Mülheim. Das Vorkaufsrecht ist geltend gemacht, nun legt die Stadt Mülheim fürs Vallourec-Areal einen Entwurf für eine künftige Bebauung vor. Die Details.

Die Stadt Mülheim macht nach dem beschlossenen Aus für die Produktion des Stahlrohrproduzenten Vallourec ernst: Schon in Kürze soll ein Bebauungsplanverfahren starten zur Absicherung des Ansinnens, zur Entwicklung der fast 36 Hektar großen Industriefläche möglicherweise ein Vorkaufsrecht für die Stadt zu ziehen.

Mit einer entsprechenden Vorlage für den Start eines Bebauungsplanverfahrens geht das Dezernat von Stadtplaner und Wirtschaftsförderer Felix Blasch nun in die politische Beratung. Nach den Bezirksvertretungen 1 und 2 sowie dem Umweltausschuss soll schließlich der Planungsausschuss am 30. August jenes Verfahren in Gang setzen, das zum Ziel hat, die Wirtschaftsfläche nach Vorstellungen der Stadt und nach den Bedürfnissen der heimischen Wirtschaft für die Zeit umzunutzen, wenn Vallourec Ende 2023 seine Produktion an den Standorten Mülheim und Düsseldorf komplett eingestellt haben wird.

Vallourec-Fläche in Mülheim soll für Gewerbe und Industrie gesichert werden

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Am Ende soll die Fläche für Gewerbe und Industrie gesichert sein, um vor Ort mittel- bis langfristig Arbeitsplatzverluste kompensieren zu können. Wichtig ist der Stadtverwaltung auch, selbst über das Grundstück verfügen zu können, um eben auch selbst lenken zu können, welche Branchen sich später ansiedeln. Dass etwa Logistik in Mülheim nicht gerngesehen ist, weil mit einer solchen Ansiedlung viel Flächenverbrauch, aber wenig qualifizierte Arbeitsplätze einhergingen, ist bekannt.

Die Stadtverwaltung will aber auch die Chance haben, das Areal komplett neu zu denken. Das macht bereits eine erste Skizze zum Bebauungsplanentwurf deutlich, in der die Stadtplaner durch eine neue verkehrliche Erschließung schon eine Struktur für eine mögliche spätere Nutzung vorzeichnen. Den Plänen ist zu entnehmen, dass der Verwaltung vorschwebt, die industrielle Nutzbarkeit des Geländes durch eine neue Erschließungsstraße auf den östlichen Bereich zu beschränken.

Stadt Mülheim plant alternative Erschließung – das Ende der Fritz-Thyssen-Brücke?

Jene neuen Straßen sollen dafür sorgen, dass das Gelände künftig nicht mehr nur über die Schützenstraße angefahren werden kann. Insbesondere ist eine neue Zufahrt im Süden angedacht – über eine Süd-Nord-Achse, die von der Fritz-Thyssen-Straße ausgehen soll und das Areal im Bereich innerhalb der heute kreisrund um die Produktionshallen angelegten Gleise gen Norden erschließt.

Planungsdezernent Blasch erläutert dazu, dass diese Idee relativ frisch und aus der jüngsten Prüfung der Fritz-Thyssen-Brücke erwachsen sei, die quer über das ehemalige Mannesmann-Areal verläuft. Diese sei absehbar sanierungsbedürftig. So sei die Idee, als Ersatz womöglich gar keinen Brückenneubau vorzusehen, sondern die Fritz-Thyssen-Straße auf den Boden zu setzen. Dann könnte dort eine Rampe zum Vallourec-Areal angeschlossen werden. Dies könne Anwohnern der Schützenstraße jede Menge Verkehrslärm ersparen, so Blasch. Eine solche Lösung sei auch bereits Bestandteil der Grundstücksgespräche mit dem Vallourec-Konzern.

Dritte Anbindung könnte über die Gustavstraße in Mülheim-Styrum laufen

Zwei Stichstraßen sollen den Ideen nach von dieser neuen Verbindung abgehen, um den Osten des Grundstücks erreichen zu können. Im Norden ist zudem eine Querverbindung zur Gustavstraße in Styrum angedacht, wo schon seit Jahren Pläne zur Entwicklung kleinteiligen, wohnverträglichen Gewerbes existieren – alte Mehrfamilienhäuser der SWB, die zuletzt als Flüchtlingsunterkunft gedient hatten, werden dafür aktuell abgerissen.

Aber zurück zur Vallourec-Fläche: Zwischen den Werksbahngleisen und Schützen- sowie Gustavstraße im Westen des Areals will die Stadt eine industrielle Nutzung ausschließen. Wegen der Nähe zur Wohnbebauung ist hier nicht störendes Gewerbe geplant. Heute gibt es dort Verwaltungsgebäude von Vallourec sowie Lagerflächen. Ansässig ist dort auch die Toi Toi & Dixi Sanitärsysteme GmbH mit einem Lager für Container, Dixi-Klos und anderen Baustellenbedarf.

Schienanbindung soll Ausstattungsmerkmal für zukünftiges Gewerbegebiet bleiben

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Die Stadtverwaltung betont, dass es einer städtebaulich strukturierten Entwicklung der Fläche nach dem Aus für Vallourec zwingend bedürfe, um a) im Sinne der politischen Beschlüsse Bestandsflächen für die Wirtschaft nutzbar zu halten beziehungsweise zu reaktivieren und b) an Ort und Stelle nicht Wildwuchs zu riskieren, wenn ein privater Entwickler Grundstücksteile weiterveräußert.

Angepeilt ist laut Bebauungsplanentwurf „eine zukunftsträchtige, kleinteiligere gewerbliche beziehungsweise industrielle Nutzung“ auf dem Vallourec-Areal, durch die wirtschaftliche Potenziale auch hinsichtlich der Flächenproduktivität voll ausgeschöpft werden. Die Schienanbindung jenes neues Gewerbe- und Industriegebietes soll dabei Ausstattungsmerkmal bleiben.

„Dagegen absichern, dass nicht alles weg ist, wenn ein Unternehmen kaputtgeht“

Dezernent Blasch, gleichzeitig oberster Wirtschaftsförderer der Stadt, macht deutlich, dass die Stadt eine gemischte Nutzung auch durch mittelgroße und kleinere Betriebe für das Areal anstrebt, um das „Klumpenrisiko“ für die Zukunft auszuschließen, das am Exempel von Vallourec aktuell schmerzhaft zu erdulden ist: „Wir wollen uns diversifizieren und uns dagegen absichern, dass nicht alles weg ist, wenn ein Unternehmen kaputtgeht“, formuliert Blasch auch das Ziel, Produktionsfirmen im Grenzbereich zwischen Dümpten und Styrum ansiedeln zu wollen, die im Gesamten eine möglichst breite Produktpalette haben. So wäre das Gewerbegebiet als Ganzes wenig anfällig für branchenspezifische Konjunktur-Tiefs.

Mit dem nun aufgelegten Bebauungsplan untermauert die Stadt ihren festen Willen, die städtebauliche Entwicklung auf dem Vallourec-Areal gezielt lenken zu wollen. Das vom Stadtrat unlängst geltend gemachte Vorkaufsrecht könnte die Stadt allerdings erst geltend machen, wenn Vallourec tatsächlich einen Grundstücksverkauf meldet.

Der Konzern befinde sich unter Begleitung einer Bank derzeit im Verkaufsprozess, berichtet Planungsdezernent Blasch. Das Vallourec-Management habe der Stadt versichert, diese rechtzeitig zu informieren, sollte ein Käufer gefunden sein. Dann läge es an der Stadt, zu prüfen, ob jener Investor bereit ist, eine Flächenentwicklung im Sinne der Stadt voranzutreiben – oder ob die Stadt das Areal an sich zieht. Wenn sie eine Möglichkeit zur Finanzierung findet.

Gewerbe-Pläne an der Gustavstraße

Auf einem Teilgrundstück an der Gustavstraße will die städtische Wohnungsbaugesellschaft SWB bis zum Frühjahr 2023 ihren eigenen Servicebetrieb neu aufbauen. Am bisherigen Standort am Wiehagen platze der Betrieb „aus allen Nähten“, so SWB-Sprecherin Christina Heine.

Auf einem anderen Teil des Areals wird die Stadt eine neue Rettungswache Nord bauen. Für weitere rund 6000 Quadratmeter sucht die SWB gewerbliche Nutzer, die ihr Grund und Boden abkaufen. Man führe aktuell Gespräche mit drei Interessenten, so Heine.