Mülheim. Wird das Vallourec-Werk verkauft, schließt es oder nicht? Die Stadt Mülheim will nicht tatenlos zusehen. Sie drängt auf ein Vorkaufsrecht.
In den Poker um die Zukunft der deutschen Vallourec-Werke mit insgesamt 2400 Beschäftigten versucht nun die Stadt Mülheim in letzter Minute hineinzugrätschen. Sie will sich ein Vorkaufsrecht für die Fläche sichern, sollte ein Finanzinvestor einsteigen.
Schon für Mittwoch kommender Woche wird erwartet, dass der Vallourec-Verwaltungsrat, bestehend aus Vorstands- und Eigentümervertretern, in Paris über die Zukunft der Werksstandorte in Dümpten und Düsseldorf-Rath entscheidet. Angepeilt war ein Verkauf der Werksstandorte, drei Finanzinvestoren sind im Rennen. Als Alternativen gehandelt werden aber weiterhin zwei andere Optionen: a) eine Neuausrichtung samt radikaler Schrumpfkur für die Werke unter dem Dach von Vallourec und b) eine Stilllegung und Abwicklung der Standorte durch Vallourec.
Eine Fläche so groß wie Mülheims altes Tengelmann-Areal
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Die potenziellen, international agierenden Investoren müssen nun aber einkalkulieren, dass ihnen die Stadt für eine mögliche spätere Grundstücksvermarktung einen Strich durch die Rechnung macht, damit Rendite einfahren zu können. Die Stadtverwaltung hat der Politik nämlich eine Beschlussvorlage präsentiert, mit der sich die Stadt ein Vorkaufsrecht beim Betriebsgelände sichern will, sollte sich Vallourec davon trennen wollen.
35 Hektar groß ist das Areal zwischen Fritz-Thyssen-Brücke und A 40 in Dümpten – damit hat es exakt die Größenordnung vom alten Tengelmann-Real in Speldorf, wo Investor Soravia innerhalb eines Jahrzehnts eine „Parkstadt“ mit bis zu 800 Wohnungen, Grün und Gewerbe entwickeln will.
Stadt Mülheim will gewerbliche Nachnutzung des Geländes selbst steuern
Dass die Stadt den Ankauf einer solch großen Fläche in Betracht zieht, ist außergewöhnlich. Der Ankauf würde sicher einige Millionen Euro verschlingen; auf dem benachbarten Mannesmann-Areal werden etwa Bodenrichtwerte von bis zu 100 Euro pro Quadratmeter ausgewiesen. Das entspricht auch dem Wert, der für Grundstückskäufe im Gewerbegebiet am Hafen aufgerufen ist. Umgemünzt auf das Vallourec-Areal hieße das, dass die Stadt wohl mindestens 35 Millionen Euro in die Hand nehmen müsste, um die Fläche im Fall der Fälle an sich nehmen zu können. In ihrer Beschlussvorlage der Verwaltung zum Vorkaufsrecht, das gezogen werden soll, bleibt die finanzielle Dimension eines solchen Vorgehens unerwähnt.
Klar wird aber, was die Stadt mit einem Vorkaufsrecht bezweckt: Sie leidet bekanntlich extrem unter einem Mangelangebot an verfügbaren Wirtschaftsflächen und will sich bei einem möglichen Aus von Vallourec in Dümpten in die Lage versetzen, eine gewerbliche Nachnutzung des Geländes selbst zu steuern. Dazu will sie – in Analogie zum Ruhrbania-Baufeld mit AOK-Gebäude – die Option aus § 25 des Baugesetzbuches ziehen, das Vallourec-Gelände zum Entwicklungsgebiet mit außerordentlicher städtebaulicher Bedeutung erklären und sich damit gleichsam das Vorkaufsrecht sichern.
Wenn das Vallourec-Aus kommt: Stadt will „kleinteiligere gewerbliche Nutzung“
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„Da es sich um eine der wenigen großflächigen zusammenhängenden gewerblich genutzten Flächen im Stadtgebiet handelt, kommt ihrer geordneten städtebaulichen Entwicklung im Falle einer Betriebsaufgabe eine erhebliche stadtentwicklungspolitische Bedeutung zu“, begründet die Verwaltung ihre Initiative. Für den Fall, dass das Vallourec-Werk stillgelegt wird, wolle man sich in die Lage versetzen, mit städtebaulichen Maßnahmen „eine zukunftsträchtige, kleinteiligere gewerbliche Nutzung“ sicherzustellen.
Verhindert werden solle eine unkoordinierte Aufteilung der Fläche samt Weiterverkauf an Private. Ein Bebauungsplan etwa existiert für das Areal aktuell nicht; er soll auf Basis eines städtebaulichen Rahmenplans entwickelt werden, wenn nötig. Aktuell wäre, da im Westen bereits Wohnbebauung angrenzt, der Verlust weiterer Gewerbeflächen nicht ausgeschlossen, sollte die Stadt die Nachnutzung des Areals dem Markt überlassen.
Regionalplan sieht Bedarf von gut 60 Hektar neuer Gewerbefläche in Mülheim
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Dabei verweist die Verwaltung auf den Regionalplan Ruhr, der für Mülheim einen zusätzlichen Bedarf an 60,3 Hektar Gewerbe- und Industrieflächen ausmacht. Bekanntlich ist politisch festgelegt, dass Mülheim zur Befriedigung dieser Nachfrage keine Flächen im Grünen entwickeln will, sondern auf die Reaktivierung von untergenutzten oder brachliegenden Flächen setzen will, wie etwa beim Projekt „Mülheim West“ am Ruhrufer zwischen Konrad-Adenauer-Brücke und Aldi-Areal in Styrum angezettelt. „Im Bereich Dümpten West besteht im Falle der Nutzungsaufgabe von Vallourec eine große Chance für die Stadt, durch eine Revitalisierung der Flächen neue Gewerbeflächenpotenziale entsprechend der politischen Zielsetzungen zu heben“, heißt es nun in einer Art Präventionstaktik für den Fall, dass Vallourec in Mülheim absehbar Geschichte sein könnte.
Sollte der Stadtrat am 23. Juni ein Vorkaufsrecht für das Vallourec-Areal in einer Satzung verankern, wäre die Stadt in einer Frist von drei Monaten nach einem möglichen Verkauf des Standortes in der Lage, per Verwaltungsakt in den Kaufvertrag einzusteigen und selbst Eigentümerin zu werden. Werde man sich in diesem Fall mit Vallourec nicht einig über den angemessenen Kaufpreis (Verkehrswert), bliebe Vallourec nur die Option, das Grundstück im eigenen Bestand zu halten.