Bochum. „Warum muss ich noch Mathe lernen, Mama?“ Diese Frage hören viele Eltern in Zeiten von KI. Ein Experte erklärt, wie Sie Ihre Kinder überzeugen.
Die Pisa-Studie hat ein verheerendes Bild vom deutschen Schulsystem gezeichnet. Vor allem in Mathe scheiterte ein Drittel der Schülerinnen und Schüler an einfachen Aufgaben. Doch ist der Unterricht in Zeiten von Künstlicher Intelligenz überhaupt noch zeitgemäß? Wie können Eltern vor ihren Kindern argumentieren? Darüber hat Laura Lindemann mit Peter Salden, Experte für Künstliche Intelligenz im Bildungswesen an der Ruhr-Uni Bochum, gesprochen.
Herr Salden, brauchen wir den Matheunterricht in Zeiten von KI noch?
Peter Salden: Spätestens seit Taschenrechner und Computer wird ja immer wieder gefragt, ob Kinder noch rechnen lernen müssen. KI kommt nun als weiteres Tool dazu. Alle diese Hilfsmittel können unterstützen, aber ich bin überzeugt, dass Mathematik sowohl im Alltag als auch im Wissenschaftsbereich weiter grundlegend wichtig ist und bleibt.
Kann KI im Matheunterricht helfen?
Die große Hoffnung ist, dass KI als persönliche Lernassistenz eingesetzt werden kann. Dabei handelt es sich um technische Systeme, die Schülerinnen und Schülern bei Problemen in Mathe helfen können. Mit Hilfe von Datenanalysen kann geschaut werden, wo ein Schüler Schwierigkeiten hat. In einem nächsten Schritt wird der Schüler mit speziell zugeschnittenen Matheaufgaben da abgeholt, wo er gerade steht. Anschließend erhält er ein automatisiertes Feedback. Solche KI-Programme können in Zeiten des Lehrkräftemangels auch Lehrerinnen und Lehrer entlasten, da sie jedem Kind ein bestimmtes Maß an individueller Unterstützung bieten kann.
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Kann sie auch Eltern entlasten, die an den Hausaufgaben ihrer Kinder verzweifeln?
In einem begrenzten Umfang schon. Auch Eltern können sich beispielsweise von KI-Anwendungen Rechenwege erklären lassen oder sich Analyseergebnisse anschauen und damit besser verstehen, wo bei ihrem Kind Hilfe nötig ist. Sie können dann womöglich besser motivieren oder gezielter helfen.
Und wo sind die Grenzen von KI im Unterricht?
Es gibt Grenzen im rechtlichen, technischen und didaktischen Bereich. Letzteres finde ich persönlich entscheidend, denn KI kann keine Lehrkraft ersetzen. Im Gegensatz zu Künstlicher Intelligenz kann dieser nämlich Schülerinnen und Schüler besser motivieren und Situationen in Gänze erfassen, etwa wenn ein Kind aufgrund von sozialem Stress Probleme hat, sich auf seine Aufgaben zu konzentrieren. Lehrerinnen und Lehrer können insgesamt den Lernprozess sicherlich besser steuern als ein Computersystem.
Wie können Eltern ihren Kindern erklären, dass es wichtig ist, noch selbst rechnen zu lernen?
Man kann den Kindern gut Alltagssituationen vor Augen führen, in denen Mathematik ihnen konkret weiterhilft.
Etwa wenn es darum geht, Pfannkuchen zu backen, für die man die Zutaten plötzlich verdoppeln muss, weil noch ein Freund zu Besuch kommt. Oder wenn sie Rabatte beim Einkaufen ausrechnen wollen. Wichtig ist, den Schülerinnen und Schülern verständlich zu machen, dass Mathe einen ganz praktischen Nutzen hat als auch einen abstrakten. So wird mit Mathe zum Beispiel logisches Denken gefördert oder eingeübt, komplexe Probleme zu aufzulösen. Eltern können ihren Kindern verständlich machen, dass sie durch diese Kompetenzen unabhängig handlungsfähig bleiben, was gerade in Zeiten von KI wichtig ist.
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