Mülheim. Erstmals stellte die Stadt ihre Vision für das neue Bus- und Bahnliniennetz den Mülheimer Bürgern vor. Was gut ankam – und was weniger gut.
Wie kommen Schüler aus Selbeck künftig zur Schule nach Holthausen? Wird der Kahlenberg-Ast gekappt? Welchen Bedarf deckt der neue Nahverkehrsplan überhaupt ab? Am Donnerstagabend stellte die Stadt den Entwurf eines künftigen Bus- und Bahnverkehrs vor. Rund 90 Menschen verfolgten das auf Youtube und hatten einige Fragen anzumerken.
Äußern konnten sich die Bürgerstimmen allerdings nur per Chat, denn als Präsenzveranstaltung war die öffentliche Beteiligung unter Corona nicht zu machen. Dennoch haben nicht nur sie weiterhin die Möglichkeit, ihre Ideen und Kritik gegenüber der Stadt zu äußern (per E-Mail: nvp@muelheim-ruhr.de). Auch können alle, die den Live-Stream verpasst haben, weiterhin die komplette Vorstellung des Plans auf Youtube anzuschauen. Ein sinnvoller Service der Stadt, für den es am Ende viel Lob gab.
Neuer Nahverkehrsplan in Mülheim ist ein Spagat
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Denn die Materie ist hartes Brot – und das nicht nur, weil es gilt, zwei Millionen Euro pro Jahr in einem 63 Millionen Euro teuren (Mülheim zahlt davon 34 Mio.) und dennoch offenbar wenig attraktiven Angebot einzusparen. Sondern auch, weil die Stadt hier einen mutigen Neuentwurf plant, der Gewohnheiten auf den Kopf stellt.
Stephan Krug von der mit der Neuplanung beauftragten Ingenieurgruppe IVV nahm das gleich vorweg: „Wir machen den Spagat, einzusparen und gleichzeitig den kurzen Weg zur Haltestelle möglichst zu verbessern und den Anteil der Nutzenden zu erhöhen.“
Doch wie kommt der Entwurf an? Erleichterung zeigte sich bei Selbecker Eltern, weil die Stadt ankündigte, dass der Schulbusverkehr nicht Teil der Einsparungen ist. Doch auch dieser werde am Ende unter Beteiligung der Schulen und Schüler überarbeitet. Jansen: „Wir werden einen bedarfsgerechteren Nahverkehr bekommen.“ Dort, wo mehr Bedarf sei, werde man auch mehr fahren, dort wo er geringer sei, weniger oder nur „on demand“ – also etwa mit Bus-Taxen auf Bestellung.
Wie „bedarfsgerecht“ ist das neue Angebot?
Doch woran misst sich „bedarfsgerecht“? Manche aktuellen Linien transportierten nur „heiße Luft“ mit weniger als zehn Prozent Auslastung, legte Krug dar. Liegen die Ursachen aber im „Bedarf“? „Wenn eine Buslinie nur alle 60 bis120 Minuten fährt, ist es kein Wunder, dass sie wenig genutzt wird“, merkte eine Zuschauerin an.
Der Takt werde am Ende den Erfolg des neuen Entwurfs bestimmen, das räumte Krug ein: Damit seien „Risiken drin, die die Wirtschaftlichkeit beeinflussen können“. Jansen aber betonte, es sei der Grundgedanke, dass die Linien „ohne große Wartezeiten“ vertaktet werden und das Umsteigen barrierefrei und ohne lange Wege funktioniere.
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Dass die Stadt keine Bedarfe bei den Bürgern abgefragt habe, sondern nur Auslastungen geprüft, wies Jansen zurück: „Die Analyse ging weit darüber hinaus. Wir kennen die Bedarfe aus Haushaltsbefragungen und Strukturdaten der Stadt. Wir kennen die Mobilitätsgründe und das Mobilitätsverhalten.“ Man habe zudem versucht, Wünschen der Bürger nachzukommen. Jansen führte eine Anbindung von Saarn nach Mintard und Kettwig als Beispiel an. Auch die Anbindungen an den Steinknappen und den Schneisberg waren vorher nicht da. „Wir haben versucht, eine bessere ÖPNV-Erschließung hinbekommen als heute.“
Im Raum aber steht nach wie vor die Kappung der 104 vor dem Kahlenberg-Ast. Die Schiene soll an der Haltestelle Wertgasse enden und mit Bussen weitergeführt werden. Mancher schien damit nicht einverstanden und fragte: „Ist das jetzt besiegelt?“