Oberhausen. Mit dem Theaterfest am Samstag, 10. September, und mit dem Liederabend „Gute Hoffnung“ startet Kathrin Mädlers erste Spielzeit in Oberhausen.
„Mit einem Fuß in der Realität, mit einem Fuß im Theatralen“, so beschreibt Kathrin Mädler jene Bühnen-Gestalten, die beim Liederabend „Gute Hoffnung“ ihre Stimmen erheben – und zwar „mit großer Sehnsucht nach Utopie“. Eigentlich sollte diese erste Inszenierung der neuen Intendantin am Theater Oberhausen „nur“ für den krönenden Abschluss des Theaterfestes sorgen. Doch längst ist klar: Aus den „Songs für Oberhausen“ wird noch mehr – sie kommen mit weiteren Terminen ins Repertoire.
Es erzählt viel vom Elan und der ansteckenden Begeisterung der 46-jährigen Theatermacherin, wie sie die Gesangsstimmen ihres Ensembles lobt (das komplett bei „Gute Hoffnung“ dabei ist) und wie sie von ihrer Chefausstatterin Franziska Isensee als „meiner ästhetischen Vertrauensfrau“ schwärmt. Und wenn’s um die technischen Möglichkeiten der gerade rundum sanierten Bühne am Will-Quadflieg-Platz geht, sagt Kathrin Mädler mit großer Geste, „dann geht eine Welt auf“.
Für die bisherige Intendantin in Memmingen war das Landestheater Schwaben eben doch eine etwas andere Welt, in der sie seit 2016 die Verantwortung als Chefin hatte. Zwar sei das fotogene Idyll mit prächtiger Lüftlmalerei an historischen Prunkbauten nicht ganz „die heile bayrische Kleinstadt“, die man sich vorstellen mag: „Es gibt schon eine Diskrepanz hinter der schönen Fassade.“ Und die Jüngeren im Ensemble, die Mädler aus Memmingen mitnahm, sind heilfroh, in Oberhausen die „Münchner Preise“ hinter sich zu lassen: „Hier gibt es tolle, große Wohnungen, die bezahlbar sind.“
Maßgeblich war der kleinste Gastspielort
Der in München promovierten Theaterwissenschaftlerin aus einer Lübecker Familie kommt nicht nur die Mentalität der Menschen im Revier entgegen. „Ein gewaltiger Sprung“, betont Kathrin Mädler, sei die Professionalität und damit die kreativen Möglichkeiten am 102-jährigen Theater Oberhausen. „Am Landestheater haben wir mit wahnsinnig knappen Ressourcen gearbeitet“ – selbst im reichen Bayern. Doch für eine vom Münchner Umland bis rund um Ulm aktive Wanderbühne gelte eben: „Der kleinste Gastspielort ist immer maßgeblich“ – für Bühnenbild, Spielfläche und Ausstattung. Doch die stets positiv gestimmte Intendantin sagt auch: „Es schult, mit immer wieder wechselnden Bedingungen umgehen zu können.“
Künstlerisch, betont Kathrin Mädler, wollte sie sich auch beim Landestheater nie zu einem „taktischen Spielplan“ verführen lassen – obwohl sich ihr Haus in Schwaben alljährlich „auf den Markt schmeißen musste“: in direkter Konkurrenz zu Tourneebetrieben wie Landgraf, die längst nicht mehr nur gefälliges Boulevard liefern, sondern auch ambitionierte Klassiker-Inszenierungen, gerne gespickt mit TV-Prominenz in den Hauptrollen. Die Intendantin: „Aber wenn ich überzeugt bin und selber begeistert von den Dingen, die ich zeigen will, dann habe ich auch gute Chancen, das Publikum mitzunehmen.“
„Gute Hoffnung“ und ein heulender Wolf
Die eigene Kunst allerdings auf „Publikums-Sektionen“ auszurichten: Das ginge in Berlin und München – aber weder in Memmingen noch in Oberhausen. Man sieht es ihrer zugewandten Gestik und Mimik geradezu an, dass Kathrin Mädler stets „auf Empfang“ eingestimmt ist, bereit „zu erspüren, welche Stoffe hier verfangen“. Die Intendantin formuliert diese Neugier in einer Reihe von Fragen: „Welches Theater braucht es jetzt? Was bewirkt die kollektive Traurigkeit durch Corona und Krieg? Muss Theater trösten – oder sollte es auch ablenken und magisch sein?“
Die im neuen Spielzeitheft von einem roten Herz plus heulendem Wolf flankierten Worte „Gute Hoffnung“ beschreibt sie „nicht als Motto, eher als eine Grundierung“. Es sei der Versuch, „einen Faden aufzunehmen – ohne sich ranschmeißen zu wollen“. So versammeln sich zwar die zehn Schauspielerinnen und neun Schauspieler zum Liederabend im Neonlicht eines Kioskes – doch Mädlers zweite Oberhausener Regiearbeit wird ganz anders zur Sache gehen: Denn in „Kissyface“ (Premiere am 29. September im Studio, dem bisherigen Saal 2) spiegelt der 43-jährige Noah Haidle die Zerrissenheit der heutigen USA in einem makabren „Bürgerkrieg“, den eine Highschool unter ihrer Schülerschaft austrägt.
„Schließungen wären eine Katastrophe!“
Kathrin Mädler beschreibt ihren Start in Oberhausen als „eine total aufregende Zeit: Es ist so schön, jetzt loszulegen.“ Nur dürfe nach zwei Corona-Lockdowns keine Energiekrise dazwischenkommen: „Schließungen wären für alle Kulturbetriebe eine Katastrophe! Ein stabiler Spielbetrieb ist elementar“ – denn das Publikum zeige sich noch immer zögerlich, zurückzukommen. Das digitale Theater der Lockdown-Monate zeigte zwar beachtliche Pionierleistungen. Doch wie die Intendantin selbst fiebern alle Schauspiel-Vernarrten nach dem Einzigartigen, dem Live-Erlebnis.
Start am Samstag mit Theaterfest und Liederabend
Beim Theaterfest am Samstag, 10. September, erfahren Bühnen-Begeisterte mehr über das Spielzeit-Programm und blicken hinter die Kulissen. Um 14 Uhr geht’s los auf dem Will-Quadflieg-Platz. Die neu gestaltete Bar (die vorher als „Pool“ firmierte) öffnet und Klangkünstler Rasmus Nordholt-Frieling kultiviert musikalischen Wildwuchs.
Einen Ausblick auf den Schwerpunkt Urban Arts am Theater gibt die Produktion „The Big 5“ der urbanen Tanzkompagnie Pottporus / Renegade und Silk Fluegge. Das ganz junge Publikum erwartet zudem eine Bastelstraße der Werkstätten im Innenhof, eine Rallye durchs 102-jährige Theater sowie Lesungen.
Herzstück des Festes ist die Premiere von „Gute Hoffnung – Songs für Oberhausen“. Musikalischer Leiter ist Matthias Flake, Ausstatterin von Franziska Isensee. Die Premiere – übrigens kostenlos, mit Gratiskarten – beginnt um 19.30 Uhr im Großen Haus.