieht das anders.
In der letzten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Montag (29.4.) war der Vorstoß der Sozialdemokraten Thema. Selten hat man in diesem Ausschuss, der sonst seine Themen zügig abarbeitet oder in den Rat verweist, eine solche Auseinandersetzung erlebt. Geprägt war sie von emotional aufgewühlten Redebeiträgen und etlichen Zwischenrufen, bei denen teils versucht wurde, sich gegenseitig zu übertönen. Politisch eher links gegen konservativ-rechts, auf diese einfache Formel könnte man die sich gegenüberstehenden Blöcke herunterbrechen.
Hasenkamp bezeichnet Vorgehen der Wittener SPD als „Stasi-Methoden“
„Warum wir diesen Antrag gestellt haben, kann man an der heutigen Sitzung sehen“, sagte SPD-Mann Christoph Malz. Zuvor hatte Ratsmitglied Michael Hasenkamp (Stadtklima) in der Diskussion um einen anderen Tagesordnungspunkt der SPD-Fraktion „Stasi-Methoden“ unterstellt. Weil diese sich im Internet über einen Verein erkundigt hatte, der zu einem bundesweiten Aktionstag aufruft. Die SPD habe versucht herauszufinden „wer wann was gesagt hat, das der SPD nicht passt“, so Hasenkamp in seiner Einlassung weiter. Die Sozialdemokraten hatten zuvor darauf verwiesen, auf anti-muslimische Äußerungen des besagten Vereins gestoßen zu sein.
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„Das ist eine Verunglimpfung ehrenamtlich Tätiger, eine bodenlose Frechheit“, echauffierte sich Malz über den Ausspruch des rechtslastigen Politikers. Er attestierte Hasenkamp einen „verbalen Amoklauf“. „Wir möchten, dass solche Einlassungen nicht mehr stattfinden oder geahndet werden.“ Auch die Grünen würden sich mehr Ordnungsrufe seitens des Bürgermeisters wünschen. „Man sollte es zumindest ausprobieren und schauen, ob die Stimmung dann ruhiger wird“, so Fraktionschefin Liane Baumann.
Fraktion Bürgerforum als „in jedem Fall überflüssig“ bezeichnet
Auch Piraten, Bürgerforum und Linke schlossen sich dem an. Linken-Fraktionschefin Ulla Weiß ist beliebtes Opfer verbaler Seitenhiebe. An ihr würden Zwischenrufe, die nur dazu dienen sollten, den politischen Gegner zu diskreditieren, zwar mittlerweile „abperlen“. „Aber auch ich würde mich freuen, wenn ich weniger Beleidigungen abbekommen würde.“
Es gehe darum „früher und entschiedener einzugreifen“, betonte Harald Kahl, Fraktionsvorsitzender des Bürgerforums. Auch seine Fraktion war in der Sitzung Zielscheibe von Hasenkamp geworden. Während Kahl am Rednerpult sprach, betitelte der polarisierende Ex-CDU-Chef sie in einem Zwischenruf als „in jedem Fall überflüssig“.
Bürgermeister sieht keinen akuten Handlungsbedarf
Bürgermeister Lars König sieht aber keinen Handlungsbedarf. Es gebe bereits genügend Spielregeln, betonte er mit Verweis auf die Geschäftsordnung des Rates. Dort ist in Punkt zwölf festgehalten, welche Sanktionen gegen ein Ratsmitglied, „das die Ordnung verletzt“, verhängt werden können. Das reicht vom einfachen Ordnungsruf bis hin zum Ausschluss von der Sitzung oder der Streichung des Sitzungsgeldes. Allein: Was es heißt, „die Ordnung zu verletzen“, ist nicht näher definiert.
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„Es gibt Dinge, die muss man einfach gegenseitig aushalten“, so Lars König. Bei zehn Fraktionen im Rat werde immer irgendetwas gesagt werden, was einzelnen nicht gefällt. Gleichzeitig erinnerte er die antragstellende SPD an ihr eigenes Verhalten. So hatten einige Mitglieder der Fraktion in der letzten Ratssitzung demonstrativ den Raum verlassen, als AfD-Fraktionschef Matthias Renkel ans Rednerpult trat - und dabei die Türen knallend ins Schloss fallen lassen. „Das ist auch nicht gerade nett, auch wenn es nicht sanktioniert wird“, so König.
Vorschlag: Jeglichen Zwischenruf ahnden
Ein Problem sieht er auch darin, zu entscheiden, wann eine Aussage eine rote Linie überschreite und wie diese zu setzen sei. Handhabbar wäre aus seiner Sicht nur, jegliche Zwischenrufe künftig zu unterbinden – und bei Wiederholung die Person vor die Tür zu schicken. „Ich kann das ganz konsequent umsetzen, aber dann werden sich die Reihen hier lichten.“ Gut fände das Stadtoberhaupt dieses Vorgehen aber nicht. „Ich habe bislang bewusst Spielraum für Emotionen gelassen, man muss seinem Unmut auch in gewissem Maß kundtun können.“
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Wer sich persönlich angegriffen fühle, solle sich entweder beim eigenen Vorsitzenden melden oder das persönliche Gespräch mit der Person suchen, von der die Beleidigung ausgegangen ist, unterstützte CDU-Fraktionschef Volker Pompetzki die Linie des Bürgermeisters. „Das hier ist des Rates unwürdig, mehr als blamieren können wir uns damit nicht.“ Auch die WBG-Fraktion mit Siegmut Brömmelsiek an der Spitze sieht das Thema gelassener. Zwar habe er eine Stimmung wie aktuell in seinen vorherigen drei Ratsperioden nicht erlebt. „Aber die Kommentare von Hasenkamp kennen wir doch alle, das sind Jokes, vielleicht manchmal grenzüberschreitend“, so Brömmelsiek. Auch die AfD müsse man eben „ertragen“, sich politisch mit ihr auseinandersetzen.
Am Ende der teils lauten Diskussion, die sich über 45 Minuten hinzog, konnte sich das Gremium lediglich darauf einigen, das Thema unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Ältestenrat weiter zu besprechen. Dieser soll Anfang Juni zusammenkommen.
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