Mülheim. Vallourec hat für seine Betriebsfläche in Mülheim einen Käufer gefunden. Dessen Entwicklungskonzept dürfte Stadt und Politik gar nicht schmecken.
Ende dieses Jahres will Stahlrohr-Produzent Vallourec seine Werke in Mülheim und Düsseldorf-Rath schließen. Jetzt präsentiert der Konzern einen Käufer für das 36 Hektar große Firmengelände zwischen Styrum und Dümpten – und die Stadt Mülheim ist gefordert zu entscheiden, ob sie in den Deal hineingrätscht, um eine Entwicklung zu verhindern, die sie sich gar nicht wünscht.
Wie eine Vallourec-Sprecherin auf Anfrage der Redaktion bestätigte, sind die Verkaufsverhandlungen am Mittwoch dieser Woche zu einem Abschluss gekommen. Als Käufer präsentiert Vallourec nun das europaweit tätige Unternehmen Logicor. „Wir sind überzeugt, dass dieser Eigentümerwechsel aufgrund der hohen Investitionsbereitschaft und Internationalität des Unternehmens einen großen Vorteil für die Wirtschaft der Stadtregion bringen wird“, hieß es dazu vonseiten Vallourecs. Es würden „voraussichtlich hunderte neue Arbeitsplätze geschaffen sowie Wachstum und Wohlstand in der Stadt gefördert“.
Vallourec baut zur Finanzierung des Sozialplans fest auf den Verkaufserlös
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Die Äußerungen sind wohl im Wissen um das von der Stadt beanspruchte Vorkaufsrecht für das Wirtschaftsareal einzuordnen. Vallourec betont darüber hinaus, dass der Grundstücksverkauf auch ein „wichtiger Baustein zur Erfüllung des Sozialplans“ sei. Will wohl heißen: Vallourec plant zur Finanzierung des Sozialplans fest mit dem frei am Markt verhandelten Verkaufserlös für das Mülheimer Grundstück. Der Konzern äußerte sich nicht zu dem Preis, den Logicor zahlen will – und auch nicht dazu, welche Konsequenzen womöglich für die Erfüllung des Sozialplans gezogen würden, sollte die Stadt zum Grundstücksdeal ihr Vorkaufsrecht ziehen und womöglich einen deutlich niedrigeren Kaufpreis durchdrücken.
Zu Logicor: Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen mit 2,3 Millionen Quadratmetern Lagerfläche der zweitgrößte Eigentümer von Logistikimmobilien in Deutschland. Ein erheblicher Teil davon befinde sich in der Nähe der wichtigen Logistik-Drehkreuze Düsseldorf, Frankfurt und Stuttgart. Präsent ist das Unternehmen etwa auch am Duisburger Hafen. Aktuell ist Logicor in Nordrhein-Westfalen in der Mieter-Akquise für Logistikhallen in Hamm, Alsdorf bei Aachen und Rheine.
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Logicor besitzt knapp 600 Logistik-Immobilien in 17 europäischen Ländern
Logicor besitzt knapp 600 Logistik-Immobilien in 17 europäischen Ländern mit insgesamt 13,7 Millionen Quadratmetern Fläche. Im alleinigen Fokus stehen dabei Logistik-Standorte an „strategisch günstigen und verkehrsreichen Handelsrouten in Europa und in der Nähe von Großstädten“. Mehr als neun von zehn Objekten sind dabei größer als 10.000 Quadratmeter (ein Hektar) - wohl ein deutliches Signal, was Logicor auch für die Vallourec-Fläche als Nachnutzung vorschwebt.
Laut OB Marc Buchholz soll Logicor in den vergangenen Monaten mit seinem Interesse für die 36 Hektar nahe der A 40 bei Wirtschafts- und Baudezernent Felix Blasch vorstellig geworden sein. Zu Gesprächsinhalten und Plänen, was genau Logicor vor Ort entwickeln will, wollte sich der OB aber vorerst nicht äußern. Ebenso wollte er mit Blick auf das Geschäftsfeld von Logicor noch keine Wertung abgeben, ob die Stadt das Unternehmen für einen geeigneten Entwickler hält. Am Freitagmorgen sagte Buchholz im Gespräch mit dieser Redaktion, dass es ein Gebot der Fairness sei, Logicor als potenziellem Eigentümer, der eine Nachnutzung des Areals in Angriff nehmen könnte, noch einmal die Möglichkeit zu gewähren, seine detaillierten Planungen zeitnah zu präsentieren.
Stadt Mülheim hat nun drei Monate Zeit, ihr Vorkaufsrecht geltend zu machen
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Laut Buchholz hat die Stadt nun drei Monate Zeit, um dem auf Logistik spezialisierten Unternehmen mit Hauptsitz in Luxemburg womöglich per Vorkaufsrecht einen Strich durch die Rechnung zu machen und eigene Entwicklungsziele für die Vallourec-Fläche abzusichern. Diese sind weit weg verortet zum Thema Logistik, das der Stadtrat unlängst kategorisch ausgeschlossen hatte für die Vallourec-Fläche. Buchholz will die Zeit bis zu den Frühjahrssitzungen von Planungs- und Finanzausschuss sowie Stadtrat im März und April nutzen, um der Politik eine Entscheidungsgrundlage zu schaffen.
Zum Grundstückswert, den die Stadt womöglich unter Berücksichtigung einer nötigen Altlasten-Sanierung schon als ihren Kaufpreis ermittelt hat, schweigt Buchholz. Zur Frage, wie sich Mülheim als überschuldete Stadt mit haushaltsrechtlichen Investitionsbeschränkungen den Grundstückserwerb überhaupt leisten können soll, äußerte er sich gleichwohl optimistisch.
Überschuldetes Mülheim: OB trotzdem optimistisch, Grundstück kaufen zu können
Im Fall der Fälle könne die Stadt in Abstimmungen mit der Finanzaufsicht der Bezirksregierung sicher geltend machen, dass hinter einer solchen Investition nicht nur ein entsprechender Wert liege, sondern auch die Aussicht, die Investition über eine spätere Weitervermarktung mindestens refinanziert zu bekommen. Eine Investition in jenen Grundstückskauf sei etwa nicht zu vergleichen mit einer Investition in die Sanierung des VHS-Gebäudes, die die Stadt a) teurer käme als das, was mit einer Sanierung an Wert geschaffen würde, und die b) Abschreibungen im Haushalt nach sich ziehen würde.
CDU-Landtagsabgeordneter Jan Heinisch hatte der Stadt unter Berufung auf NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann im Oktober Hoffnung gemacht, dass das Land die Stadt kräftig unterstützen könnte. 95 Prozent Landesförderung hielt Heinisch für möglich zur Erschließung, zum Ausbau und zur Revitalisierung der Wirtschaftsfläche.
Stadt Mülheim hat ihre Entwicklungsziele für Vallourec-Gelände bereits fixiert
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Schon im Vorjahr hatte die Stadt mit Bezug auf die außerordentliche städtebauliche Bedeutung (§ 25 im Baugesetzbuch) ein Vorkaufsrecht für die Vallourec-Fläche für sich fixiert. Der Stadtrat hat die Vorkaufsrechtssatzung zum Ende des Jahres hin noch mal geschärft, um für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit Vallourec besser gewappnet zu sein.
Parallel hat Mülheims Politik 2022 ein Bebauungsplanverfahren für das Areal in Gang gesetzt. Im ersten Entwurf ist das Ziel, keine Logistik auf der Fläche zulassen zu wollen, klar formuliert. Stattdessen wünschen sich Stadtspitze und Politik die Ansiedlung neuer Betriebe, die mehr Arbeitsplätze versprechen als Betriebe zum reinen Warenumschlag.
Über eine neue Erschließung will die Stadt das Gelände kleinteiliger nutzbar machen. Zwischen den heutigen Werksbahngleisen und Schützen- sowie Gustavstraße im Westen des Areals will die Stadt rund um bestehende Betriebe eine industrielle Nutzung ausschließen. Wegen der Nähe zur Wohnbebauung ist hier nicht störendes Gewerbe vorgesehen. Darüber hinaus sollen mittelgroße und kleinere Betriebe verschiedener Branchen, auch Industrie, ansiedeln können. Die Schienenanbindung jenes neuen Gewerbe- und Industriegebietes soll Ausstattungsmerkmal bleiben.