Mülheim. Nach dem Drogentod dreier Jugendlicher in Mülheim hinterfragt sich das Präventionsnetzwerk. Dabei findet eine Partei besonders deutliche Worte.
Von „drei tragischen Todesfällen“ sprach Jugenddezernent David Lüngen am Montag im Jugendhilfeausschuss. Einer der Tagesordnungspunkte: Die Drogenprävention bei Kindern und Jugendlichen, die gerade durch den jüngsten Todesfall eines 17-Jährigen im Skatepark in den Fokus gerückt worden war. „Wir müssen überlegen, was aus diesen drei Fällen zu lernen ist“, so Lüngen.
Zuletzt hatten sich diverse städtische Ämter, Polizei und Ginko-Stiftung Ende Oktober bei einem Runden Tisch über eine mögliche Neuausrichtung des Präventionsnetzwerks ausgetauscht (wir berichteten), noch sei dieser Prozess aber nicht abgeschlossen. „Wir planen für Anfang Dezember einen weiteren Runden Tisch und laden dazu auch die Schulleitungen und den Jugendstadtrat ein“, erklärte der Dezernent.
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Man wolle noch stärker die Perspektive der jungen Menschen in den Blick nehmen, wenngleich „das Netzwerk aus meiner Sicht gute Arbeit leistet“. Jährlich, so David Lüngen weiter, fließen 500.000 Euro an städtischen Zuschüssen in die Präventionsarbeit, 125.000 Euro davon in die Arbeit der Ginko-Stiftung für Prävention, und man sei „sehr froh, eine bundesweit agierende, erfahrene Institution wie Ginko in unserer Stadt zu wissen“. Um den Skatepark als Sportstätte zu „entstigmatisieren“ plane der Mülheimer Sportservice (MSS) ein niederschwelliges Sportangebot im Skatepark. „Damit wollen wir den Ort wieder für Kinder, Jugendliche und Familien ansprechend machen und ein Beschäftigungsangebot schaffen“, erklärte Lüngen.
Anschließend wandte sich Lydia Schallwig, Leiterin des Jugendamts, mit deutlichen Worten an das Plenum. Das, was im Nachgang zu dem tragischen Todesfall passiert sei, „war eine Suche nach Schuldigen, die keinem hilft – am wenigsten den drei Verstorbenen und ihren Familien“. Entscheidend sei nun, im fortlaufenden Prozess auch konsumierende Jugendliche anzusprechen und zu erreichen, „unser Auftrag endet nicht dort“, so Schallwig.
Mülheimer Jugendamtsleiterin: Keine Hinweise auf Gefährdung des Jugendlichen
Dennoch räumte die Jugendamtsleiterin auch die Grenzen ein, an die „das System“ stoße: So sei der zuletzt verstorbene 17-Jährige ein „guter Schüler mit einer sicheren Haushaltssituation“ gewesen. Hinweise oder gar ein Anlass, die ein Einschreiten des Jugendamtes oder des Kommunalen Sozialen Dienstes (KSD) nötig gemacht hätten, habe es nie gegeben. Im telefonischen Gespräch mit der Redaktion erklärt Lydia Schallwig im Nachgang: „Wenn man von einem Versagen sprechen möchte, dann haben alle versagt.“ Die Suche nach Erklärungen sei müßig, zumal es keine Patentlösung gebe. „Jeder Protagonist muss sich nun selbst hinterfragen.“
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So habe der vergangene Runde Tisch nicht wirklich zu Zufriedenheit geführt, erklärt die Leiterin des Jugendamts: „Wir müssen ganz klar festhalten: Das System kann nicht alles auffangen. Das bringt keine Heilung, ist aber eine wichtige Erkenntnis.“ Die Entwicklung von Suchtverhalten sei dynamisch, stark und in Mülheim derzeit durchaus besorgniserregend. „Wir können die konsumierenden Jugendlichen jetzt nicht einfach aus dem Skatepark verdrängen, das ist keine Lösung.“ Die Auseinandersetzung mit der Problematik werde „nicht einfach“, prognostiziert Schallwig. „Es wird eine Ohnmacht bleiben.“