Witten. Landwirtschaft kann man in Witten nicht studieren, aber bald das eigene Mittagessen säen und ernten. Was die Studierenden dabei lernen sollen.

Die Universität in Witten setzt schon lange auf Nachhaltigkeit. Dazu gehört auch eine große vegetarische und vegane Auswahl bei den Mittagsgerichten in der Cafeteria. Oft von regionalen Erzeugern und in Bio-Qualität. Nun geht die Uni noch einen Schritt weiter: Immer mittwochs gibt es hier künftig ein „Feldgericht“ – mit Lebensmitteln, die in nicht einmal 300 Metern Luftlinie Entfernung geerntet wurden. Doch bei dem dahinter stehenden Projekt geht es um noch viel mehr, nämlich um eine Ernährungswende im Kleinen.

„Feldversuch“ nennt sich die neue Kooperation der Uni, des Hochschulwerks (HSW) und der Entwicklungsgesellschaft für ganzheitliche Bildung (EG). Letztere beackert seit 2022 rund vier Hektar im Pferdebachtal, das direkt an die Uni anschließt. Angrenzend an den Christopherus-Hof sind Beete und Anbauflächen entstanden. Und genau hier wächst das Gemüse, das künftig auf den Tellern von Studierenden und Mitarbeitenden landet. Und das diese zuvor am besten noch selbst angepflanzt und gepflegt haben.

Der an den Campus angrenzende Acker liefert frisches Gemüse für die Uni-Caféteria.
Der an den Campus angrenzende Acker liefert frisches Gemüse für die Uni-Caféteria. © Uni Witten/Herdecke | Lucy Mindnich

Bei der „Ackerzeit“ die Hände schmutzig machen

Zunächst soll bei der sogenannten „Ackerzeit“ immer montags in der Mittagspause mitangepackt werden, auch Lehrende und Mitarbeitende der Uni sind dabei willkommen. Gleichzeitig gibt es während der Arbeit auch Informationen über Saatgut, Biodiversität, Biotope, Kompost, Schafhaltung oder Gemüseanbau.

Mehr zum Thema

So sollen die Teilnehmenden ganz praktisch lernen, was es heißt, nachhaltig zu wirtschaften. Denn in den sogenannten „Gärten der Gemeinschaft“ der Entwicklungsgesellschaft wird naturnaher Ackerbau betrieben, nach den Kriterien von Demeter und Bioland, komplett ohne Dünger.

Landwirtschaft und Nachhaltigkeit gehören zusammen

„Landwirtschaft und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand“, sagt Benjamin Greulich vom Vorstand der EG. Man wolle auch ein Bewusstsein dafür schaffen, welchen positiven Einfluss diese Art des Anbaus etwa auf die Biodiversität hat. Und auf das Klima. Denn auch kleine Biotope sind im Pferdebachtal entstanden. Auf der Projektfläche wolle man „eine planetengerechte Ernährung“ ausprobieren.

Pflanzen Rote Beete: (v.li.): Dr. Annaliesa Hilger (Leiterin der Vernetzungsstelle Nachhaltigkeit), Jan Peter Nonnenkamp (Kanzler der UW/H) und Stella Bünger (Projektkoordinatorin „Feldversuch“).
Pflanzen Rote Beete: (v.li.): Dr. Annaliesa Hilger (Leiterin der Vernetzungsstelle Nachhaltigkeit), Jan Peter Nonnenkamp (Kanzler der UW/H) und Stella Bünger (Projektkoordinatorin „Feldversuch“). © Uni Witten/Herdecke | Lucy Mindnich

Gleichzeitig soll so auch die Gesundheit der Uni-Angehörigen gefördert werden. „Das Projekt bietet uns die Möglichkeit, Impulse für eine bewusstere Ernährung zu geben“, sagt Jan Peter Nonnenkamp, Kanzler der UW/H. „Wir sind überzeugt, dass ‚Feldversuch‘ als Leuchtturmprojekt für eine zeitgemäße und zukunftsfähige Ernährungskultur im städtischen Raum dienen kann.“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Instagram, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Bio-Anteil in Kantinen soll auf 30 Prozent steigen

Rund 350 bis 400 Gerichte sollen wöchentlich aus dem Gemüse vom quasi hauseigenen Acker zubereitet werden, sagt Sophie Große-Wöhrmann, Geschäftsführerin des Hochschulwerks. Als erstes gibt es eine Asia-Pfanne mit Pak Choi aus dem Folientunnel und selbst gezogenen Salat. Zugleich will das Hochschulwerk auch mit weiteren regionalen Lieferanten engere Beziehungen aufbauen. „So fördern wir eine sozial- und ökologisch verträgliche Gemeinschaftsverpflegung.“ Die ist auch von der Bundesregierung gewünscht. Bis 2030 soll der Anteil an Bio-Lebensmitteln in Kantinen auf 30 Prozent steigen.

Mehr zum Thema

Die Uni wäre aber nicht die Uni, wenn hier schon Schluss wäre. Der „Feldversuch“ wird auch wissenschaftlich begleitet und unterstützt. Neue Lehrformate etwa sollen dazu beitragen, ein neues Ernährungsbewusstsein zu schaffen – als Teil des Studium fundamentale, das die Privat-Uni für alle Studiengänge anbietet. Ab dem Wintersemester 2024/25 können Studierende ihre eigenen Essgewohnheiten kritisch hinterfragen.

Das eigene Ernährungsverhalten kritisch hinterfragen

Die Teilnehmenden sollen lernen, wie sie ihr Ernährungsverhalten verändern und einen gesellschaftlichen Wandel vorantreiben können. „Wir wollen zeigen: eine lokale oder sogar private Versorgung ist möglich“, sagt Claus Volkenandt, stellvertretender Direktor des Wittenlab, das Formate für das Studium fundamentale entwickelt. Ganz praktisch geht es los mit einem Kurs zum Fermentieren von Lebensmitteln.

Kooperation seit 2019

Bereits seit 2019 kooperieren Uni und Entwicklungsgesellschaft. Damals packten einige Studenten auf einer Fläche am Vöckenberg selbst mit an. Ein Teil des dortigen Gemüses ging bereits an die Cafeteria. Das reichte aber nur für rund 60 bis 80 Portionen.

Da das Angebot so gut angenommen wurde, entwickelten die Kooperationspartner das Projekt weiter. Mit EU-Fördermitteln entstanden die Gärten der Gemeinschaft. Das Projekt „Feldversuch“ wird nun von der Software AG–Stiftung gefördert, einer gemeinnützigen Stiftung, die Hauptgesellschafterin der Universität Witten/Herdecke ist.

Gleich zwei Studien flankieren die angestrebte Ernährungswende. Einmal geht es um Studierende und Beschäftigte der Uni und darum, welches Wissen sie bereits rund ums Thema Ernährung haben. Im Laufe der Zeit wird dann erforscht, wie sich das Nachhaltigkeitsbewusstsein der Teilnehmenden verändert hat.

+++Folgen Sie jetzt auch dem Instagram-Account der WAZ Witten+++

Die zweite Studie nimmt die Patientinnen und Patienten der integrativen Universitätsambulanz in den Blick. Abgefragt wird das Ernährungsverhalten und der Wissensstand bezüglich nachhaltiger Ernährung. Auf Basis dieser Erkenntnisse soll dann ein Gesundheitsförderungskurs weiterentwickelt werden, der zu einer gesunden und nachhaltigen Ernährung befähigt und motiviert. So könne der „Feldversuch“ einen Beitrag leisten, „die Gesundheit von Mensch und Erde zu verbessern“, hofft Uni-Kanzler Nonnenkamp.

Mehr Nachrichten aus Witten lesen Sie hier.