Mülheim. Seit 2022 sind in Mülheim fünf junge Menschen infolge einer Drogenintoxikation verstorben. Eine Mutter erzählt, wie ihr Sohn die Umkehr schaffte.

Seit Juli 2022 sind in Mülheim fünf junge Männer infolge einer Mischintoxikation, aus mehreren Drogen bestehend, gestorben. Im Oktober 2022 verstarb ein damals 17-Jähriger, sein lebloser Körper war in den frühen Morgenstunden des 11. Oktobers 2022 im Skatepark an der Südstraße von einem Spaziergänger aufgefunden worden. Der dritte Todesfall der Reihe, die sich tragischerweise noch fortsetzen sollte, erschütterte die Stadtgesellschaft, die Politik und das Umfeld des jungen Erwachsenen.

Zu ihnen zählte auch der Sohn von Juliane (Name geändert). Die zweifache Mutter erlebt vor anderthalb Jahren mit, wie ihr damals 16-jähriger Sohn einen seiner engsten Freunde verliert und sich selbst zunehmend mehr in den Drogenkonsum flüchtet. Bereits Ende Oktober 2022 hatten wir über die Mülheimerin berichtet, damals hatte sie stellvertretend für weitere betroffene Eltern ernste Kritik erhoben. Aus Sicht von ihr und ihrem Partner werden die Jugendlichen kriminalisiert und stigmatisiert, das Auftreten der Polizei sei falsch und die Politik schaue weg.

In einem erneuten Gespräch berichtet Juliane davon, wie sich die Dinge aus ihrer Sicht seitdem entwickelt haben und wie es ihrem Sohn gelungen ist, clean zu werden.

„Eigentlich denke ich jeden Tag darüber nach, was wir für ein großes Glück hatten. Damals, nachdem das mit seinem Freund passiert ist, dachte ich echt, dass unser Sohn der nächste sein wird. Dieses Gefühl, das kann man gar nicht beschreiben. Aber seit dem Tod seines Freundes ist er rehabilitiert. Er hat sich wirklich um 180 Grad gedreht. Der Verlust war damals ein großer Schock für ihn. Da kam der Sinneswandel. Er hat zu mir gesagt: ‚Ich will leben.‘

Was ich wirklich schön finde, in all‘ dieser Trauer: Er hält bis heute den Kontakt zu den Eltern seines Freundes. Aber von dem Freundeskreis hat er sich komplett losgesagt. Vermutlich wäre ihm der Absprung sonst auch gar nicht gelungen. Mittlerweile weiß ich auch, wie leicht es für ihn war, an die verschiedenen Drogen zu kommen. Die Benzodiazepine würde jeder Dealer in Mülheim für zehn Cent pro Stück rausgeben und ganz viele Freunde kriegen die auf Rezept. Es reicht wohl schon, wenn man behauptet, Schlafstörungen, Angstzustände oder Depressionen zu haben.

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Teilweise wird das auch stimmen, die Corona-Zeit hat diese Jugend kaputt gemacht. Die aufregendste Zeit ihres Lebens bestand aus Lockdowns und Homeschooling. Natürlich hinterlässt das Spuren. Wenn man dann noch in einer Stadt lebt, in der es keine guten Freizeitangebote für junge Menschen gibt, ist man ganz schnell bei Drogen. Ich glaube, dass der Skatepark da eine entscheidende Rolle spielt. Da treffen sich bis heute noch viele Jugendliche, auch zum Trauern. Das ist natürlich eine gute Sache. Aber dass es da bis heute keine Kamera, keine Sozialarbeiter oder keine Aufsicht bis auf die sporadischen Kontrollen des Ordnungsamts und der Polizei gibt, ist mir ein Rätsel.

Wäre es nicht der Park, wäre es vermutlich ein anderer Ort - aber wo sollen die Kinder auch hin? Unser Sohn hat den Sport für sich entdeckt und hängt sich da voll rein. Das ist sein Ventil geworden. Aber das gelingt längst nicht jedem, da muss es einfach Klick machen.

Zu behaupten, es gäbe kein Drogenproblem in Mülheim, ist schlichtweg falsch. Dass der Runde Tisch angeschafft wurde und man sich als Politik selbst auf die Schulter klopft, gute Präventionsarbeit anzustoßen, ist für alle Betroffenen ein Schlag ins Gesicht. Viele denken, das seien Junkies aus schlechten Verhältnissen. Aber das sind Kinder von nebenan! Die aufs Gymnasium gehen, die Akademiker als Eltern haben, die voll sozialisiert sind.

Mein Eindruck war damals, dass auch viele Lehrer die Augen vor der Wahrheit verschlossen haben, so war es bei uns zumindest. Es gab keine Hilfsangebote, nur Vorwürfe. Ich saß vier Lehrern gegenüber und musste mich rechtfertigen. Dabei wusste ich damals selbst nicht, wie ich an meinen Sohn rankommen soll. Ich hatte das Gefühl, wir sind bloß eine Last, dass man uns loswerden will. ‚Wollen Sie es nicht lieber auf einer Privatschule versuchen?‘, hatte man uns damals geraten.

Ein drogenabhängiges Kind zu haben, ist einfach nicht salonfähig. Dabei sehen wir doch längst, was sich in den USA abspielt. Dort werden Beruhigungsmittel und Antidepressiva von Jugendlichen genommen, die Todesraten sind immens, Musiker prahlen öffentlich mit ihrem Konsum und normalisieren ihn dadurch. Mein Sohn hat mir zum Beispiel von dem Rapper Lil Peep erzählt. Der ist mit 21 Jahren gestorben.

Wenn einmal eine Kaskade losgetreten ist, ist es schwierig, die aufzuhalten. Aber wegzuschauen, das ist der erste und der größte Fehler.“

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