Mülheim. Keine festen Klassenarbeiten, selbstbestimmtes Lernen, gern auch mal im Liegen: Die Kaleidoskop-Schule soll 2025 in der Parkstadt starten.

Rund ein Jahr ist es her, dass die Mitglieder des Bildungsausschusses über die Idee einer neuen Mülheimer Schule informiert wurden. Die Initiatoren berichteten begeistert von ihren Plänen einer staatlich anerkannten Ersatzschule der Sekundarstufe 1 - die Reaktionen waren verhalten. Sowohl aus Reihen der CDU als auch der SPD gab es kritische Kommentare. Tenor: „Ein solches Vorhaben sind schon viele erfolglos angegangen.“ Die Initiatoren um Sprecherin Sandra Komm ließen sich davon nicht ausbremsen, fanden Lösungen für noch offene Fragen. Und sind nun zuversichtlich, im Sommer 2025 mit der Kaleidoskop-Schule an den Start gehen zu können.

Zunächst sollen 50 Fünftklässler dort beginnen; sechs Jahren später wird es dann alle Stufen von 5 bis 10 geben. Die Jugendlichen können den Hauptschulabschluss erwerben, den Realschulabschluss oder den Realschulabschluss mit Qualifikation. Vorab allerdings ist noch die alles entscheidende Hürde zu nehmen: Die Bezirksregierung Düsseldorf muss das Unterfangen zulassen. Anfang November 2023 haben Sandra Komm und ihre Mitstreiter den Antrag auf Genehmigung eingereicht - jetzt warten sie auf Rückmeldungen. Es gab im Vorfeld noch einiges zu klären: zur Örtlichkeit, zu den Finanzen, zum Personal. Als das Paket fein säuberlich geschnürt war, wagte das Team den Schritt. Und hofft nun auf eine positive Entscheidung in den kommenden Monaten. Gibt es grünes Licht, können interessierte Familien ihre Kinder bereits ab Herbst 2024 anmelden.

Schon im Herbst sollen interessierte Mülheimer Familien ihre Kinder anmelden können

An einer Schule, die so ganz anders funktionieren soll als herkömmliche Einrichtungen. Die langjährigen Lehrerinnen Sandra Komm, Petra Münstermann und Tanja Schuh, ihr Kollege Jan Henning Hansen und der ehemalige Leiter der Realschule Broich, Wolfgang Dahmen, wissen genau, wie klassischer Unterricht abläuft. Und wollen dem ganz bewusst ein anderes Modell entgegensetzen. „Mit mehr Zeit für die Arbeit mit den Kindern, mit mehr Mitspracherechten für sie und mit Räumen, die zum Lernen einladen“, so Hansen. „Ständig wird über Pisa gejammert“, sagt Ex-Schulleiter Dahmen, „und es gibt so viele Horrormeldungen darüber, was alles an den Schulen passiert. Da muss sich doch jeder Lehrer fragen, was man anders machen kann.“

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Die fünf sind das Problem angegangen, habe sich immer wieder zusammengesetzt, Ideen ausgetauscht, diskutiert, Konzepte geschrieben. „Weil es auch anders gehen muss“, so Komm. „Die Lernfreude muss im Mittelpunkt stehen“, findet Hansen. Deshalb sollen die Kinder der Kaleidoskop-Schule vor allem Eigenständigkeit im Lernen entwickeln und schnell vieles selbst für sich entscheiden. So zum Beispiel die Frage, an welchem Thema sie aktuell arbeiten wollen, in welcher Reihenfolge und in welchem Tempo sie dieses angehen wollen und auf welchem Lernweg sie es sich erschließen möchten.

„Die Kinder sollen lernen, ihr eigenes Leistungsvermögen einzuschätzen“

„Natürlich lassen wir die Schüler und Schülerinnen damit nicht allein, wir begleiten sie, geben Anregungen.“ Denn am Ende des Tages müssen auch die Jungen und Mädchen der Ersatzschule die generellen Ziele erreichen, auch sie lernen Mathematik, Deutsch, Englisch usw. „Die Kern-Lehrpläne gelten auch bei uns.“ Lernzielkontrollen werden geschrieben und Klassenarbeiten. Ein wesentlicher Unterschied aber ist: „Sie können selbst entscheiden, wann sie eine Arbeit schreiben möchten“, so Hansen. „Sie lernen, ihr eigenes Leistungsvermögen einzuschätzen.“

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Die 50 Kinder eines Jahrgangs sollen auf drei Lerngruppen aufgeteilt werden. Neben der freien Lernzeit soll es auch fixe Zeiten geben, in denen der Lehrer oder die Lehrerin für eine halbe Stunde im klassischen Sinn unterrichtet sowie spezielle Gruppen, in denen das Lernen gelernt wird. „Verschiedene Arbeitstechniken zu erwerben, ist wichtig“, weiß Dahmen aus jahrelanger Erfahrung. „Schüler, die das können, finden sich zurecht und gewinnen Zeit für anderes.“ Ein digitales Lerntagebuch, in das Lehrer und auch Eltern Einblick nehmen können, soll Entwicklungen festhalten, über Inhalte aufklären. Immer nur brav auf dem Stuhl sitzen, muss in der neuen Schule übrigens niemand: „Wir werden schöne Teppichböden haben und Sofas. Wer mag, kann auch mal im Liegen lernen, im Stehen oder im Gehen“, so Hansen.

Die Mülheimer Kaleidoskop-Schule ist angedacht als Ganztagsschule von 7.30 bis 15.30 Uhr

Die Kaleidoskop-Schule wird eine Ganztagsschule sein, um 7.30 Uhr beginnen und um 15.30 Uhr enden. Die erste halbe Stunde dient dem Ankommen, erst danach startet die eigentliche Schule. Und zwar auf eine auch inhaltlich andere Art und Weise als herkömmliche Einrichtungen. Die Pädagogen sprechen nicht von Themen, die in einzelnen Fächern behandelt werden, sondern von „Phänomenen“, die sich die Schüler parallel in verschiedenen Fächern erarbeiten. So stehe im fünften Schuljahr für einige Zeit der Bauernhof im Mittelpunkt. Er eigne sich hervorragend, um Themen aus Biologie, Erdkunde, Geschichte, aber durchaus auch aus Mathematik zu erörtern. Man orientiere sich in vielerlei Hinsicht am erfolgreichen finnischen Schulsystem, erklärt das Quintett.

Bilingualer Unterricht in Deutsch und Englisch ist angedacht, flexible Pausenzeiten vorgesehen und vor allem auch ein Mittagessen für alle gemeinsam. Für die fünf Lehrer und Lehrerinnen steht fest, dass ihr Weg zu deutlich weniger Druck im System führt: „Wir schaffen eine andere Atmosphäre“, so Dahmen. „Wir wollen intensiveren Kontakt ermöglichen, mehr Zeit und mehr Raum.“

Neue Mülheimer Schule soll Räume in der Parkstadt beziehen

Apropos Raum: Nach langen Verhandlungen haben die Initiatoren der Ersatzschule „eine gute Regelung“ mit ihrem künftigen Vermieter gefunden. Vertragspartner ist der österreichische Investor Soravia, der auf dem ehemaligen Tengelmann-Gelände in Speldorf die Parkstadt errichten wird. Sobald die Bezirksregierung grünes Licht gibt, werde man den Mietvertrag unterschreiben, sagt Komm. Und zwar für zunächst einmal 1400 Quadratmeter in den Räumen des ehemaligen Impfzentrums. Mit dem Anwachsen der Schülerschaft soll weitere Fläche dazukommen und eine Dachterrasse als Pausenhof, sodass der Schule am Ende für rund 300 Schüler insgesamt 3600 Quadratmeter zur Verfügung stehen. „Die Stadt Mülheim“, betont Münstermann, „hat schon genehmigt, dass das Gebäude als Schulgebäude betrieben werden darf.“

Räume in der ehemaligen Tengelmann-Zentrale sollen für die neue Mülheimer Schule genutzt werden - Jahr für Jahr soll mehr Fläche angemietet werden. Die Gespräche mit dem Parkstadt-Investor Soravia haben zu einer guten Lösung geführt, so die Initiatoren der neuen Mülheimer Schule.
Räume in der ehemaligen Tengelmann-Zentrale sollen für die neue Mülheimer Schule genutzt werden - Jahr für Jahr soll mehr Fläche angemietet werden. Die Gespräche mit dem Parkstadt-Investor Soravia haben zu einer guten Lösung geführt, so die Initiatoren der neuen Mülheimer Schule. © Mülheim an der Ruhr | Hans Blossey

Nicht nur darüber musste die Bezirksregierung genau informiert werden, auch exakte Angaben zum Personal waren erforderlich: Wenn alle Jahrgänge am Start sind, werden es 17 Vollzeitstellen sein. Man habe sie längst alle besetzt, so Münstermann, und zwar ausnahmslos mit examinierten Lehrkräften. Auch die Finanzierung stehe: „Staatliche Ersatzschulen werden zu 87 Prozent vom Land refinanziert. Die restlichen 13 Prozent müssen wir in Eigenleistung aufbringen.“ Das werde nicht ohne Elternbeiträge gelingen: Man plane mit nach Einkommen gestaffelten Summen, „die in der Höhe ähnlich sein werden wie die OGS-Beiträge an anderen Schulen“. Im Regierungsbezirk Düsseldorf gebe es übrigens „schon über 100 Ersatzschulen“. Nach den Sommerferien wolle man erste Infoabende durchführen. Weitere Infos gibt es auf der Homepage der Schule.

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