Neviges. Abbé Pauljo von Loe (28) ist neuer Priester in Velbert-Neviges. Warum der Fußballfan mit 17 Jahren plötzlich wusste: „Der Herr ruft mich.“

Der erste Eindruck vom „Neuen“: Ein echter Strahlemann, der sofort gute Laune verbreitet. Ja, er lache einfach gern, bestätigt Abbé Pauljo von Loe mit breitem Grinsen. Der 28-Jährige ist frisch geweihter Priester der katholischen Kirchengemeinde Maria, Königin des Friedens, in Velbert-Neviges. Als Diakon unterstützt er die Gemeinde schon seit einem Jahr, seine erste Amtshandlung als Priester passte zu seinem sonnigen Gemüt: die Segnung des neu angelegten Rosengartens zwischen Mariendom und Pfarrzentrum Glocke.

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Abbé Pauljo, wie er in der Gemeinde genannt wird, ist der Jüngste im Bunde der zurzeit noch vier Geistlichen der französischen Glaubensgemeinschaft St. Martin, die 2020 die Nachfolge der Franziskaner angetreten hat. Zurzeit noch vier deshalb, weil Abbé Phil im August das Kloster in Neviges verlassen wird. Dann werde er sich hauptsächlich um die Jugendarbeit kümmern, „die Erstkommunion vorbereiten, aber natürlich auch vieles andere erledigen, was anfällt“, sagt Fußball-Fan Abbé Pauljo, dessen Herz für Schalke 04 schlägt. Und der sich auch vorstellen kann, mit seinen Jugendlichen bei Gelegenheit Fußball zu spielen.

Glocken der Pfarrkirche in Velbert-Neviges läuten punktgenau

Die Pfarrkirche Maria Empfängnis ist direkt neben dem Kloster.
Die Pfarrkirche Maria Empfängnis ist direkt neben dem Kloster. © WAZ FotoPool | Uwe Möller

Was bewegt einen jungen Mann dazu, sein Leben völlig in den Dienst der Kirche zu stellen? Was gab den Anstoß? Wie in einer perfekten Inszenierung, fangen just bei dieser Frage die Glocken der Pfarrkirche an zu läuten, Abbé Pauljo lächelt breit: „Besser geht’s nicht.“ Geboren in Arnstadt bei Erfurt (Thüringen) und aufgewachsen in Schweinheim bei Euskirchen, habe „ein lebendiger Glaube“ in seiner Familie von jeher eine Rolle gespielt. Er hat drei jüngere Schwestern und einen kleineren Bruder.

Besuch des Weltjugendtages mit Folgen

Sein Abitur habe er im Vinzenz Pallotti-Kolleg in Rheinbach gebaut, einem inzwischen geschlossenen Gymnasium, zugehörig zur Ordensgemeinschaft der Pallottiner, so erzählt der junge Geistliche weiter. Doch vor dem Abi passierte etwas Entscheidendes, das seinen künftigen Lebensweg prägte: Auf dem Weltjugendtag 2011 in Madrid – der Weltjugendtag ist eine jährliche Veranstaltung der katholischen Kirche – habe ihn „der Herr gerufen“. Da habe er plötzlich seine wahre Bestimmung gespürt – über einen ziemlich kuriosen Umweg...

Erst gebetet für eine nette Frau

Auch in dem bekannten Mariendom hält der neue Priester Abbé Paujo seine Messen.
Auch in dem bekannten Mariendom hält der neue Priester Abbé Paujo seine Messen. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

„Auf dem Weltjugendtag gab es eine Anbetung, ich habe darum gebeten, eine Frau zu heiraten, Kinder großzuziehen, eine eigene Familie zu gründen.“ Gleichzeitig sei ihm auch der Gedanke gekommen, dass es ziemlich wenig Priester gebe, „dass man auch für den Priesterberuf beten muss“, erinnert sich der Geistliche. „Ich habe da nicht großartig an mich selbst gedacht, sondern eher gesagt: Lieber Gott, schenk uns mehr Priester.“ Und dann sei dieser Wunsch „wie ein Boomerang zurück gekommen“: Er habe das erst gar nicht so recht wahr haben wollen, sagt Abbé Pauljo. „Ein halbes Jahr später hat der liebe Gott dann richtig bei mir angeklopft. Ok, da habe ich es dann verstanden.“

Die Eltern unterstützten ihn in seinem Entschluss

Und seine Familie, wie reagierte die damals auf seinen Entschluss? „Sie hat mich verstanden und von Anfang an unterstützt, das ist nicht selbstverständlich.“ Seine Mutter sei zunächst etwas traurig gewesen, „aber zum Glück gibt’s schon Enkel“. Und so ganz unüblich sei die Berufswahl in seiner Familie nicht, ein Cousin werde Franziskaner, weitläufige Verwandte seien manchmal im französischem Evron, dem Mutterhaus der Glaubensgemeinschaft St. Martin.

Ein Jahr im Libanon gelebt

Nach dem Abitur ging es erstmal ein Jahr ins Ausland. „Nicht, weil ich mir nicht sicher war, sondern ich wollte einfach noch mal raus, ehe das Studium los ging.“ Eben wie so viele junge Menschen. Abbé Pauljo verbrachte dieses Jahr im Libanon, kümmerte sich gemeinsam mit den Maltesern um behinderte Kinder. „Als ich zurück kam, bin ich dann ins Kollegium Albertinum in Bonn eingetreten, das ist das Priesterseminar für das Erzbistum Köln.“ Zwei Jahre Studium in Bonn, ein Jahr in Rom, 2017 schloss er sich der Glaubensgemeinschaft St. Martin in Frankreich an. Fünf Jahre wurde er in Evron ausgebildet, „unserem Priesterseminar“, bevor er im August 2022 nach Neviges wechselte – und sich hier pudelwohl fühlt.

Unerschütterlicher Glaube an die katholische Kirche

Auf die Frage, ob er seinen Entschluss, ein ganz anderes Leben zu führen, manchmal bedaure, zu wissen, keine Familie gründen zu können, denkt Abbé Pauljo kurz nach: „Ich spüre, dass es manchmal ein Opfer ist. Aber ein Opfer, das ich gerne bringe. Weil ich weiß, dass es gut ist.“ Gut wofür? „Um ganz da zu sein für Gott und für die Menschen.“ Seine tiefe Überzeugung, dass es sich lohne, sich für diese Kirche einzusetzen, bleibe ungebrochen – auch angesichts der zahlreichen Kirchenaustritte bundesweit. „Ein Blick in die Kirchengeschichte sagt mir, das hier ist nicht die erste Krise, die die Kirche übersteht.“ Schaue er in seine Gemeinde hier in Neviges, „sehe er ganz viel Hoffnung“. Und außerdem, so bekräftigt Abbé Pauljo: „Jesus ist seinem Versprechen bisher immer treu geblieben: Ich bleibe bei euch bis ans Ende der Welt.“

Jetzt muss er aber los, die Arbeit ruft. „Beerdigung“, sagt Abbé Pauljo und verabschiedet sich mit festem Händedruck – und einem strahlenden Lächeln.

>>>Neviges ist erster deutscher Standort

Die Gemeinschaft Sankt Martin ist kein Orden; ihr Mutterhaus ist in Evron in Westfrankreich.

Jeweils drei bis sechs Mitglieder sind europaweit in Pfarreien, Internaten und Wallfahrtsorten tätig. Zurzeit zählt die Gemeinschaft 115 Priester und Diakone.

Die Gemeinschaft wurde 1976 von Jean-François Guérin, einem Priester der Erzdiözese Tours, gegründet. Neviges ist der erste Standort in Deutschland.