Mülheim. Im Mobilitätsausschuss am Donnerstag berät die Politik letztmalig über die Zukunft des Mülheimer Nahverkehrs. Ein Problem steht noch im Weg.
Schafft die Politik die letzten Meter für einen neuen Nahverkehrsplan noch in diesem Jahr? Viel ist darüber zwar debattiert worden, dennoch könnte der Beschluss kurz vor der „Endhaltestelle“ – der Ratssitzung am 15. Dezember – unerwartet in die Eisen steigen: Denn Ruhrbahn und Verwaltung haben bislang keine genauen Liniensteckbriefe vorgelegt. Das könnte sich als Bremsklotz erweisen.
Zumindest am groben Entwurf zum neuen Nahverkehr ist seit spätestens einem Jahr intensiv mit Bürgern und Interessensgruppen gearbeitet worden, im Sommer stand ein grundsätzlicher Entwurf auch der Politik zur Verfügung. Eines jedoch hat dabei stets gefehlt: eine detaillierte Auflistung der einzelnen Linien mit allen Haltestellen und Abfahrtszeiten – kurz: die Liniensteckbriefe.
Ob das Umsteigen klappt, ist noch reine Theorie
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Denn zuverlässig kann sich im Vorfeld nur hier zeigen, ob die völlig neu strukturierten Linienführungen aus Ringlinie, Verbindungs- und Quartiersbussen, welche die Straßenbahn und Metrobusse als schnelle Zubringer bedienen sollen, auch zuverlässig ineinandergreifen. Es kommt dabei auf Minuten an. Gerade weil in Zukunft mehr denn je umgestiegen werden muss, sind passende Anschlüsse die wichtige Bedingung, nach der sich die Akzeptanz für das neue Nahverkehrsnetz entscheidet.
Das sieht auch Axel Hercher, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, so: „Wir haben einen groben Entwurfsplan für die Linienführung der Busse. Das Problem aber stellt sich bei den Bustaktzeiten an den Wochenenden und Feiertagen. Und es gibt weiterhin die Frage, ob einzelne Linien zu bestimmten Zeiten an Werktagen stärker verdichtet werden müssen.“
CDU bittet um Vertrauen in Ruhrbahn und Verwaltung
Zudem habe die Koalition zwar verschiedene Verbesserungen eingereicht, doch aus dem Entwurf gehe nicht hervor, ob diese alle eingearbeitet seien. Ein Liniensteckbrief enthielte diese Anpassungen und „wäre hilfreich für den Beschluss gewesen“, formuliert es Hercher mit Bedacht. Bis zur Entscheidung im Rat gäbe es noch einigen Klärungsbedarf. Zur Absicherung bereiten Schwarz-Grün gerade einen Leitantrag vor.
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„Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals in Mülheim eine derart umfassende Veränderung im Nahverkehr hatten“, überlegt Siegfried Rauhut. „Natürlich hätten wir gerne die Liniensteckbriefe gehabt“, räumt er ein, sieht am Ende aber das Problem, dass man diese wegen der verschiedenen Nachjustierungen in den vergangenen Monaten wohl immer wieder überarbeitet hätte.
Stattdessen habe man im Entwurf die Planungsgrundsätze mit Taktung und Anschlusssicherung für den neuen Nahverkehr festgelegt, die umzusetzen sind. Der verkehrspolitische Sprecher der mit den Grünen koalierenden CDU wirbt daher für einen Vertrauensvorschuss nicht nur für die Politik, sondern auch für die Ruhrbahn: „Am Ende steht ein Nahverkehrsnetz, das vernünftig ist.“
Verkehrsdezernent: Wir werkeln bis zuletzt am Nahverkehrsplan
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Auch aus Sicht der Verwaltung hätte es für konkrete Steckbriefe bislang keine wirklich geeigneten Zeitpunkte gegeben: „Wir werkeln bis zuletzt am Netz“, versichert Verkehrsdezernent Felix Blasch. Noch im kommenden Mobilitätsausschuss – 14 Tage vor dem finalen Ratsbeschluss – laufen immer noch wesentliche Änderungsvorschläge der SPD und MBI ein. „Ins Detail zu gehen, macht deshalb erst nach einem Beschluss wirklich Sinn“, argumentiert Blasch. Die Verwaltung werde aber genau darauf achten, dass das Umsteigen funktioniere.
Doch bekommen Verwaltung und Ruhrbahn damit einen Blankoscheck? Schließlich hängt an der Frage, ob die Anschlüsse passen, ebenso jene Verpflichtung, die geforderten Einsparungen von zwei Millionen Euro auch zu erreichen. Müsste man am Ende kräftig nachsteuern, würde es für Mülheim auch teurer werden. Denn schnellere Taktung hieße logischerweise mehr Fahrten pro Stunde und damit höhere Kosten.
Opposition hat Zweifel an Einsparungen: Nicht mehr als begründete Mutmaßung
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Für Daniel Mühlenfeld, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, sind die errechneten Einsparungseffekte ohnehin nicht mehr als graue Theorie oder allenfalls „begründete Mutmaßungen. Es muss sich doch nur an einer Stelle etwas ändern – zum Beispiel bei den Fahrgastverlusten, die mit nur einem Prozent prognostiziert sind –, schon stimmt die Gleichung nicht mehr“, gibt er zu bedenken.
Der Entwurf – so auch das Umsteigen – müsse sich also anschließend an der Praxis messen lassen: Bei einem Bus, der regelmäßig im Mülheimer Berufsverkehr hängenbliebe, müsse natürlich nachgebessert werden – „deshalb hat die SPD auch eine Präferenz für die Schiene, die eine eigene Spur und eine eigene Ampelschaltung hat“.
Spielen die Liniensteckbriefe also keine Rolle? Doch, meint Mühlenfeld, man gehe davon aus, dass zumindest die darin gegebenen Informationen der Politik bis zur Ratssitzung vorliegen werden. Zwar dränge die SPD-Fraktion grundsätzlich auf eine Verabschiedung des neuen Nahverkehrsplans durch den Ratsbeschluss im Dezember – „wenn man länger wartet, wird die Sache nicht unbedingt besser“ – aber zustimmen will man nicht „mit verbundenen Augen“, sagt Mühlenfeld. Liegen die Informationen nicht vor, werde man über eine Zustimmung im Rat neu nachdenken.