Mülheim.

Viele Leser schicken ihre teils sehr guten Ideen für die Innenstadt, die Händler machen sich Gedanken und die Kultur mischt sich ein. Wenn auch Ansätze und Anregungen unterschiedlich sind. Der Befund fällt ähnlich aus: „Es wird schlimmer als es jetzt ist, vielleicht sogar noch schlimmer“, befürchtet Holger Bergmann. Der Künstlerische Leiter des Ringlokschuppens erinnert sich noch an den Kaufhof, als seine Oma an der Kasse saß, als noch Vollbeschäftigung im Warenhaus war.

Die nachhaltigste Erinnerung: „Ich war immer beim Kinderkarneval in der Kantine.“ Und auf die Frage, was er sich zukünftig in der Konsum-Ruine vorstellen könne, sagt Bergmann: „Ruinen sind immer gut für kreative Impulse, wie die Industriekultur zeigt.“

Bergmann glaubt, dass es wichtig ist, „die Stadt in dieser Einheit und Vielfalt neu zu denken.“ Sie insgesamt zu aktivieren in dem Sinne, „dass Menschen etwas mit der Stadt zu tun haben“. Sich erstmal anzuschauen, „ist es noch ein Ort, der uns etwas erzählt, der uns miteinander verbindet?“

„Stadt, Rand, Fluss“

Ein grundsätzliches Nach- oder vielleicht sogar Neudenken von Urbanität und Stadtentwicklung schwebt Bergmann vor. Dabei hat der Ringlokschuppen damit angefangen, sich mit dem Thema künstlerisch auseinander zu setzen. Ein Signal ist die Reihe „Stadt, Rand, Fluss“, die im Frühjahr auf großes Interesse gestoßen ist. „Dabei haben wir an die Ränder der Stadt geguckt, nicht nur geografisch gesehen, sondern indem wir mit Menschen und Experten Stadtspaziergänge gemacht haben, um zu schauen, wie sie ihre Stadt sehen.“ Gemeinsame Diskussionen am Ende schafften ganz unterschiedliche Blickpunkte auf die Stadt. Denn so rasant wie sich die Welt in den letzten Jahren und Jahrzehnten gewandelt hat, so hat jeder seine eigene, individuelle Sichtweise entwickelt. „Das Konstrukt Stadt oder Gemeinschaft – ist das noch wichtig für uns?“, sagt Bergmann. Das seien Fragen, die man sich heute ganz ernsthaft stellen müsse. Da setze die Kunst an.

Der Ringlokschuppen habe in seiner Arbeit auch immer Stadtprojekte vorangetrieben. Das zeige das Projekt Eichbaum-Oper mit der kontinuierlichen Arbeit von Künstlern, Anwohnern und Architekten.

Zunehmende „Zombifizierung“

Ob Mülheim oder andere Städte: Zunehmende „Zombifizierung“ nennt Bergmann die Situation der Innenstädte, „wo wir es mit Leerstand und keinen urbanen Situationen mehr zu tun haben“. Die Kehrseite davon: die großen Konsumtempel auf der Wiese. Wenn die verschwinden würden, kämen das Leben und die Leute wieder in die Stadt zurück? „Nein“, sagt Bergmann: „Das Angebot vom Heifeskamp kann nicht in die Stadt kommen. Oder wir bauen die Stadt um und machen einen großen Media-Markt oder eine Gesamt-Max-Stadt daraus, wo alles nur billig ist.“ Die Fantasie, das alles nur an einzelnen, kleinen Regularien hänge, sei eine zu kleine Fantasie, ein zu kleines Nachdenken. Komplex habe das auch mit Identität zu tun, was Menschen mit ihrer Stadt verbindet. „Die klassische Stadt, die als Marktplatz entstanden ist, hatte Warenhandel als Mittelpunkt, war aber auch ein Ort der Kommunikation.“ Also: Groß nachdenken und miteinander sprechen. Denn: schlimmer geht’s immer.