Mülheim.
6,083 Mio Euro Miese hat die Stadt seit 2003 mit Zinswetten verloren, der Spuk ist aber längst nicht vorbei, wie Stadtkämmerer Uwe Bonan gestern doch endlich öffentlich eingestand. Die Stadt hat sich, um seinerzeit aus den hoch riskanten Zinswetten von Ex-Kämmerer Gerd Bultmann und städtischen Finanzmanagern aussteigen zu können, auf Wetten mit Schweizer Franken eingelassen. Die starke Entwicklung des Franken hat nun einen neuerlichen Schuldenberg in Mülheim wachsen lassen: Bis heute kommen noch einmal Verluste in Höhe von 1,385 Mio Euro zusammen. Und ein Ende des Schreckens liegt in ferner Zukunft.
Schon seit Monaten hatte die WAZ die Kämmerei mit der Frage gelöchert, in welcher Form der Ausstieg aus den verlustreichen Wetten auf Zinsentwicklungen (2003-2006) stattfindet. Kämmerer Bonan hatte stets das Geschäftsgeheimnis betont. Inhalte des Vertrages mit der West LB seien nicht öffentlich. Lediglich gab er preis, dass etwaige Ausstiegsgeschäfte erst einmal bis Ende 2016 laufen würden, frühestens dann könne die Stadt eine Bilanz für das von seinem Vorgänger in der Kämmerei fahrlässig gestartete und seinerzeit ebenso fahrlässig politisch abgesegnete Wettdebakel ziehen.
Nun sah sich Bonan offenbar durch die aktuelle regionale Berichterstattung doch unter Druck gesetzt, aus der Deckung zu kommen. Zunächst der WDR hatte berichtet, dass zehn NRW-Kommunen eine Klage gegen die West LB erwägen, weil sie sich durch die Landesbank im Vorfeld des Abschlusses von Wetten auf Schweizer Franken schlecht beraten gefühlt haben. Die Kommunen, unter anderem Hückeswagen, aber auch einige nicht benannte Ruhrgebietsstädte, wollten geltend machen, dass die Bank sie nicht darauf hingewiesen habe, dass es sich um hochspekulative Geschäfte handele. Die NRW-Gemeindeordnung sieht ein Spekulationsverbot für Kommunen vor.
Ausstiegsszenario
Gestern um 17.21 Uhr übermittelte die Stadt schließlich eine Stellungnahme Bonans zu Geschäften mit Schweizer Franken an die Presse. Aus ihr geht hervor, dass aktuell auch in Mülheim entsprechende Wetten auf die Entwicklung des Franken laufen. Da der Schweizer Franken in der Euro-Krise deutlich zugelegt hat, stehe aktuell ein Verlust von 1,385 Mio Euro zu Buche.
Bonan gibt an, dass dieses Wettgeschäft Teil des Ausstiegsszenarios sei, um die aus dem Ruder gelaufenen Geschäfte von Bultmann und Co. zu beenden. Sie bargen zum Amtsantritt von Bonan im April 2006 ein Verlustrisiko von 16 Mio Euro in sich. Nach aktuellem Stand ist die Stadt mit ihrem Ausstiegsszenario nun bei 7,468 Mio Euro angelangt.
Offensichtlich ist der Wert der Nachbarwährung zu steil noch oben gegangen, so dass die Stadt als Wettverliererin dasteht. Der Schweizer Franken hatte im Zuge der Eurokrise im Sommer einen Spitzenwert erreicht, so dass sich gar die Schweizer Nationalbank genötigt sah, zur Stabilisierung der Exportwirtschaft und des Tourismus einen niedrigeren als den Wechselkurs des Marktes zu garantieren. Das, so Bonan, hilft der Stadt auch noch nicht: „Trotz des Eingreifens ist aufgrund der weiteren Unruhen an den Finanzmärkten derzeit davon auszugehen, dass der Schweizer Franken weiterhin stark bleibt.“ Übersetzt heißt dies wohl: Mülheim macht weiter Wettmiese.
Laut Bonan lässt auch die Stadt nun prüfen, ob eine Klage gegen die West LB auch wegen dieser Wettgeschäfte mit Schweizer Franken Aussicht auf Erfolg hätte. Die Prüfung werde man der Kanzlei übertragen, die schon die Altgeschäfte von Ex-Kämmerer Bultmann und Co. unter die Lupe nimmt, um letztlich auf Druck der Mülheimer Politik mögliche Haftungsansprüche gegenüber der West LB, aber auch verantwortlich Handelnden der Stadt zu prüfen.