Witten. Autofrei, mit Indoor-Spielplatz: Was der neue „Stadtwald-Kindergarten“ in der ehemaligen Mayerschen Buchhandlung alles bieten soll.
Es soll eines der Ankerprojekte werden, das der kriselnden Innenstadt neuen Aufschwung verleihen dürfte: In die einstige Buchhandlung Krüger (später Mayersche) an der Bahnhofstraße möchte eine Waldorf-Kita einziehen. Das Landesjugendamt hat dem Trägerverein Kita Annener Berg bereits die Förderung in Aussicht gestellt. Eine Kita, die auf den ersten Blick kein Außengelände hat – wie kann das gehen?
Johannes Wiek, der als Leiter des Trägervereins maßgeblich für das Projekt verantwortlich zeichnet, möchte zunächst klarstellen: Die 80 Kinder werden viel Zeit draußen verbringen! In einem kleinen Wasserspielplatz, der im rückseitigen Hof des Geschäftshauses an der Breddestraße entsteht, ferner 120 Schritte entfernt im Breddegarten, wo die Kita ein knapp 900 qm großes Areal erhält. Außerdem würde die neue Einrichtung den Titel „Stadt-Wald-Kindergarten“ tragen. Immer wieder können die Kinder nämlich mit der Straßenbahn, die ja vor der Tür hält, etwa sechs Minuten zum Papenholz fahren, zum Außenstandort im Wald.
Projekt als Modell für andere Städte
Das Konzept ist gänzlich neu, begeistert aber. IHK-Expertin Jennifer Duggen lobte die Kita als richtigen Schritt für Witten. Sie bringe durch die Abholzeiten Frequenz in die Innenstadt und wirke positiv ins Umfeld – kinderfreundliche Gastronomie oder Geschäfte könnten sich ansiedeln. „Innovative Lösungen braucht das Land“, sagt auch Jan-Phillipp Krawinkel, Kreisgruppengeschäftsführer des Paritätischen Ennepe-Ruhr, der alle Wittener Kitas begleitet. „Dieses Projekt passt in den Zeitgeist: Wir brauchen Kita-Plätze und wir müssen uns zur Innenstadtentwicklung Gedanken machen.“ Und es sei nachhaltig, weil man ein bestehendes Gebäude umnutzt. Kindergärten würden heute anders entstehen als von 20, 30 Jahren, als es noch genügend Baugrundstücke gab. „Das könnte ein Leuchtturmprojekt werden.“
Genehmigung der Stadt noch nicht sicher
Nach Informationen unserer Redaktion gibt es jedoch Hinweise, dass die Genehmigung der Stadt für den Kita-Betrieb nicht sicher ist. Noch würden zwar Gespräche geführt, die Zeichen stünden aber auf Ablehnung.
Dabei plant Johannes Wiek seit anderthalb Jahren zusammen mit dem Jugendamt eine Kita im urbanen Umfeld. Denn: „In Witten ist der Bedarf an Kitaplätzen groß, die Waldorf-Kitas müssen immer wieder Kinder ablehnen. Gleichzeitig brauchen wir Plätze in der Innenstadt, wo die Menschen arbeiten. Viele haben die Dinge des alltäglichen Lebens gern nah beieinander.“
Beim Immobilienbesitzer Ersan Tekkan stieß er auf Begeisterung. Der Bochumer, selbst vierfacher Vater, hat mit seiner Firma Teko Real Estate vor einigen Jahren das traditionsreiche C.L. Krüger-Haus gekauft. Helmut und Helga Krüger hatten ihre Buchhandlung 2008 an die Mayersche verkauft, die sich 2016 kleiner gesetzt hatte und von der Bahnhofstraße 30 zur Nummer 11 gezogen war. „Wir haben mit Herrn Tekkan einen großzügigen Unterstützer gefunden“, schwärmt Johannes Wiek.
80 Kinder in vier Gruppen
Autofreie Kita
Die Waldorf-Kita an der Bahnhofstraße soll möglichst autofrei werden. Viele Eltern bringen ihren Nachwuchs sowieso gern mit dem Rad oder per pedes. Für E-Bike-Ladesäulen werden Fördermittel beantragt.
Für den kurzen Autostopp könnte man die Anfahrt über die Breddestraße zur ehemaligen Geschäftsanlieferungszone nutzen, wo die Kita ebenfalls einen Eingang hat.
Wie soll die neue Kita aussehen? Die 80 Kinder würden sich auf vier Gruppenräume verteilen: eine auf der Fläche des einstigen Taschengeschäfts Lingenberg, eine im Stockwerk darüber, eine im Obergeschoss des Geschäftsgebäudes nebenan, wo die Kinderbuchabteilung einst untergebracht war. Die u3-Gruppe läge in Richtung Ausgang Breddestraße. In der Zwischenebene sind ein Elterncafé, einen Indoor-Spielplatz, eine große Küche, aber auch Räume für Förderunterricht oder zum Schlafen geplant. Alle Gruppenräume wären hell und hätten große Glasfassaden. Auch bemüht sich der Trägerverein um eine Förderung, die eine begrünte Fassade finanzieren würde.
Der Umbau des Geschäftshauses wird, großzügig kalkuliert, 1,4 Mio Euro kosten, so Wiek. 90 Prozent sind dabei öffentliche Gelder, zehn Prozent Eigenanteil stemmen der Trägerverein und der Immobilienbesitzer. Johannes Wiek betont: „Ein Umbau eines bestehenden Gebäudes ist mehr als Hälfte billiger als ein Neubau.“ Würde die Stadt grünes Licht geben, könnten die Umbauten starten und die Kita „sehr schnell an den Start gehen“.