. Die Bürgermeisterin sieht in der Lok eine Aufwertung für den Bahnhof. Eisenbahnfreunde sind stolz: „Keiner hat geglaubt, dass wir es schaffen“.

  • Die Bürgermeisterin Sonja Leidemannsieht in der Lok eine Aufwertung für den Bahnhof
  • Eisenbahnfreunde sind stolz auf den Tag: „Keiner hat geglaubt, dass wir es schaffen“
  • Einfahrt durchs Portal des Hauptbahnhofs wird zur spannenden Millimeterarbeit

Da sage noch einer, die Bahn sei nicht pünktlich. Kurz nach zehn Uhr am Morgen kommt die Lok Friedrich vor dem Hauptbahnhof angerollt. Allerdings nicht auf ihren eigenen Rädern. Noch ist sie festgeschnallt auf der Ladefläche eines großen Sattelschleppers. Und der fährt erstaunlich zügig am Bahnhof vorbei und parkt ein paar Meter weiter auf der Bergerstraße.

Denn zunächst müssen rechts und links vom Hauptportal die beiden Schwerlastkräne in Stellung gebracht werden, die den 25 Tonnen schweren Koloss auf die provisorischen Schienen heben sollen. Die sind extra für Friedrich verlegt worden. Über lange Vierkantrohre auf Stahlplatten, die das Gewicht der Lok aushalten können, soll das Schmuckstück später vom Vorplatz in die Halle geschoben werden.

Viele Zuschauer verfolgten das Spektakel.
Viele Zuschauer verfolgten das Spektakel. © Thomas Nitsche

Aber bis dahin wird es noch etwas dauern. Erst einmal fahren die Kräne ihre langen Ausleger aus und bereiten die breiten Gurte vor, mit denen Friedrich angehoben werden soll. Einer kommt vorne unter die Lok, einer unter ihr Hinterteil. Und dann – wie von Zauberhand – hebt sich Friedrich plötzlich langsam hoch in die Lüfte.

Gut 200 Wittener verfolgen gespannt das Spektakel. Schon morgens um neun waren die Ersten da. „Mit so vielen Zuschauern hätte ich nie gerechnet“, sagt der Wittener Bauunternehmer Achim Hofmann, der die Aktion heute koordiniert und leitet. Er ist inzwischen sogar mit einem Mikrofon ausgestattet worden. Mehreren Fernsehsendern ist Friedrichs Einzug einen Bericht aus Witten wert. Auch die vielen Zuschauer recken fast alle ihre Kameras und Handys in die Höhe, um Friedrichs „Flug“ festzuhalten.

Die Zuschauer applaudieren

Der ist erstaunlich schnell zuende. Keine fünf Minuten dauert es, da schwebt die Lok schon mittig über den Schienen. Hier wird geschoben, da ein Sicherheitskeil untergeklemmt, noch zwei Kommandos – dann sitzt sie ganz genau in der Spur. Vorsichtig lassen die Kräne los – es passt haargenau. Die Zuschauer applaudieren. Geschafft! Oder doch nicht? Bahnhofbesitzer Markus Bürger, der die Lok nach Witten geholt hat, sieht immer noch angespannt aus. „Jetzt wird es erst richtig spannend“, sagt er. „Jetzt wird sich zeigen, ob Friedrich überhaupt durch die Tür passt.“

„Oben fehlen sechs Zentimeter“

Die Sorge, die Lok könnte nicht durch die Tür passen, kommt nicht von ungefähr: Zwar war extra die Mittelsäule ausgesägt worden, um mehr Platz für die Durchfahrt zu schaffen, aber: „Nach unseren Berechnungen fehlen oben sechs Zentimeter“, hatte der Bauleiter kurz zuvor verkündet. Hektisch wird noch mal gemessen, jetzt, wo Friedrich auf dem Boden steht. Dann haben die Experten einen Plan: Die Lok wird vorne noch einmal angehoben. Dadurch kommt sie hinten etwas tiefer. „Und dann versuchen wir, ob das Führerhaus durchpasst“, erklärt Markus Bürger.

Das war Millimeterarbeit.
Das war Millimeterarbeit. © Manfred Sander

Gesagt, getan, geschoben: Es passt. Die Eisenbahnfreunde strahlen. Im Jahr 2012 hat ihr Verein die Lok gekauft, seitdem zig Stunden mit der Restaurierung in Gelenkirchen-Bismarck verbracht. „Das waren fünf Jahre harte Arbeit mit vielen, vielen Hindernissen“, sagt Kassierer Manuel Hartmann stolz. „Keiner hat geglaubt, dass wir es schaffen – aber wir haben sie jetzt alle eines Besseren belehrt.“

„Das kann man mit Hochzeit auf eine Stufe stellen“

Auch für den zweiten Vorsitzenden des Vereins, Klaus Tillmann, ist dieser Freitag, der 13., ein wahrer Glückstag: „Ganz ehrlich, dieses Ereignis kann man mit Hochzeit und Kinderkriegen durchaus auf eine Stufe stellen.“

Als am Nachmittag schließlich die Bürgermeisterin kommt, um die letzten Meter der Lok offiziell zu begleiten, herrscht längst Partystimmung im Bahnhof. Es gibt Bier, Waffeln und Würstchen, die Eisenbahnfreunde feiern mit den Bauleuten, mit Sponsoren, Bürgern und Gästen. Einige sind von weit her angereist, um den Einzug mitzuerleben, so wie Bernd und Ute Hartmann von der Mosel: „Denn so etwas sieht man nicht alle Tage.“ Andere haben alles stehen und liegen gelassen, so wie Familie Sellmann von gegenüber. „Eigentlich sind wir am tapezieren, aber das konnten wir uns doch nicht entgehen lassen – endlich mal was Positives für die Stadt.“

„Ein absolutes Aushängeschild für die Stadt“

Das findet auch Bürgermeisterin Sonja Leidemann: Die Lok – laut Markus Bürger übrigens die einzige weltweit, die in einer Bahnhofshalle steht, sei eine „super Aufwertung für den Bahnhof, ein absolutes Aushängeschild für die Stadt.“ Der Bahnhof sei schließlich die Pforte zur Stadt, die Lok das neue Prunkstück. „Meine Hochachtung, dass die Eisenbahnfreunde das Projekt gestemmt haben und sich von Schwierigkeiten nicht verzagen ließen.“

Noch einmal setzt sich dann Bauunternehmer Achim Hofmann auf den Radlader, um Friedrich auf seine endgültige Position zu bringen. Mit einer Art Abschleppstange schiebt er die Lok vorsichtig über die Gleise in die Mitte der Halle. Nicht ganz einfach: Es ruckelt mächtig, als der Koloss die kleine Rampe zu seinem Parkplatz herunter rumpelt, Hofmann muss mächtig Gas geben. Ein Kotflügel setzt auf – aber: „Nichts passiert.“

„Dies ist mehr als nur eine Haltestelle“

Friedrich ist endlich angekommen. Aber fertig ist er noch lange nicht. Es fehlen noch die Puffer, Teile des Führerstandes und zig Kleinigkeiten. Auch drumherum muss noch einiges getan werden: Der Boden in der Bahnhofshalle ist als nächstens dran. Friedrich wird daher erstmal gut eingepackt, damit er nicht vollstaubt, und mit Baugittern gesichert.

Bis Ende des Jahres sollen die meisten Bauarbeiten abgeschlossen sein: „Und dann wird die Lok dafür sorgen, dass dies hier mehr als nur eine Haltestelle ist“, schwärmt Wittens Denkmalschützer Florian Schrader. „Aber das gilt dann eigentlich für den ganzen renovierten Bahnhof.“

>>>VEREIN BITTET UM SPENDEN

Die Dampflok Friedrich wurde 1949 als Werkslokomotive von der Firma Henschel gebaut. Bis Mitte der 1960er-Jahre zog sie schwere Lasten bei der Werksbahn der Klöckner-Hütte in Hagen-Haspe. 1973 wurde sie dann als Spielplatzlok in Gevelsberg-Vogelsang aufgestellt. Friedrich ist 2,05 Meter breit, 6,15 Meter lang und 25 Tonnen schwer.

Um an der Restaurierung der Lok Friedrich weiterarbeiten zu können – etwa um die fehlenden Puffer anzufertigen – braucht der Verein der Eisenbahnfreunde weitere Spenden. Bürgermeisterin Sonja Leidemann bittet, das ehrenamtliche Engagement zu unterstützen: IBAN: DE10 3606 0591 0101 8104 23, BIC: GENODED1SPE, Stichwort: Friedrich