Mülheim. Jetzt also ist es Geschichte: das Tudorhaus der Troost’schen Weberei Mülheim. Dass die Fassade doch fiel, macht manchen traurig, manchen wütend.
Es hatte sich angekündigt – doch für den 65-jährigen Mülheimer, der am Donnerstagnachmittag am Rande der Baustelle unweit des Thyssenparks steht, passiert da trotzdem gerade etwas Besonderes: Ein Bagger reißt die nun wirklich allerletzten Mauerreste des einst zur Troost’schen Weberei gehörenden Tudorhauses ab. Eine außergewöhnliche Immobilie mit langer Historie verschwindet gänzlich aus dem Stadtbild. Den Zuschauer bekümmert dies nicht allzu sehr – „es war schon lange klar, dass die Fassade nicht zu halten sein wird“, glaubt er –, doch die Entwicklung vor Ort sei schon spannend.
Mülheim nämlich tue sich immer so unglaublich schwer mit stringenten Entscheidungen. „Das sieht man ja auch an der Debatte zur VHS.“ Auch da, so glaubt der Mann, der namentlich nicht erwähnt werden möchte, könne es gut sein, „dass man einfach so lange wartet, bis sie total verfallen ist“. Für die Nachbarn der Weberei freut er sich indes: „Das hier war über so viele Jahre wahrlich kein schöner Anblick.“
Die Ruine von Mülheims Tudorhaus wird kleiner, der Haufen mit den Backsteinen größer
Von dem alten Haus, das einst ein Ensemble bildete mit der schon abgerissenen Weberei und dem Kutscherhaus, stehen am Donnerstag nur noch traurige Überbleibsel. Eine letzte Fensterscheibe ist noch zu erkennen, samt einst wohl liebevoll aufgehängter Gardine. Und abblätternde Tapete in weiß und grün. Sobald der Bagger kurz verstummt, bedienen sich Krähen daran, tragen auch andere Kleinteile davon. Für den Nestbau sind diese offenbar gut geeignet. Das Grobe erledigt derweil die Baumaschine: Die Ruine wird kleiner, der Haufen mit den Backsteinen größer. Metallteile liegen daneben, alte Rohre. Das massive Gerüst, das die Fassade so lang treu gestützt hat, ragt nun an den meisten Stellen frei gen Himmel.
Dass es so zu Ende geht, war nicht im Sinne von Axel Booß, der in Mülheim für den Denkmalschutz verantwortlich ist. Er bedauert, dass vom Tudorhaus nichts übrig bleibt. Da sei es auch kein Trost, dass der Bauträger Arealcon den Auftrag hat, das Wohnhaus, das dort entstehen soll, „historisierend“ aufzubauen. „Wir Denkmalpfleger wollen diesen Fake nicht. Wir wollen Altes erhalten, und nicht Neues bauen, das aussieht wie Altes.“ Doch in seiner Brust schlage immer auch ein zweites Herz, räumt Booß ein. Er sei ja nicht nur Chef der Denkmalpflege – sondern auch der Bauaufsicht. „Als Denkmalpfleger bin ich traurig. Als Bauaufsicht weiß ich: Der Abriss war aus Gründen der Gefahrenabwehr unausweichlich.“ Einzelne Teile waren jüngst eingestürzt, „da war nichts mehr zu retten“, hatte er schon vor Wochen gesagt.
Architekt Peter Schnatmann bemängelt das Vorgehen von Verwaltung und Politik
Kritische Anmerkungen zum Verfall der Troost’schen Weberei hat es immer wieder gegeben. Nun hat sich auch Architekt Peter Schnatmann gemeldet und den Umgang von Verwaltung und Politik „mit historischen, teils identitätsstiftenden Denkmälern und Wahrzeichen der Stadt“ bemängelt. Der Investor habe sein Ziel ja letztlich erreicht: „Er kann ohne Einschränkungen belanglose Bauträgerarchitektur – wie wir sie leider schon so oft in Mülheim haben – realisieren.“ Schnatmann fürchtet, dass nun auch andere gewichtige Investoren entsprechend mit historischen Gebäuden verfahren dürfen – und vielleicht auch bald das letzte Stündlein für VHS und Bismarckturm geschlagen hat. Einzelnen Bürgern aber, die denkmalgeschützte Immobilien besitzen, würden zum Teil kleinlichste Auflagen gemacht.
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Axel Booß mag diese Vorwürfe nicht so stehen lassen: Man habe ernsthaft versucht, die Fassade zu retten. „Der Investor musste ja zum Beispiel das sehr, sehr teure Stützgerüst aufstellen.“ Doch letztlich reichte es eben nicht – und eigentlich, so Booß, hätte man zwischenzeitlich durchaus auch schon mal die Frage stellen können, ob es sich bei den bescheidenen Überresten überhaupt noch um ein Denkmal handelte. . .
Für Nachfolgebau des Tudorhauses ist eine komplett neue Baugenehmigung erforderlich
Um auf dem Areal nun weiterzumachen, muss Arealcon einen neuen Bauantrag stellen – weil sich die Situation wesentlich verändert hat, ist die alte Baugenehmigung hinfällig. „Wenn der Antrag vollständig vorliegt, dauert die Bearbeitung für ein solches Wohnbauvorhaben drei bis vier Monate“, schätzt Booß.