Mülheim. . Viele Kunstwerke sind in der Zeit des Nationalsozialismus als “entartete Kunst“ verschwunden gegangen. Einige von ihnen wurden nie wieder gesehen, aber auch die Kunstwerke, die wieder an das Licht der Öffenlichtkeit gelangen haben es schwer. Ihren Weg nachzuvollziehen ist schwierig, das weiß auch das Mülheimer Kunstmuseum.

Unter Bauschutt waren jene elf Skulpturen vergraben, die 1937 als „entartete Kunst“ gezeigt und 2010 am Roten Rathaus in Berlin gefunden wurden. Zwischen Müllbergen entdeckten Zollfahnder bereits 2011 in einem Münchener Hochhaus rund 1500 Kunstwerke der Klassischen Moderne. Es sind spektakuläre Funde wie diese, die die öffentliche Diskussion über von den Nationalsozialisten geraubte Kunst anstoßen. Wie schwierig es ist, deren Weg nachzuvollziehen, weiß auch das Team des Mülheimer Kunstmuseums.

Ein konkretes Beispiel zeigt die Komplexität: 1922 malte Emil Nolde das Bild „Wasserrosenstillleben“. Fünf Jahre später kaufte Mülheims Museumsleiter Werner Kruse das Gemälde und ergänzte es um weitere zeitgenössische, expressionistische Arbeiten. 1937 war Noldes Werk eines von 15, die im Kunstmuseum beschlagnahmt wurden. Es kam in den Besitz von Karl Buchholz. Der Galerist sollte wie Hildebrand Gurlitt, bei dessen Sohn die 1500 Kunstwerke gefunden wurden, Beschlagnahmtes verkaufen. Erst 1960 tauchte das Bild in Norwegen wieder auf, es wanderte in die Schweiz und zurück nach Norwegen, bevor Mülheim es 1963 zurückkaufte. Wo das Gemälde in den 23 Jahren zwischen 1937 und 1960 war, ist bis heute unklar.

„Provenienz-Forschung“

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Diesen Weg eines Kunstwerks nachzuvollziehen, nennt sich „Provenienz-Forschung“. Wie schwierig die sein kann, zeigt sich aktuell bei der Sammlung Ziegler, die überwiegend aus Werken verfemter Künstler besteht: Seit vier Jahren, weiß Museumsleiterin Dr. Beate Reese, ist Dr. Michael Kuhlemann damit beschäftigt. Schriftliche Belege, gar Ansprechpartner zu finden, ist schwierig. Im Krieg wurde viel vernichtet – so auch in Mülheim. „Das Museum wurde 1943 komplett zerstört. Ganze Inventare wurden vernichtet“, sagt Beate Reese. Die Spurensuche ist mühsam, und sie wird schwerer, je mehr Zeit vergeht.

Bereits 1993 erschien ein erster Mülheimer Bestandskatalog, der Provenienzen enthielt. Auch deshalb kann Beate Reese mit Überzeugung sagen, dass keine Raubkunst im Bestand ist. Jedoch ist die Rechtslage bei Museen ein wenig überschaubarer, als bei Werken, die aus Privatbesitz stammen, von jüdischen Mitbürgern, die zwangsenteignet wurden oder Bilder in Not verkaufen mussten. Da die Arbeiten aus Museen per Gesetz eingezogen wurden, haben diese keine Rechte mehr an ihnen. Deshalb kaufte Mülheim den Nolde damals auch zurück. Letztlich ist die Frage der Besitzverhältnisse eine juristische, keine moralische.

Vielschichtiges Thema

Es ist ein schwieriges, vielschichtiges Thema, weiß Beate Reese. „Es gibt auch Stimmen, die sagen, dass diese Galeristen, die die Kunstwerke verkauften, sie vor der Zerstörung retteten.“ Immerhin wurden viele Bilder, die die Nazis „entartet“ schimpften, verbrannt. Einige Bilder gelten seit 60 Jahren als verschollen. So ist nach dem Münchener Fund für die Museumsleiterin nur eines klar: „Die Kunstgeschichte wird ein Stück weit neu geschrieben werden müssen.“