Witten. Der Stadt Witten fehlt der Wille zum Kita-Ausbau, sagt Sabine Thomas, die selbst 70 Plätze in Vormholz schaffen wollte. Nicht nur sie denkt so.
Zum Start des neuen Kita-Jahres sieht es für Eltern in Witten alles andere als rosig aus. Rund 500 Kinder haben derzeit noch keinen Betreuungsplatz, 50 von ihnen haben einen dringlichen Bedarf. Was Familien vor riesige Herausforderungen stellt, sorgt bei Sabine Thomas nur für Fassungslosigkeit. Die 64-Jährige wollte das alte Kurhaus in Vormholz 2020 zu einer Kita umbauen, erhielt von der Stadt aber eine Absage. Auch ein anderer Träger ist schon an der Stadt verzweifelt.
„Unsere Kita könnte schon seit vergangenem Sommer eine Betreuung für circa 70 Kinder von null bis sechs Jahren bieten“, ärgert sich die ehemalige Konrektorin einer Förderschule. Vier Jahre Arbeit hat sie nach eigenen Angaben in ihren Traum gesteckt, aus dem ehemaligen Kurhaus an der Speckbahn eine Kindertagesstätte werden zu lassen. „Es geht auch darum, das Anwesen zukunftsfähig zu machen. Am besten durch eine gute öffentliche Nutzung.“
Kita läge im Außenbereich der Stadt
Eine Kita im Grünen wäre es geworden, denn das ehemalige Kurhaus, in dem bis 2005 noch eine Gastronomie Gäste bewirtet hat, liegt idyllisch im Grünen, zwischen Feldern und Wald. Passend dazu hätte eine Waldgruppe dem Kindergarten ein Alleinstellungsmerkmal verschaffen sollen. Doch die Stadt hatte von Anfang an abgewunken und auf das Baurecht verwiesen. Denn das Gebäude liegt im Außenbereich der Ruhrstadt.
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Bebauung ist dort grundsätzlich nicht erwünscht, teilte damals das Bauordnungsamt 2020 mit. Wer im Außenbereich ein Gebäude besitze, kann dieses laut Stadt zwar „unter festgelegten Kriterien auch erweitern oder umnutzen“. Eine Umnutzung zu einer Kita sei in dem entsprechenden Paragraf 35 jedoch nicht vorgesehen.
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Wittenerin: „Politik an den Bürgern vorbei“
Die Verwaltung, allen voran das Sozialdezernat, mache Politik „an den Bürgern und den Notwendigkeiten vorbei“, sagt Sabine Thomas. Sie habe nie damit gerechnet, auf so eine „selbstgefällige, verhindernde Haltung der Verantwortlichen“ zu treffen. Vor allem in den Hölzern ist die Kita-Situation seit Jahren angespannt. Die städtischen Einrichtungen in Buchholz und Durchholz sollen jeweils durch Neubauten ersetzt und vergrößert werden. Für letztere ist zumindest ein Grundstück in Aussicht, in Buchholz fehlt selbst das.
An der Speckbahn wäre alles vorhanden, findet Thomas: Ein Grundstück, ein Bestandsgebäude und viel Fläche drumherum. Nicht einmal einen Investor müsste die Stadt finden. „Aber das ist Politik, da geht es gar nicht mehr um die Sache“, zeigt sich die Wittenerin ernüchtert. Denn, davon ist sie weiterhin fest überzeugt, wenn die Stadt den Willen dazu hätte, könnte man eine Lösung für das Kurhaus finden.
Auch aus der neuen Waldorf-Kita für die Innenstadt wurde nichts
Lange Zeit hatte so auch der Trägerverein „Kindergarten Annener Berg“ gedacht. Er wollte ebenfalls eine neue Kita ins Leben rufen. Im leerstehenden Gebäude der ehemaligen Buchhandlung Krüger an der Bahnhofstraße sollten bis zu 80 Mädchen und Jungen betreut werden. Über eineinhalb Jahre war man im Austausch, die Pläne weit fortgeschritten. Am Ende legte das Jugendamt das Projekt im Sommer 2021 ad acta. Verwiesen wurde etwa auf offene Fragen bei der Beleuchtung und Belüftung der Räume – und darauf, dass man lieber auf die Kita setze, die im Neubau der Wohnungsgenossenschaft Mitte gegenüber des Hauptbahnhofs entstehen werde. Geplante Fertigstellung des Gebäudes: Sommer 2025.
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„Die Absage hat uns extrem hart getroffen“, sagt Johannes Wiek, der für den „Annener Berg“ die Planungen für die neue Waldorf-Kita übernommen hatte. „Wir hatten schon so viel Zeit und Arbeit investiert.“ Eine Eröffnung der Kita war für den Sommer 2022 angepeilt. „Es ist einfach jammerschade. Wir hätten doch viele Plätze schaffen können“, sagt der 51-Jährige. Unverständlich ist für ihn immer noch, warum die Stadt nicht alle Möglichkeiten ausschöpfe, wenn es um den Kita-Ausbau geht.
Verein hat Pläne für neue Kita aufgegeben
Mittlerweile hat der Verein seine Pläne für einen neuen Kindergarten in Witten gänzlich begraben. Wiek hatte zuvor noch einen Anlauf gewagt und ein zweites Projekt in der Innenstadt entwickelt. Doch letztendlich scheiterte es am Vertrauen in die Verwaltung. „Aufgrund der vorherigen Erfahrungen, haben wir die Idee dann aufgegeben“, sagt Wiek. „Ohne ganz klare Zeichen, dass die Dinge auch wirklich gewollt sind, werden wir nicht mehr in Vorleistung treten.“
„Mir ist es absolut unverständlich, wie die Stadt und der Bürgermeister Initiativen wie unsere so wegbügeln können, wo doch so viele Kindergartenplätze in Witten fehlen. Der Vertrauensbruch von Seiten der Stadt war so groß, dass man als Träger danach nicht mehr bereit ist, solche Risiken noch einmal einzugehen“, wird Britta Augustin vom Vorstand des Vereins deutlich.
Im Gegensatz dazu hat Sabine Thomas sich noch nicht ganz von der Idee verabschiedet, dass durch das alte Kurhaus eines Tages viele fröhliche Kinder-Stimmen klingen. „Ich würde es sofort machen. Das wäre die beste Lösung für viele Menschen.“ Noch immer erhalte sie Anfragen von Eltern. Doch sie hat auch einen alternativen Plan entwickelt. Vor kurzem hat sie bei der Stadt angefragt, ob sie die ehemalige Gaststätte in ein Hospiz umwandeln könne.
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