Witten. Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit liegen Ulla Weiß am Herzen. Die Linken-Chefin kandidiert in Witten erneut als Bürgermeisterin. Ein Porträt.

Beharrlichkeit zeichne sie aus, hatte Ulla Weiß vor der letzten Kommunalwahl gesagt. Und das gilt auch heute noch. Deshalb startet die 61-jährige Fraktions-Chefin der Linken einen zweiten Versuch und kandidiert erneut für das Amt der Bürgermeisterin in Witten. „Wann, wenn nicht jetzt?“, lautet schließlich der Slogan, mit dem sie und ihre Parteikollegen an die Spitze klettern wollen.

Die Stadt liegt der Politikerin am Herzen. Sie ist hier geboren und aufgewachsen, hat das Albert-Martmöller-Gymnasium besucht und wohnt inzwischen in der Oberstraße nahe der City. Auch der Kornmarkt liegt da nicht so weit entfernt. Seit 2012 treibt sie die Frage nach dessen zukünftiger Nutzung um. Denn eine Bebauung, wie sie jetzt geplant ist, kommt für Ulla Weiß nicht in Frage. „Das Modell ist klotzig, verschließt die Sicht zur Johanniskirche und zum Rathaus“, sagt sie, die sich viel lieber für eine grüne Oase einsetzt – mit Bäumen, Bänken, Spielplätzen.

„Die Menschen in Witten sehnen sich nach mehr Grün“

„Die Menschen in der Stadt sehnen sich nach mehr Grün.“ Das habe sie in vielen Gesprächen immer wieder zu hören bekommen. Dennoch ist die Entscheidung für die Bebauung im März 2017 im Ausschuss längst gefallen. Ja, sie weiß: Das Bürgerbegehren sei im Prinzip zwei Jahre zu spät gekommen. „Aber damals war Bundestagswahl und wir hatten den Kopf nicht frei“, gesteht Ulla Weiß, die sich in stressigen Zeiten bei einem Spaziergang Richtung Helenenturm oder beim Yoga in der VHS entspannt.

Bürgermeisterkandidatin Ulla Weiß von der Linken neben der Lechner-Figur, die vor dem Ratssaal auf der Bank sitzt.
Bürgermeisterkandidatin Ulla Weiß von der Linken neben der Lechner-Figur, die vor dem Ratssaal auf der Bank sitzt. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Der grüne Kornmarkt – er sei längst zum Symbol für mehr Aufenthaltsqualität in der City geworden. „Sie glauben nicht, wie viele Menschen den großen Celestian-Bau am Rathausplatz am liebsten wegsprengen würden.“ Und jetzt noch vier- bis fünfstöckige Gebäude auf der anderen Seite, zumal ohne Fassaden- oder Dachbegrünung – „das wird doch alles zu eng.“

„Kooperation und Kommunikation bringen uns gemeinsam weiter“

Beim Klimaschutz sei ihr die Stadt ohnehin zu zögerlich, sagt Weiß. Die Stadtwerke engagierten sich zu wenig beim Thema regenerative Energien, gewerbliche Kunden bezögen nicht mal Ökostrom. „Das können Sie im Ausschuss anbringen und es kommt keine Resonanz.“ Überhaupt sei ihr der Rat zu wenig diskussionsfreudig. „Das ist frustrierend und das vermisse ich total“, sagt die Linken-Chefin, die gern mal Kontra gibt und bei Sitzungen seelenruhig ans Rednerpult spaziert, während alle anderen hörbar aufstöhnen. „Kooperation und Kommunikation bringt uns doch gemeinsam weiter.“

In anderen Gremien erlebe sie das anders. Die gelernte Krankenschwester und studierte Sozialwissenschaftlerin, die im Verein Viadukt psychisch kranke Senioren betreut, sitzt in vielen. Sie ist – um nur einige zu nennen – Mitglied bei Verdi, im BUND und beim Mieterverein. Sie saß fünf Jahre im Regionalrat Arnsberg, einem Pendant zum Regionalverband Ruhr, und ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied beim Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz.

Wittener Linken-Chefin sieht sich selbst als „handfest und zuverlässig“

Letzterer vereint beide Leidenschaften der Wittenerin: Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit zu verbinden. E-Autos für Reiche, aber kein kostenloser Öffentlicher Nahverkehr für Arme? Nicht mir ihr. Deshalb sei sie auch 2011 von den Grünen zu der Linken gewechselt, als erstere ihr „nicht mehr grün genug“ waren.

Die Linke: Das Wahlprogramm in Kürze

Die Linke setzt sich für ein soziales, ökologisches und solidarisches Witten ein. Altschulden sollen vollständig von Land und Bund übernommen werden. Die Partei fordert außerdem einen Mindestlohn von 13 Euro für alle sowie die Abschaffung des Hartz-IV-Systems.

Zusätzlich zu den beiden Krankenhäusern fordert die Linke eine stationäre psychiatrische Versorgung und einen Ausbau der Angebote für ambulante sozialpsychiatrische Hilfen. Auch wünscht sich die Partei einen Inklusionsbeirat. Kulturelle Angebote sollen trotz knapper Kassen weiter erhalten werden.

„Die Stadt gehört allen“, sagt die Linke und fordert die Aufhebung des Bettelverbots, mehr Freiräume für Kinder und den Ausbau der Sportvereine. Außerdem sollen in Witten bis 2030 nur noch Sozialwohnungen ausgewiesen und erstellt werden sowie Fahrten im Öffentlichen Nahverkehr innerhalb Wittens zum Nulltarif möglich sein.

Maßnahmen für den Klimaschutz sollen in einem eigenständigen Ausschuss entwickelt werden. Dazu zählen etwa Grüne Inseln in stark bebauten Gebieten. Auch müsse die Stickstoffdioxidbelastung auf der Ruhrstraße reduziert werden, indem Teile zur Fußgängerzone umgestaltet werden. Das Gewerbegebiet am Vöckenberg lehnt die Linke ab, ebenso das umstrittene Fracking. Ein Konzept „Die Plastikflut stoppen“ soll entwickelt und die alte Baumschutzssatzung aktiviert werden.

„Die ist handfest und zuverlässig“: Das sind die Eigenschaften, mit denen sie als Bürgermeisterin punkten will. Vor fünf Jahren hat es für gerade mal 5,5 Prozent der Stimmen gereicht. Diesmal errechnet sich Ulla Weiß Chancen im mittleren Feld. Nicht nur, weil die Grünen keinen eigenen Kandidaten stellen. Mit all ihrer kommunalpolitischen Erfahrung, die sie einst als Sachkundige Bürgerin im Verkehrsausschuss zu sammeln begann, traue sie sich den Bürgermeister-Posten zu.

Wer sich übrigens wundert, wenn auf dem Stimmzettel nicht Ulla, sondern Ursula Weiß steht: Eigentlich ist sie die Ulla, das hat sie mit 16 Jahren so entschieden, allerdings noch nicht offiziell geändert. „Falls ich nochmal kandidiere, würde ich es einheitlich machen.“