Mülheim. . 2731 Mülheimer sind derzeit von Demenz betroffen. Für sie und Erkrankte aus anderen Städten bietet Kunstvermittlerin Barbara Ader Führungen im Mülheimer Kunstmuseum. Denn auch wenn die Erinnerungen schwinden, bleibt der Sinn für Schönes und die Emotionen stets erhalten.

Die Gruppe hat sich um die balgenden Knaben versammelt und betrachtet die Skulptur von Hermann Lickfeld im Foyer des Kunstmuseums. Sie halten einen imaginären Ball so, wie es ein dargestellter Junge tut und erschließen sich die Kunst auf besondere Weise. Es sind Menschen mit Demenzerkrankungen und ihre Angehörigen. 2731 Mülheimer sind derzeit von Demenz betroffen.

Menschen, bei denen das Denken, die Erinnerung und die Fähigkeiten, die sonst so leicht von der Hand gehen im Alltag, nachlassen, kann man trotz allem noch erreichen. Demenz und Kunst – geht das zusammen? „Nun, es funktioniert sehr gut, denn dementiell erkrankte Menschen sind noch lange offen für Schönes“, sagt Barbara Ader. Emotionalität und Kreativität blieben trotz fortschreitender Krankheit noch lange erhalten.

"Der Bedarf ist da"

Barbara Ader ist selbst Künstlerin und Kunstvermittlerin mit einer besonderen Ausbildung für Führungen von demenzkranken Menschen und hat Erfahrungen in der Altenarbeit. Bei ihren Rundgängen geht es weniger um kunsthistorische Hintergründe zu den Bildern und Kunstwerken, als vielmehr ums Emotionale und die Erinnerung. „Kunst ist ein Türöffner, weil sie über die Wahrnehmung funktioniert.“ Zudem ermöglicht sie Betroffenen die kulturelle und ­gesellschaftliche Teilhabe.

An diesem Nachmittag ist auch Annette Sommerhoff als Vorsitzende der Mülheimer Alzheimer Gesellschaft dabei: „Der Vorstand war begeistert von dem Angebot, so dass wir die Anschubfinanzierung für 2013 übernommen haben.“ Froh über die Zusammenarbeit ist auch Dr. Gerhard Ribbrock, denn „der Bedarf ist da“, so der stellvertretende Museumsleiter. Auch ­Elke Riedemann vom Demenz-Servicezentrum Westliches Ruhrgebiet ist gekommen.

Erinnerungen mit Gegenständen zurück holen

Als Einstimmung auf die Kunstführung mit dem Thema „Familie“ gibt’s Gespräche bei Kaffee, Keksen und Malutensilien. Pinsel und Malgründe wie Papier und Holz machen die Runde und werden auf ihre Beschaffenheit befühlt. Barbara Ader hat auf dem Rundgang die passenden Bilder ausgewählt: Die holländischen Fischer am Strand von Max Beckmann, die Strickerin und die Mutter mit Kind von August Macke sowie der Säugling auf rotem Kissen von Otto Dix.

Zu jedem Bild hat Ader einen entsprechenden Gegenstand mitgebracht wie einen Stickrahmen, Holzschuhe oder das Taufkleid. Durch die Erlebnisinhalte der Bilder, durch Anschauen, Anfassen und Fühlen der mitgebrachten Dinge sollen auf diese Weise längst verschüttete Erinnerungen und Gefühle wieder zu Tage befördert werden.