Mülheim. .
Exotische Köstlichkeiten, internationale Ware und ein Aufeinandertreffen unterschiedlicher Mentalitäten, das es so nirgendwo anders in Mülheim gibt: Das alles vereint die Eppinghofer Straße. Längst hat sich die zentral gelegene Straße zur Einkaufsmeile am Rand der City entwickelt.
„Seit 23 Jahren ist die Qualität ungebrochen“
Zur Mittagszeit reichlich besucht, machen sich deutsche Besucher doch recht rar. Welche Spezialitäten auf der Eppinghofer Straße warten und woran es liegt, dass Deutsche seltene Gäste sind – die WAZ hat mit Ladenbesitzern geredet und, neben einigen Leckereien, ungeschminkte Meinungen und große Hoffnungen serviert bekommen.
„Unser Döner ist nach eigenen Rezepten gemacht und Brot sowie Süßigkeiten backen wir frisch“, übernimmt Nesim Isik, Gartenlandschaftsbauer und Stammkunde im Hosgör Kebaphaus, dem Betreiber das Werben in eigener Sache ab. „Seit 23 Jahren ist die Qualität ungebrochen, deswegen kommen die Leute hier hin.“ Auch Peter Kleinmann kommt seit 20 Jahren und bestellt – etwas ungewöhnlich – eine Linsensuppe. „Das ist eine kulinarische Köstlichkeit hier, die findet man sonst nirgendwo.“
"Bis zu sechs Nationen an einem Tisch“
Ein Geschmack, den auch Deutsche schätzen, Mangel des deutsches Interesse kann zumindest das Kebaphaus nicht beklagen. Doch dass Ressentiments existiert, sehen sie auf der Straße: „Viele Deutsche meiden diesen Ort, weil zu viele Vorurteile herrschen“, sagt Isik. „Es ist sehr schade: Es wird immer von Integration geredet, doch dies geht nur im Miteinander und nicht im Einander-Ausgrenzen.“
Nebenan ist die Kneipe von Aneta Stanczvic. Die Polin hat die Kneipe vor fünf Jahren übernommen, ist zufrieden: „Jeden Abend kommen hier bis zu sechs Nationen an einen Tisch.“ Dass sich kaum Deutsche dazu gesellen, ist Alltag. „Hier sind einfach zu viele Ausländer“, vermutet sie. „Die Deutschen mögen’s eher ruhig und wenn hier die lauten Mentalitäten der Türken und Araber aufeinander treffen, fühlen sie sich nicht wohl.“
Gute Nachbarschaft
Nachbarschaftsstreit gebe es unter den vielen Nationen nicht, ergänzt Stanczvic, man verstehe sich gut. Dem stimmt Kioskbesitzer Olaf Barein zu. Der Gelsenkirchener hat sich vor neun Jahren für diesen Standort entschieden, da er guten Umsatz versprach. „Das Geschäft läuft soweit gut“, sagt der 43-Jährige. Ob die Nachbarschaft Probleme bereitet? Nein, sagt Barein. Man müsse zwar häufiger sauber machen, „aber sonst: alles gut“.
Ganz so positiv sieht Verkäuferin Perihan Kaya der Bäckerei Meydan Firini gegenüber nicht. „Wir haben zwar viele deutsche Kunden wegen des außergewöhnlichen Angebots, dennoch fühlen sich viele nicht wohl.“ Die Speldorferin arbeitet meist alleine und fühlt sich nicht sicher. „Auf geschäftlicher Ebene läuft hier alles prima, doch wenn ich abends alleine bin und draußen die jungen Männer auf der Straße rumhängen, habe ich Angst, weil es oft Streit gibt. Ich kann gut verstehen, dass sich die Deutschen nicht hierhin trauen.“
Riesige Kochbananen
Von Scheu hält Müllwerker Norbert Grune dagegen nichts. „Ich war schon häufig als Urlauber in der Türkei und kenne die Mentalität.“ Mit frischem Fladenbrot, Hühnchen und Schafskäse in der Tüte weiß er die Lebensmittel in den türkischen Läden der Eppinghofer Straße zu schätzen. „Das ist immer frisch und vernünftig und ich wüsste keinen Grund, wieso ich hier nicht einkaufen sollte“, sagt er.
Genau solche Menschen wünscht sich Isaac Amoah-Korang vom Africa Home Shop. „Viele kommen nicht rein, weil sie unser Essen, unsere Spezialitäten nicht kennen. Doch wenn sie einmal drin sind, gehören sie mit zur Familie.“ Schnell hat man eine überdimensionale Kochbanane in der Hand und bekommt einen Löffel Palmenfrucht-Suppe angeboten. Sehr gastfreundlich – auch wenn ein paar Brocken Englisch wohl unumgänglich für den Einkauf sind.
"Man spürt Aggressionen"
Etwas abseits der Eppinghofer Straße arbeitet John Dunkwu. Der Afrikaner ist Verkäufer im Kiosk an der Hingbergstraße und hat sich damals bewusst gegen eine Arbeit auf der Eppinghofer Straße entschieden. „Ich fühle mich sehr in die Gesellschaft integriert und will nicht in eine Ecke gezwängt werden.“
Zum Einkaufen gehe er gerne dorthin, um Lebensmittel aus seiner Heimat zu bekommen, ansonsten meide er die Straße. „Selbst ich fühl mich dort schlecht und provoziert. Man spürt Aggressionen.“ Nicht leicht fällt es Dunkwu, Landsmänner rumlungern zu sehen. „Ich schäme mich richtig dafür – dann denken die Deutschen doch, dass wir alle so sind.“
Gastfreundschaft und Unbehagen
Der Tag auf der „Eppinghofer“ zeigt: Einen Ort, an dem man solch exotische Spezialitäten findet, gibt es kein zweites Mal in Mülheim. Die Menschen sind gastfreundlich, unterhaltsam. Sie teilen die Hoffnungen und Ängste des Miteinanders – nur von einer anderen Blickrichtung aus.
Subjektives Unbehagen ist trotz aller städtischen Investitionen und Projekte stets präsent und führt – wie schon vor Jahren – dazu, dass die Deutschen seltene Gäste der Eppinghofer sind.