Wattenscheid. Großen Anklang findet der Vortrag über das Kriegsende 1945 in Wattenscheid – und über den mühsamen Neubeginn. Eine Parallele gibt es zu heute.
Noch zum Jahreswechsel 1944/1945 verfasst Wattenscheids Oberbürgermeister August Düsterloh einen Appell an die „Männer und Frauen unserer Stadt“. Der Aufruf ist geprägt von den typischen Durchhalteparolen und dem Versprechen, das Jahr 1945 bringe den Frieden und natürlich den viel beschworenen Endsieg. Das Ende des Zweiten Weltkriegs sah bekanntlich ganz anders aus. Düsterloh, seines Zeichens SA-Standartenführer, setzt sich rechtzeitig ins Sauerland ab – bevor amerikanische Truppen am 10. April 1945 die Alte Freiheit besetzen.
So erlebte Wattenscheid das Kriegsende 1945 – und den Neubeginn
„Kriegsende und Neubeginn in Wattenscheid 1945“ – so lautete der Titel eines atmosphärisch dichten Vortrages am Dienstagabend in der Stadtbücherei Wattenscheid. In Kooperation mit dem Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte und der VHS spiegelte Archivar Andreas Halwer die Ereignisse wider, die nun 75 Jahre zurückliegen.
Die Resonanz der Zuhörer spricht für sich. Mehr als 60 Besucher verfolgen aus der Retrospektive betrachtet die Ereignisse dieses besonderen Kapitels der Ortsgeschichte. Unter ihnen Zeitzeugen, die das Ende des Krieges und die Befreiung als Kinder erlebten.
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Andreas Halwer präsentiert Luftaufnahmen der Engländer, die Zerstörungen im Stadtgebiet zeigen. Eine Bilanz nach 48 Bombenangriffen, die 328 Menschen mit dem Leben bezahlen müssen. Aufnahmen ausgebombter Gebäude, etwa in der Innenstadt und an der Graf-Adolf-Straße dokumentieren bis heute ungeschminkt, was Krieg bedeutet. Bis eben zu jenem Tag, an dem die weißen Fahnen der Kapitulation gehisst werden.
Sinnlosen Widerstand leisten zuvor noch Angehörige des Volkssturms und der Hitlerjugend in Eppendorf, dokumentiert die Pfarrchronik der katholischen Gemeinde Höntrop. Sie eröffnen, ausgerüstet mit Maschinengewehren und Panzerfäusten, das Feuer auf anrollende amerikanische Truppen. Nach einem kurzen, aber heftigen Gefecht bleiben zehn Tore auf deutscher Seite zurück, heißt es in dem Dokument.
KPD-Mitglied wird erstes Oberbürgermeister Wattenscheids
Noch am 16. April des Jahres 1945 feuern deutsche, jenseits der Ruhr stationierte Geschütze einige Salven über den Südpark hinweg. Dann ist Ruhe...“, hält Chronist Pfarrer Thiemeyer schlicht in seinem Bericht fest. Johann Noll, Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Mitglied der KPD, heißt der erste, von der US-Militärbehörde am 12. April 1945 eingesetzte Oberbürgermeister Wattenscheids. Bereits am Ende des gleichen Monats übergeben die Amerikaner den Stab an die Engländer, Wattenscheid liegt damals in der britischen Besatzungszone.
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In einer Botschaft an die Bevölkerung der Stadt Wattenscheid, die am 29. Juni 1945 in der neuen Wattenscheider Zeitung – einem öffentlichen Anzeiger – erscheint, spricht OB Noll Klartext. Das öffentliche Leben solle sich wieder normalisieren. Den Worten folgen rasch Taten. Zitat Johann Noll: „Meine Entscheidungen werden bestimmt aus meinem sozialen und demokratischen Gewissen heraus und aus meiner 25-jährigen praktischen Erfahrung im Dienste der Stadt Wattenscheid.“
Zeitreise ins Jahr 1920
Die Reihe der Vorträge über die Geschichte der Stadt Wattenscheid wird am Dienstag, 29. September, fortgesetzt. Dann lädt Archivar Andeas Halwer zu einer bebilderten Zeitreise in das Jahr 1920 ein. Die VHS-Veranstaltung trägt den Titel: „Wattenscheid vor 100 Jahren – das Jahr 1920“.
Der Vortrag beginnt um 18.30 Uhr in der Stadtbücherei im Gertrudiscenter am Alten Markt. Die Teilnehmerzahl ist auf 40 Personen begrenzt, der Eintritt wie gewohnt kostenlos.
Eine, wenn auch in einem anderen Zusammenhang zu betrachtende Parallele zur Gegenwart (Corona lässt grüßen), bilden damals Versorgungslücken auf allen Ebenen. Der Oberpräsident der Provinz Westfalen warnt ganz amtlich vor Schleich-, besser bekannt als Schwarzhandel und vor so genannten Hamsterfahrten. Diese Aktivitäten sind offiziell verboten, strenge Bestrafung wird angedroht. Was natürlich niemanden davon abhält, zu tauschen, zu handeln und nicht zuletzt zu hamstern. In einer Epoche, in der das Angebot an Waren aller Art tatsächlich sehr überschaubar ist.
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