Mülheim. Im Februar beginnen die Abrissarbeiten an der Troost’schen Weberei am Mülheimer Ruhrufer. Warum das auch eine Erlösung für die Nachbarschaft ist.
Für gewöhnlich sind Nachbarn nicht unbedingt wild darauf, dass in ihrer unmittelbaren Nähe über Monate groß und laut gebaut wird. An der Dohne und im Luisental aber warten sie sehnsüchtig darauf, dass sich an der Troost’schen Weberei etwas tut. „Sie wollen nicht mehr auf Ruinen starren“, weiß Axel Booß, Chef der Mülheimer Bauaufsicht. Immer wieder musste er sich in den vergangenen Jahren Beschwerden anhören wegen des desolaten Zustands von Tudorhaus und Co. Nun gibt’s Hoffnung auf ein Happy End für alle.
„Mitte/Ende Februar“ geht’s laut Booß los mit dem Abriss der ehemaligen Weberei. Das Gebäude wird komplett abgetragen und als Nachbildung neu aufgebaut. Elf Wohnungen auf 1147 Quadratmetern entstehen. Im Tudorhaus nebenan, dessen Fassade zum Teil erhalten bleibt, finden auf 765 Quadratmetern sechs Wohnungen Platz.
Am Mülheimer Tudorhaus müssen die Bauarbeiter viel Fingerspitzengefühl beweisen
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Der Umbau dieses Hauses, der voraussichtlich Mitte/Ende März beginnt, ist ein Wagnis. Die Arbeiter müssen mit viel Fingerspitzengefühl zu Werke gehen: „Das gleicht einer Operation am offenen Herzen“, zitiert Booß den Investor Matthias Gülich vom Projektentwickler Arealcon. Die markanten Türme des Tudorhauses sollen unbedingt stehen bleiben!
„Wir müssen Erschütterungen im Gelände vermeiden“, so Gülich. Andernfalls bestünde die Gefahr von Rissen, die die Türme instabil machen können. Ein Traggerüst wird die historischen Bauteile sichern. Dass der Boden das mächtige Gerüst möglicherweise nicht tragen kann, war zwischenzeitlich eine Befürchtung. Diese Sorge aber sei mittlerweile ausgeräumt, sagt Gülich, die Standsicherheit gewährleistet.
Schon das Aufstellen des Traggerüsts kostet 90.000 Euro
Wenn das Traggerüst erst steht, müssen die Bauarbeiten zügig vorangehen, sagt der Investor. „Denn das Gerüst ist richtig teuer: Schon das Aufstellen kostet 90.000 Euro und für jeden Monat, den es dort steht, fallen weitere 15.000 Euro an.“ Axel Booß, der auch für den Denkmalschutz in der Stadt verantwortlich ist, will definitiv „ein Auge haben“ auf das Geschehen am und um das Tudorhaus. Auch eine von der Dohne aus zu befahrende Tiefgarage mit 19 Stellplätzen wird dort realisiert.
Wesentliche Unterlagen mussten nachgereicht werden
Bereits im Mai 2020 waren erste Abrissarbeiten an der Troost’schen Weberei vorgenommen worden. Kurz darauf aber hatte die Bauaufsicht in Absprache mit Denkmal- und Umweltschützern einen Arbeitsstopp verhängt. Es fehlten wesentliche Unterlagen.
Vor Ort waren auch Fledermäuse gesichtet worden; ein Artenschutzbeauftragter musste gehört werden. Seit 10. Mai 2021 ist die Baustelle wieder freigegeben.
Parallel wird die Sanierung des einstigen Kutscherhauses in Angriff genommen. Der Denkmalschutz hat auch für den Innenausbau des Gebäudes mit einer Wohnfläche von 270 Quadratmetern strenge Regeln aufgestellt. Es stehen noch Begehungen mit Vertretern der Behörde an und Abstimmungen über die Auflagen, weiß Booß, „doch es läuft“. Verkauft hat Gülich das Haus übrigens an einen Interessenten aus Essen, der „im medizinischen Bereich“ arbeitet, und selbst in das Einfamilienhaus einziehen will. Zwei Wohnungen im Tudorhaus, die er ebenfalls erstanden habe, will er hingegen vermieten, sagt Gülich. So handhaben es die meisten Käufer, „die Mehrzahl sind klassische Kapitalanleger“.
Zwischenzeitlich hatte die Bauaufsicht die Baustelle sogar stillgelegt
Auch wenn die Anfänge durchaus haarig waren, deutlich mehr Probleme zu lösen waren als zunächst gedacht und die Baustelle zwischenzeitlich sogar stillgelegt werden musste: Der Geschäftsführer von Arealcon, der längst alle Wohneinheiten verkauft hat, hat sich in das Projekt am Mülheimer Ruhrufer „verliebt“. Er habe sich durch alle Schwierigkeiten gekämpft, sei „jetzt voll im Thema und guter Dinge“.
Vor allem das Penthouse auf dem Tudorhaus hat es ihm angetan. Seine Heimat Wuppertal werde er aber deswegen nicht gleich verlassen. „Ich mache das aber richtig schön für alle Leute, die dort wohnen.“ Die Anwohner verdienen eine Entschädigung, findet Gülich. Im Sommer 2023, schätzt er, werden die drei Immobilien in neuem Glanz erstrahlen. Dass die Ruine verschwindet, wirkt sich nicht nur aufs Gemüt der Nachbarn aus. Es ist auch finanziell ein Vorteil, macht Axel Booß deutlich: „Die Lage ist ja jetzt schon gut, aber wird dann noch besser sein. Das bedeutet auch eine klare Wertsteigerung für die Umgebung.“