Mülheim. Abreißen oder erhalten? Die Debatte um das Mülheimer VHS-Gebäude in der Müga geht weiter. Wie Erfolgsgeschichten aus der Region helfen könnten.
Denkmal verpflichtet – so sagt es das Gesetz und in der nun schon jahrelang andauernden Debatte um die Zukunft des VHS-Gebäudes an der Bergstraße ist dieser Satz etliche Male gefallen. Die Bürgerinitiative hatte nun zu einem Diskussionsabend mit Expertinnen und Experten geladen, um näher auf Denkmalschutz und architektonische Besonderheiten, Hintergründe, aber auch mögliche Lösungsansätze einzugehen.
Dass ein Interesse von Seiten der Bürgerschaft besteht, bewies allein die Tatsache, dass rund 100 Menschen zur Veranstaltung im Caruso erschienen – wobei Moderator Peter Leitzen gleich zu Beginn eine schlechte Nachricht zu überbringen hatte: Zwei der vier geladenen Gäste mussten wegen einer Corona-Infektion absagen – übrig blieben Theresa König, Referentin des LVR-Amts für Denkmalpflege im Rheinland, sowie Erich Bocklenberg, Denkmalpfleger und Mitinitiator der VHS-Bürgerinitiative.
Mülheimer Denkmäler sind teilweise nicht im Wert anerkannt
Kunsthistorikerin Theresa König stellte dem Publikum zunächst die Grundzüge des Denkmalschutzgesetzes vor und erklärte im Zuge dessen: „Das VHS-Gebäude ist das jüngste Denkmal in der Stadt, es stammt aus den 70ern.“ Damit hebe es sich deutlich von den übrigen Denkmälern Mülheims ab, die allesamt viele Jahrzehnte älter sind. Damit sind sie laut König vor allem eines: „Deutlich anerkannter im Wert.“ Sie beobachte ein „fehlendes Verständnis für die Werte moderner Architektur.“
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Ein gutes Beispiel für eine Sanierung und anschließende Weiternutzung eines unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes sei das Dortmunder Centrum für Medizin & Gesundheit – kurz DOC. Mitten in der Dortmunder Innenstadt gelegen, war der 1978 fertiggestellte Komplex Sitz der Westdeutsche Landesbank (WestLB). Der Architekt Harald Deilmann, der unter anderem den Bau des Essener Aalto Theaters betreut hat, steht für einen futuristisch anmutenden Stil. „Die WestLB wurde 2010 unter Denkmalschutz gestellt“, so Theresa König. Eine Sanierung und der anschließende Umbau zu einem Ärztehaus betreuten ab 2011 das Düsseldorfer Architekturbüros Eller und Eller. „Dabei konnte das spezielle Äußere und die typische Konstruktion erhalten werden.“
Mülheimer VHS-Gebäude: Mangelnde Instandsetzung als Gefahr
Denkbar und wünschenswert auch für das VHS-Gebäude an der Bergstraße, so die Bürgerinitiative. Aus dem Publikum kamen vermehrt Nachfragen, aber auch kritische Stimmen. So sei es „eine krumme Nummer, dass die Stadt so viel Zeit hat vergehen lassen hat“, ereifert sich ein Bürger. Ein Erlischen des Denkmalschutzes wähnen viele – Theresa König ordnete ein: „Das greift nur dann, wenn die Eintragungskriterien nicht mehr gegeben sind.“ Dazu müsse das betreffende Gebäude „komplett darniedergegangen sein und davon sind wir hier noch sehr, sehr weit entfernt.“ Was die Expertin für Denkmalpflege an diesem Abend aber auch mit auf den Weg gab: „Mangelnde Instandsetzung funktioniert sehr verlässlich, um Gebäude zu Ruinen werden zu lassen.“
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Ein weiteres Beispiel, bei dem die Rettung eines denkmalgeschützten Gebäude gelungen ist, stellte Erich Bocklenberg vor. „Die Scharounschule in Marl steht seit 2004 unter Denkmalschutz“, so der Mitinitiator des VHS-Bürgerentscheids. Die Stadt Marl habe beabsichtigt, das aus den 60ern stammende Gebäude des Architekten Hans Sharoun 2006 abzureißen oder zu einem Altenheim umzufunktionieren. „Hier konnten Bürgerinitiative, Denkmalschützer und Architekten erreichen, dass das Gebäude erhalten bleibt“, erklärte Bocklenberg. Mittlerweile ist die städtische Musikschule dort untergebracht. „Eine Nutzung, die dem ursprünglichen Zweck nahe ist, wie es das Denkmalschutzgesetzt vorsieht“, ergänzte Theresa König.
Eine Patentlösung gibt es an diesem Abend zwar nicht – oder wie der Grünen-Stadtverordnete Björn Maue es aus dem Publikum heraus ausdrückte: „Es gibt keine einfache Lösung für die schwierige Frage.“ Er sei sich sicher, dass ein „verstecktes Abschaffen des Denkmalschutzes im Rat nicht durchgehen wird“. Applaus im Saal – es hängt Nostalgie im Raum, die spätestens greifbar wird, als eine Bürgerin über ihre persönliche Verbindung zur VHS spricht. „Dank der VHS bin ich das geworden, was ich heute bin“, sprach Frau B. ins Mikrofon. „Damals, als man seinen Mann noch fragen musste, ob man arbeiten gehen darf, habe ich mich dort weitergebildet.“ Die VHS sei viel mehr als nur eine Bildungsstätte gewesen, „das Herz der Müga“.