Oberhausen. Die neue Sparte „Open Haus“ bietet mehr als Theaterpädagogik, denn „offen“ ist fast alles: vom Barquiz bis zu Tanztee und Stadtbotschafter-Songs.

Wenn nicht gerade wieder die Handwerker dazwischenfahren, will das Theater Oberhausen ja beständig ein „offenes Haus“ sein. Deshalb ist Anne Verena Freybott als Leiterin der neuen Sparte namens „Open Haus“ aber nicht die Intendantin – trotz ihres in viele Ecken des Theaters hineinreichenden Ressorts. Doch während der vorherigen Intendanz ihrer Chefin Kathrin Mädler am Landestheater Schwaben wirkte Freybott im beschaulichen Memmingen bereits als Chefdramaturgin: ein eingespieltes Team.

In Oberhausen firmierten Theaterpädagogik und die für die Stadtgesellschaft „geöffneten“ Formate bisher als „Faktorei“ – doch Anne Verena Freybott sagt offen, dass sie mit diesem Begriff „fremdelt“: Was zu gemeinsamer Freude und Erkenntnis führen soll, klänge unter dem alten Etikett viel zu sehr nach Arbeit. Die als Dramaturgin erfahrene 49-Jährige, die bereits in Münster fürs „Junge Theater“ engagiert war, „arbeitet wahnsinnig gerne mit Menschen, die nicht hauptberuflich Schauspieler sind“. Der Anspruch der neuen Marke „Open Haus“, so Freybott weiter „gilt eigentlich fürs ganze Theater: Das ist kein Lippenbekenntnis!“

Eingespieltes Führungs-Trio: Intendantin Kathrin Mädler (v.re.), hier während der Vorstellung ihrer ersten Oberhausener Spielzeit mit „Open Haus“-Chefin Anne Verena Freybott und Chefdramaturgin Dr. Saskia Zinsser-Krys.
Eingespieltes Führungs-Trio: Intendantin Kathrin Mädler (v.re.), hier während der Vorstellung ihrer ersten Oberhausener Spielzeit mit „Open Haus“-Chefin Anne Verena Freybott und Chefdramaturgin Dr. Saskia Zinsser-Krys. © FUNKE / Foto Services | Gerd Wallhorn

Die neue Crew denkt jetzt größer, was die Beteiligung möglichst vieler Oberhausenerinnen und Oberhausener an ihrem Theater angeht. So gibt’s weiter jene teils seit Jahren etablierten Laien-Ensembles, die gerne das Wissen und die Ressourcen der Profi-Bühne nutzen: „Wir nennen sie jetzt Spielclubs.“ Doch zwei größere Produktionen mit Bürger-Beteiligung sind längst in den „großen“ Spielplan der ersten Saison 2022/’23 eingepasst.

„Wer ist bereit, über das schlechte Image zu sprechen?“

Da ist zum einen die für Mai vorgesehene Premiere eines noch namenlosen Schauspiels von Felicia Zeller, entstanden in Kooperation mit dem Frauenhaus – und inszeniert von Eike Weinreich. Diesen Namen kennen Theaterfans noch aus dem Ensemble der Ära von Peter Carp sowie als Regisseur des satirischen Bühnen-Films „Unruhezeiten“.

Für „Obermünchhausen“ übernimmt Anne Verena Freybott selbst die Regie, um mit einer Crew aus Laien und einigen Ensemble-Profis der alten Geschichte vom Lügenbaron aus Bodenwerder einen ganz neuen Twist zu verpassen. „Warum hat Oberhausen so ein schlechtes Image?“ war die treibende Frage für die „Open Haus“-Chefin. „Wer ist bereit, über dieses Image zu sprechen?“ Antworten gaben ihr Berufene vom Stadtplaner bis zum Psychologen. Das Schauspiel – nicht im Theater, sondern in einem Leerstand an der Marktstraße – gestaltet Freybott als „Einbürgerungs-Parcours“: Wer ihn durchläuft, avanciert zum „Obermünchhausener“.

Das sonntägliche Tanztee-Debüt in der vorigen Woche war ein prompter Publikumserfolg: Denn Angebote für Gesellschaftstanz bei Kaffee und Kuchen sind – nicht erst seit dem Corona-Einbruch – durchaus knapp bemessen.
Das sonntägliche Tanztee-Debüt in der vorigen Woche war ein prompter Publikumserfolg: Denn Angebote für Gesellschaftstanz bei Kaffee und Kuchen sind – nicht erst seit dem Corona-Einbruch – durchaus knapp bemessen. © Theater Oberhausen | Dirk Grobelny

Am bisher allzu grob zugehauenen Image feilen auch die zwei Stadtbotschafter und fünf Stadtbotschafterinnen des Theaters. „Kommt, habt Zeit für Oberhausen, lernt die Stadt auf eure Art kennen“, so beschreibt Anne Verena Freybott den Auftrag an die sieben Residenzkünstler. Musiker wie Rasmus Nordholt-Frieling holen vergessene Klänge zurück; Literatinnen wie Julia-Huda Nahas widmen sich essayistisch dem Friedensengel am Altmarkt. Der Videograph Niko Eleftheriadis entdeckte zu seiner eigenen Überraschung eine familiäre Verbindung nach Oberhausen.

Die Residenten lösen einander nach gut einem Monat ab und präsentieren zuvor ihre Arbeit an einem Abend in der Theater-Bar. Allerdings wünscht sich ihre Gast- und Tippgeberin („Ich weiß schon einiges über die Stadt“) ein gemeinsames Treffen zum Ausklang der Spielzeit. Apropos Bar: Mit dem programmatischen Slogan „Gute Hoffnung“, den Getränken vom Tresen und dem neuen Tribünen-Mobiliar von Bühnenbildnerin Franziska Isensee ist sie in mancher Hinsicht das „Open Haus“-Hauptquartier.

Musikalische Stadtbotschafterin: Ti Le-Thanh Ho singt in der Bar „Songs für Oberhausen“.
Musikalische Stadtbotschafterin: Ti Le-Thanh Ho singt in der Bar „Songs für Oberhausen“. © Theater Oberhausen | Mirjam Knickriem

Dank Attraktionen vom Bar-Quiz bis zum Tanztee unter der kundigen Ägide des Tanzhauses Valentino wollen Freybott und ihre Mitstreiterinnen hier zu möglichst vielen Formaten einladen, bei denen durchweg gilt: Eintritt frei. Und bei „Drama & Drinks“ plaudern Autoren wie Leo Meier mit Vergnügen über ihren jüngst Coup.

„Für Schulklassen können wir fast alles möglich machen“

Und die von Anke Weingarte bestens eingeführte Theaterpädagogik für Schulen? „Unsere Konstante“, wie die „Open Haus“-Chefin sagt, soll natürlich weiter der Bühnenkunst auch für die Zukunft ein Live-Publikum sichern: „Für Schulklassen können wir fast alles möglich machen.“ Zumal das Theater Oberhausen angesichts der angebotenen Vielfalt und Qualität seit Jahren ein Ort der kleinen Preise ist. Anne Verena Freybott sinniert, ob es da überhaupt eigens eine „Jugend-Flatrate“, die sie in Memmingen eingeführt hatte, bräuchte.

„Wir sind jetzt schon über vier Monate da“, strahlt die „Open Haus“-Chefin. Ihre Erfahrung: „Grundsätzlich reden die Menschen positiv interessiert über das Theater“. Der Erfolg lässt sich belegen: „State of the Union“ ist zuverlässig ausverkauft; „Kissyface“ findet stets zahlreiche spontane Besucher und nach „Woyzeck“-Karten fragen nicht nur Schulklassen. Anne Verena Freybott: „Das macht uns optimistisch.“

Stadtbotschafterin präsentiert ihre „Songs für Oberhausen“

Als vierte von insgesamt sieben Stadtbotschafterinnen präsentiert Thi Le-Thanh Ho am Dienstag, 24. Januar, um 19.30 Uhr in der Theater-Bar ihre „Songs für Oberhausen“. Die in Berlin heimische Songautorin und Schauspielerin veröffentlichte bereits drei mit Preisen ausgezeichnete, deutschsprachige Musikalben.

Das Theater hat die 35-Jährige eingeladen, die Stadt und ihre Menschen kennenzulernen und Musik für Oberhausen zu schreiben. Für einen ihrer neuen Songs arbeitet sie mit Jugendlichen im Theater, in der Schule und im Jugendzentrum.

Die Premiere der Songs für Oberhausen begleitet in der Theater-Bar die Multiinstrumentalistin Zainab Lax, versiert an Harfe, Klavier, Gitarre und orientalischen Instrumenten. Der Eintritt ist frei.