Witten. Viele Bahnhöfe seien Angsträume, haben Experten kritisiert. Für den Wittener Bahnhof gilt das eher nicht. Manches könnte dennoch besser sein.

Zu viele Bahnhöfe in NRW seien „Angsträume“, haben Experten im Landtag kürzlich kritisiert. Der Wittener Hauptbahnhof kann damit eigentlich nicht gemeint sein, hatte ihn doch NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach bei ihrem Besuch Ende September noch über den grünen Klee gelobt. Wie also ist die Lage vor Ort tatsächlich?

Die Ministerin und DB-Vorstand Bernd Koch hatten im Herbst ihre Modernisierungsoffensive für Bahnhofsgebäude vorgestellt – ausgerechnet in Witten. Denn das Gebäude an der Bergerstraße gilt als Vorreiter für andere Städte. „Das ist wirklich ein einladender Ort geworden“, hatte die CDU-Politikerin gesagt.

Wittener Bahnhof: ansprechende Fassade

Denkmalgeschütztes Tor zur Stadt: der Hauptbahnhof Witten mit einem Modell des Rathauses.
Denkmalgeschütztes Tor zur Stadt: der Hauptbahnhof Witten mit einem Modell des Rathauses. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Allein die denkmalgeschützte Fassade vermittelt in der Tat ein ansprechendes Bild. Auch Besitzer Markus Bürger ist zufrieden. Er hat das Bahnhofsgebäude gemeinsam mit Radomir Zecevic im Jahr 2010 gekauft und Stück für Stück saniert. Dort, wo es früher dunkel und wenig einladend war, sind mittlerweile viele Dienstleister eingezogen: eine Bäckerei mit Café, ein Buchladen, eine Pommesbude. Auch eine Werbeagentur, die Verbraucherberatung und die SPD-Fraktion haben den Standort für sich entdeckt.

„Alles ist vermietet“, sagt Bürger. Er habe sogar Anfragen möglicher Neumieter. Das hätte er sich früher nicht träumen lassen. Dass der Bahnhof nur ein Ort sei, durch den man schnell hindurchmüsse – dieses Gefühl habe sich komplett gedreht.

10.000 Reisende halten sich täglich am Wittener Bahnhof auf

Der Durchgang zu den Gleisen: nicht unbedingt ein Angstraum. Aber abends möchte man hier auch nicht gerne alleine entlang müssen.
Der Durchgang zu den Gleisen: nicht unbedingt ein Angstraum. Aber abends möchte man hier auch nicht gerne alleine entlang müssen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Immerhin kommen laut Bahn täglich 10.000 Reisende durch den Hauptbahnhof Witten. Tatsächlich liegt an diesem Montagmittag wenig Müll im Eingangsbereich und in den Gängen zu den Gleisen. Lok Friedrich empfängt die Hereintretenden oder verabschiedet die Hinauseilenden, je nachdem. „Der erste Eindruck ist gut“, sagt ein Reisender. Nur ein Wartehäuschen oben an den Gleisen bietet einen wenig ansprechenden Anblick. Die Scheiben sind blind, innen sieht es wüst aus. Doch es ist auch abgeschlossen.

Natürlich sind auch die üblichen Schmierereien an einigen Wänden zu sehen. „Vandalismus gibt es hier mal mehr, mal weniger“, sagt Investor Markus Bürger, der an gefährdeten Stellen längst Videokameras angebracht hat. „Da muss man immer am Ball bleiben.“ Dafür erhalte er regelmäßig viel positives Feedback, wenn das Gebäude in weihnachtlichem Lichterglanz erstrahlt.

Deutsche Bahn: Dacharbeiten wieder aufgenommen

Eingerüstet: Die Deutsche Bahn will das Dach an den Gleisen 3 und 4 erneuern. Rechts an der Wand sind Schmierereien zu sehen.
Eingerüstet: Die Deutsche Bahn will das Dach an den Gleisen 3 und 4 erneuern. Rechts an der Wand sind Schmierereien zu sehen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Baugerüste stehen an Bahnsteig 3 und 4. Dort erneuert die Deutsche Bahn das Dach. Nach intensiven Abstimmungen mit der Denkmalschutzbehörde seien die Arbeiten Ende Januar wieder aufgenommen worden, so ein Bahnsprecher. Vom 27. März bis zum 22. April müssen die Gleise deshalb nachts gesperrt werden. Die Arbeiten sollten im zweiten Quartal 2022 beendet sein. Die Kosten liegen bei rund 1,2 Millionen Euro.

Bahnhof Annen bleibt schäbig

Die SPD-Fraktion im Landtag NRW hat in dieser Woche einen Antrag mit dem Titel „Angsträume beseitigen, Sicherheit erhöhen – die Verkehrswende braucht attraktive Bahnhöfe und Haltepunkte!“ vorgestellt. Nadja Büteführ, Landtagsabgeordnete für Witten und Herdecke, begrüßt diese Initiative ihrer Fraktion.

„Ich weiß aus Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern, aber auch aus eigener Erfahrung als Bahnfahrerin, dass insbesondere der Bahnhof in Annen als unattraktiv empfunden und insbesondere in den Abendstunden nur ungern frequentiert werden“, erklärt Büteführ. Laut DB seien dort aktuell keine Arbeiten geplant.

Bereits abgeschlossen ist die Verlängerung der Bahnsteige 1/2 und 3/4. Damit können die langen Züge des Rhein-Ruhr-Expresses (RRX) seit Dezember 2020 an den Bahnsteigen halten. Außerdem ist ein stufenfreier Zutritt in die Fahrzeuge möglich. Die renovierten Bahnsteige sind außerdem mit neuen Vitrinen und Sitzbänken ausgestattet worden.

Alles bestens also? Jens Grünebaum von den Eisenbahnfreunden sieht das etwas anders. Sein Verein ist quasi „die gute Seele“ des Bahnhofs, wie Markus Bürger es formuliert. Die Mitglieder kümmern sich um Lok Friedrich, fegen samstags in der Halle und vor dem Vereinsheim. Dabei ärgern sie sich regelmäßig über zwei Dinge: den Taubendreck auf der Lok und die vielen Zigarettenkippen auf dem Boden.

„Das ist eine Riesensauerei“, sagt Grünebaum über den Vogelkot, der den Lack der Lok beschädigt. Keiner fühle sich zuständig. Erschreckend finde er auch, wie viele Kippen und Pappbecher herumliegen. Daran könnten allerdings nur jene etwas ändern, die den Müll in die Ecke werfen.