Witten. Der Wochenmarkt auf dem Schnee in Witten schrumpft seit Jahren. Nun gibt es hier nur noch einen Händler. Warum der die Stellung hält.

  • Der Wochenmarkt auf dem Schnee in Witten ist der kleinste in der Stadt. Bei unserem Besuch stand dort nur ein einsamer Obst- und Gemüsestand.
  • Die zuständige Marktgilde hat sich um neue Markthändler bemüht - aber vergebens.
  • Doch für die Anwohnerinnen und Anwohner ist er die einzige Möglichkeit, vor Ort einzukaufen

Seit Jahren ist die Zahl der Händler auf dem Wochenmarkt auf dem Schnee in Witten immer weniger geworden. Nun hat sie einen traurigen „Höhepunkt“ erreicht. Nur noch der Obst- und Gemüsestand hält dort, an der Stadtgrenze zu Herdecke, wacker die Stellung - als einziger. Und das, obwohl die Deutsche Marktgilde, die sich seit September 2023 um die Wittener Wochenmärkte kümmert, zuletzt massiv um neue Beschicker geworben hat. Etwa mit einem nahezu kostenlosen Standplatz. Doch vergebens.

Der Wochenmarkt, wenn die Bezeichnung überhaupt noch zutrifft, bietet einen trostlosen Anblick. „Hier war es früher voll“, sagt Samet Gündogdu mit Blick auf den leeren Parkplatz hinter dem ehemaligen Edeka. Vor drei Jahren haben der 24-Jährige und sein älterer Bruder Muhammet den Obst- und Gemüsestand von Theo Vechtel übernommen, der seit den Anfangszeiten auf dem Markt seine zu 80 Prozent selbst erzeugten Produkte verkauft hatte.

Markthändler Samet Gündogdu bedient Kundin Karin Espeloer. Der kleinste Wochenmarkt der Stadt auf dem Schee hat derzeit nur noch einen einzigen Stand.
Markthändler Samet Gündogdu bedient Kundin Karin Espeloer. Der kleinste Wochenmarkt der Stadt auf dem Schee hat derzeit nur noch einen einzigen Stand. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Bis Dezember gab es zumindest noch eine Fischhändlerin

Gündogdu zählt auf, wen er schon alles hat gehen sehen. Bäcker, Metzger, Käserei und Suppenküche haben den Markt nach und nach verlassen. Fischhändlerin Özlem Tastan hat noch bis Dezember hier ihre Ware verkauft. Offiziell kommt auch ein Blumenhändler regelmäßig mittwochs auf den Schnee. Doch krankheitsbedingt fällt der schon seit vier Wochen aus. „Und ganz ehrlich, ich bin mir nicht sicher, dass er wiederkommt“, sagt Gündogdu.

Dafür lockt der Markt, der 2015 ins Leben gerufen wurde, doch noch verhältnismäßig viele Kundinnen und Kunden an – auch am Mittwoch (24.4.) bei knackigen sechs Grad und abwechselnd Niesel und Hagelschauer. „Ich bin einfach ein Martkmensch, von Kindheit an“, sagt Ursula Bergmann (85).

Sie wohnt mit ihrem Mann Dieter nicht weit entfernt, sie kommen stets zu Fuß. „Ohne den Markt wären wir aufgeschmissen“, sagt die rüstige Rentnerin. Denn seit der Edeka-Schließung gibt es quasi keine Nahversorgung mehr auf dem Schnee. Außerdem habe ein Markt immer so etwas Lebendiges. „Man tauscht sich aus, kommt ins Gespräch.“

Lieben ihren kleinen Wochenmarkt auf dem Schnee in Witten: Ursula und Dieter Bergmann.
Lieben ihren kleinen Wochenmarkt auf dem Schnee in Witten: Ursula und Dieter Bergmann. © Stephanie Heske | Stephanie Heske

40 bis 50 Kundinnen und Kunden an einem Marktmittwoch

40 bis 50 Kunden kaufen im Schnitt an einem Tag auf dem Schnee bei den Gündogdus ein. Finanziell rechnet sich das nicht wirklich für die beiden Brüder. Auf anderen Märkten, etwa in Dortmund-Hombruch, machen sie deutlich mehr Umsatz. „Aber die Leute kommen teilweise schon so lange zu uns, die wollen wir nicht im Stich lassen“, sagt Muhammet Gündogdu. Daran, den Schnee ebenfalls zu verlassen, denken sie aber nicht. Zumindest noch nicht. „Sonst war‘s das ja hier mit dem Markt.“ Viel lieber würden sie neue Kollegen begrüßen.

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Doch was das angeht, sieht es düster aus. Und das trotz des Angebots, einen Standplatz für zwei Monate zum symbolischen Preis von einem Euro zu bekommen. Damit wollte die Deutsche Marktgilde neue Beschicker anwerben.

300 Händler, mit denen man auf anderen Märkten zusammenarbeitet, seien angeschrieben und zum Teil auch angerufen worden, sagt Martin Rosmiarek, der für die Wittener Märkte zuständig ist. Kein einziger Händler habe Interesse gezeigt. „Die Resonanz spricht für sich.“ Dennoch werde die Marktgilde natürlich weiterhin versuchen, den Standort dem ein oder anderen schmackhaft zu machen.

Heruntergekommenes Gelände macht Markt unattraktiv

Was den Platz in Schnee so unattraktiv macht, erschließt sich auf den ersten Blick. Das Gelände um den ehemaligen Edeka verkommt immer mehr. Seit Oktober 2013 steht das Gebäude leer. Zahlreiche Graffiti und Schmierereien „zieren“ mittlerweile die Wände. Zwei potenzielle Händler hätten sich den Standort angesehen. „Und waren geschockt von der Optik“, sagt Martin Rosmiarek. So etwas spreche sich dann auch unter den Händlern herum.

Eigentlich wollte Investor Holger Jüngst den ehemaligen Edeka längst abreißen und einen neuen Supermarkt und barrierefreie Wohnungen errichten. Doch die gestiegenen Baukosten legten das Projekt auf Eis. Im Sommer 2023 hieß es, dass man nun an einer Zwischennutzung arbeite, etwa durch einen Discounter. Das Gebäude solle im Bestand „ertüchtigt“ werden. Getan hat sich seitdem zumindest sichtbar nichts.

Siegrid Scherwinski schätzt den Wochenmarkt auf dem Schnee in Witten.
Siegrid Scherwinski schätzt den Wochenmarkt auf dem Schnee in Witten. © Stephanie Heske | Stephanie Heske

Die Rückkehr eines Supermarktes wünschen sich auch die Obst- und Gemüsehändler Samet und Muhammet Gündogdu. Das würde die gesamte Ecke beleben und auch ihnen mehr Kundschaft bringen, so ihre Hoffnung. „Die beiden halten uns hier die Treue“, ist Ursula Bergmann dankbar. Auch Kundin Siegrid Scherwinski fände ein Ende des Marktes „traurig“. Doch selbst sie glaubt nicht so recht an ein Wiederauferstehen.

„Der Markt war klasse, daran liegt es ja nicht“, so die 76-Jährige. Vielmehr fehle der „Nachwuchs“: Nur wenige jüngere Leute würden den Wochenmarkt besuchen. Und auch insgesamt sei die Nachfrage eingebrochen, so Händler Gündogdu: „Ich glaube, viele Leute gehen jetzt eher zum Discounter.“

Keine Neuerungen auf dem Rathausplatz

Auch auf dem Wochenmarkt auf dem Rathausplatz hat sich seit Antritt der Marktgilde noch nicht viel bewegt. „Aber wir sind froh, dass noch alle Händler da sind“, sagt Martin Rosmiarek, der für die Wittener Märkte zuständig ist. Denn auch in diesem Bereich gebe es Personalmangel. Nun starte man „voller Enthusiasmus“ in den Frühling. Derzeit gibt es hier zehn Beschicker.

Kurzzeitig hatte die Marktgilde den Grillhähnchen-Imbiss „Grill4you“ für den Rathausplatz gewonnen. Seit September war er Dienstag, Donnerstag und Samstag vor Ort, am Freitag auch in Herbede. Den Standplatz auf dem Rathausplatz hat er mittlerweile aber bereits wieder gekündigt.

Die Markttage in Witten: Auf dem Rathausplatz, Dienstag, Donnerstag und Samstag, 8 bis 14 Uhr. Auf dem Annener Markplatz, Freitag 8 bis 13 Uhr. Platz an der Schmiede in Herbede, Freitag, 8 bis 13 Uhr. Auf dem Schnee, Mittwoch, 9 bis 12 Uhr.

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