Velbert/Heiligenhaus. Langweilig wird Sascha Voirin die Polizeiarbeit nie. In Velbert und Heiligenhaus kann es zu den gleichen Straftaten wie in Großstädten kommen.

Polizeioberkommissar Sascha Voirin ist ein erfahrener Polizist. Daher weiß er, dass gerade an Wochenenden viel los ist im Wachbereich Velbert, Heiligenhaus und Wülfrath. Es ist Samstag, 18 Uhr, Voirin beginnt seine Achtstundenschicht an der Velberter Wache. „Wir wissen nie, wie die Schicht so läuft, das ist spannend, aber auch unberechenbar“, sagt der 44-Jährige. Denn auch im Kreis Mettmann „kommt wie in einer Großstadt jede Einsatzart vor“, vom Taschendiebstahl bis zur schweren Körperverletzung.

Sich an Kriminelle anpirschen und sie zu verfolgen, während Adrenalin durch die Adern pumpt, das ist für Voirin der spannendste Aspekt seines Berufs. Doch sein erster Einsatz auf Patrouillenfahrt mit Polizeikommissar Robin Schuffelen ist unspektakulär: Ein Auto steht in Heiligenhaus im Halteverbot. Der Wagen behindert den Verkehr nicht, deshalb ist die Angelegenheit nach ein paar Beweisfotos mit dem Handy erledigt und es geht weiter.

Die Patrouillenfahrt für die Polizisten Robin Schuffelen (links) und Sascha Voirin auch auf den Rathausplatz in Heiligenhaus.
Die Patrouillenfahrt für die Polizisten Robin Schuffelen (links) und Sascha Voirin auch auf den Rathausplatz in Heiligenhaus. © Oliver Kühn

„Es gibt hier keine offene Drogenszene oder Angsträume“, betont Voirin und biegt in die Hochhaussiedlung der Oberilp ein. „Wir zeigen offen Präsenz und schrecken damit auch ab.“ Ein Junge auf einem Fahrrad winkt, und die Beamten grüßen zurück. Ertappt fühlen sich dagegen drei Kinder, die mit Skateboards auf der Straße spielen. Der 23-jährige Schuffelen ermahnt sie, auf dem Gehweg zu bleiben. Ja, räumt das Duo ein, Streifendienst sei selten voller Action, wie man dies aus Krimi-Serien kennt. Da ahnen die beiden noch nicht, dass sie kurz darauf in Velbert Verstärkung rufen müssen.

Prügelnder Ehemann missachtet sein Hausverbot

Dabei beginnt dieser Einsatz ganz harmlos. Eine Streife kontrolliert derzeit täglich bei einem Gewaltopfer, ob der prügelnde Ehemann sich an das Hausverbot hält. Tags zuvor hatte er es bereits missachtet und die Wohnungstür eingetreten. Jetzt klopfen die Beamten an. Es dauert lange, bis die Velberterin öffnet. Dass sie Angst hat, fällt sofort auf. „Er ist hier“, flüstert sie mit starkem slawischen Akzent und zieht sich in die Küche zurück. Sie spricht kaum Deutsch; auch ihr Mann nicht.

Er liegt im Wohnzimmer nackt auf der Schlafcouch und schaut fern, vor ihm sein Abendessen. Zunächst bleibt er ruhig, als Sascha Voirin ihm erklärt, dass er die Wohnung umgehend verlassen muss. Als sein Partner jedoch nach der Frau sieht, schreit der Mann plötzlich los. Die Polizisten verstehen nicht seine Worte, aber die Intention dahinter. Auch weil die Frau sofort noch mehr Angst bekommt. Es ist eine Drohung, wie sich später herausstellt: „Ich werde dich beseitigen!“

Zwei Kommissarinnen treffen als Verstärkung ein

Sascha Voirin verhindert, dass der wütende Mann zu seiner Frau läuft, und überwältigen lässt sich der Oberkommissar schon gar nicht. Er bringt ihn zu Boden und legt ihm schnell Handschellen an, damit die Situation nicht weiter eskaliert. Kurz darauf trifft eine weitere Streife mit zwei Polizistinnen ein, sie wurde als Unterstützung angefordert. Voirin führt den brüllenden Mann, der sich inzwischen eine Jogginghose angezogen hat, nach draußen und sperrt ihn in den Einsatzwagen. Mit einer Kollegin fährt er zur Wache an die Heiligenhauser Straße.

Im Gegenzug betritt Kommissarin Anja Kambach jetzt die Wohnung und versucht mit Schuffelen, die schluchzende Velberterin zu beruhigen. Dabei hilft auch ein Beamter am Telefon, der die Muttersprache der Frau spricht. „Wir wissen uns immer zu helfen“, kommentiert Kambach das Telefonat; notfalls verständige man sich mit einem Übersetzungsprogramm auf dem Handy oder mit Händen und Füßen.

In den Einsatzbericht gehören möglichst viele Details

Eine leere Zelle in der Velberter Polizeiwache.
Eine leere Zelle in der Velberter Polizeiwache. © Oliver Kühn

Später sind Voirin und Schuffelen wieder gemeinsam auf der Wache, sie füllen den Bericht aus, ebenso viele dazugehörige Formulare. Der prügelnde Ehemann schläft in der Zelle, eine Ärztin hat ihn bereits untersucht. Seine 1,4 Promille merkte man ihm nicht an. Mehr als drei Stunden sitzen die beiden Streifenpolizisten unter Neonlicht vor ihren Computern, um den Einsatz aufzuarbeiten, der kaum eine Stunde gedauert hat. „Wir schreiben alles auf, denn jeder, der nicht dabei war, muss alle Details kennen“, erläutert Robin Schuffelen. Den Schreibkram können sie jedoch nicht an einem Stück erledigen, mehrfach werden sie unterbrochen und müssen wieder ausrücken.

Was will ein Einbrecher im Finanzamt stehlen?

Es ist nach Mitternacht, als ein möglicher Einbruch im Finanzamt gemeldet wird. Ein Anwohner, der offiziell die Hausmeister unterstützt und deshalb eigene Schlüssel hat, wartet in der Nähe und zeigt den Kommissaren Voirin und Schuffelen, dass in der vierten und fünften Etage immer wieder Lichter ein- und ausgeschaltet werden. Verdächtig und zugleich skurril: Was will man im Finanzamt stehlen? Eine zweite Streife kommt dazu und der Anrufer schließt das Gebäude für die Polizisten auf. Die vier Beamten teilen sich auf, durchsuchen mit Taschenlampen vorsichtig das Treppenhaus, dunkle Korridore, Büros und Toiletten. Nach einiger Zeit steht fest: falscher Alarm. Erst nach dem Wochenende klärt der Vorfall sich auf; die Lichtanlage hatte einen technischen Defekt.

Die Streife wird außerdem in ein Gewerbegebiet geschickt, ein Einbrecher soll eingestiegen sein. Die Nachbarin einer Werkhalle hatte darin den Lichtkegel einer Taschenlampe entdeckt und den Notruf gewählt. Schnell, aber ohne Sirenen, fahren die Polizisten dorthin, parken den Wagen mit Abstand und pirschen sich vorsichtig heran. Plötzlich tritt eine Gestalt aus der Halle. Entwarnung. Der Verdächtige ist nur ein Mitarbeiter. Er vermisst einen wichtigen Schlüssel und sucht ihn auf der Arbeit, obwohl es schon mitten in der Nacht ist.

Die übrigen Einsätze der beiden Streifenpolizisten bleiben kurz, darunter ein angeblich anreisender Lynchmob und eine Privatparty, über die sich die Nachbarn mehrfach beschweren. „Da sind viele Leute, die viel Alkohol getrunken haben, und wir sind für sie immer die Spielverderber“, sagt Robin Schuffelen. „Das Angriffspotenzial ist hoch, da kann alles passieren.“ Jedes Küchenmesser könne spontan zu einer Waffe werden. Allerdings bleibt die klare Ansage der Beamten unwidersprochen und fruchtet. Gefeiert wird fortan nur noch leise – zumindest in dieser Nacht.

Ein relativ ruhiger Abend mit insgesamt 55 Polizeieinsätzen

Der Einsatz bei dem Velberter Gewaltopfer zuhause sollte der bemerkenswerteste der Schicht bleiben. Ein Richter entschied am nächsten Morgen, lange nach Feierabend der beiden Kommissare, dass der prügelnde und jähzornige Ehemann zunächst in der Zelle bleibt. Seine Drohungen nimmt die Justiz ernst. „Dadurch hat die Frau eine Chance, ihr Leben zu ändern und ihn zu verlassen“, sagt Robin Schuffelen. Doch er weiß: Nur die wenigsten Opfer ringen sich dazu durch.

Velbert- Polizeiarbeit im Wachbereich

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    Der Streifendienst sei, alles in allem, nicht ungewöhnlicher gewesen als an übrigen Wochenenden, sind sich die Kommissare nach ihrer Achtstundenschicht einig. Tatsächlich war es ein eher ruhiger Abend; insgesamt hatte die Polizei 36 Einsätze in Velbert, 14 in Heiligenhaus und fünf in Wülfrath. Wie ein Dienst wird, lasse sich zwar nicht vorhersagen, weiß Oberkommissar Sascha Voirin, „langweilig wird es aber nie.“ Für ihn jedoch war es die vorerst letzte Schicht in Velbert und Heiligenhaus; er hat inzwischen seinen neuen Dienst in Ratingen angetreten.

    Polizisten wünschen sich mehr Respekt

    Hauptkommissar Dirk Ollegott wünscht sich in der Bevölkerung mehr Respekt für die Polizei.
    Hauptkommissar Dirk Ollegott wünscht sich in der Bevölkerung mehr Respekt für die Polizei. © Carsten Klein

    Die Kriminalität im Kreis Mettmann sei mit der in Großstädten durchaus vergleichbar, sagt Hauptkommissar Dirk Ollegott, „doch hier ist das Einsatzaufkommen nicht so hoch getaktet“. Er ist Wachdienstführer in Velbert und weiß, dass es im Kreis Mettmann durchschnittlich rund 6000 so genannte „außenveranlasste Einsätze“ pro Monat gibt – darunter vor allem Verkehrsunfälle mit Sachschaden und Ruhestörungen. „Aber in jeder Stadt kann grundsätzlich alles passieren.“ Darauf müssen Polizisten vorbereitet sein und sind deshalb immer mindestens zu zweit auf Streife. Denn ungefährlich sei der Dienst nicht. Dass man aber seine Pistole ziehen muss, so die Kreispolizei, „ist glücklicherweise äußerst selten“.

    Jedoch wüssten alle Polizisten bei der Berufswahl, worauf sie sich einließen, betont Dirk Ollegott. Dazu gehöre auch, dass der Respekt vor der Uniform mehr und mehr abnimmt. Dies äußere sich nicht nur in Gewalt gegenüber Beamten, es fange schon bei Kleinigkeiten an: „Viele Bürger haben kein Verständnis dafür, wenn sich Polizisten im Dienst beim Bäcker ein Brötchen kaufen. Dabei haben wir keine geregelten Pausen wie im Büro und sind froh, überhaupt mal Zeit zu haben.“ Zumal längst nicht jede Schicht eine Pause erlaubt. Denn die Polizei reagiert auf jeden Notfall und jeder Einsatz muss anschließend ausführlich dokumentiert werden. Das Aufschreiben kann viele Stunden beanspruchen – insbesondere bei häuslicher Gewalt.