Mülheim. Mülheimer Firmen ringen mit steigenden Energiekosten, die sich teils verzehnfacht haben. Manches Unternehmen hat die Produktion schon gedrosselt.

Die Preisexplosion bei Gas, Strom und Material macht Unternehmen zu schaffen. Die Energiekrise ist längst bei Mülheimer Firmen angekommen, die für die Produktion und Prozesse in ihren Betrieben viel Energie brauchen. Was passiert, wenn es zur Versorgungsmangellage kommt? Stehen dann Teile der Wirtschaft still?

Deutlich bekommt die Friedrich-Wilhelms-Hütte bereits die Auswirkungen der Energiekrise zu spüren. Mit Blick auf die enorm gestiegenen Energiepreise bilanziert Nicolas Neumann, Geschäftsführer der FWH Stahlguss GmbH, deren Produktion enorm energieintensiv ist: „Im August hatten wir den absoluten Höhepunkt erreicht. Vergleichen wir den August 2021 mit dem August 2022, so haben wir dieses Jahres die zehnfachen Energiekosten, die damit gut ein Drittel unseres Umsatzes ausmachen.“

Energiekosten: Mülheimer Friedrich-Wilhelms-Hütte muss Produktion zeitweise drosseln

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Auch die Produktionsmenge der FWH, die hochfeste sowie hochlegierte Stähle produziert, ist angesichts der explodierten Energiepreise bereits beeinträchtigt: „Ob wir weiter produzieren können, hängt in erster Linie von der Bereitschaft unserer Kunden ab, die exorbitant gestiegenen Energiekosten mitzutragen“, schildert Neumann. In der Konsequenz führe die aktuelle Energiekostensituation dazu, dass die Hütte die Produktion trotz voller Auftragsbücher zeitweise drosseln muss. „Zurzeit haben wir etwa 20 Prozent der möglichen Kapazität nicht ausgeschöpft“, so der Geschäftsführer. Nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine hatte das Mülheimer Traditionsunternehmen Aufträge aus der Rüstungsindustrie akquirieren können und stellt unter anderem Teile für Schützenpanzer her.

Nicolas Neumann, Geschäftsführer der FWH Stahlguss GmbH in Mülheim.
Nicolas Neumann, Geschäftsführer der FWH Stahlguss GmbH in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Schwierigkeiten sieht die Geschäftsführung der FWH aktuell auch darin, einen Vertrag zur Energieversorgung zu erhalten. „Mittlerweile bekommen wir kaum noch Angebote von Energieversorgern“, stellt Nicolas Neumann fest und führt aus: „Nach intensiver Suche haben wir schlussendlich einen Versorger auch für das kommende Jahr finden können. Langfristangebote mit Festpreisen sind allerdings so gut wie nicht mehr zu bekommen. Die Risikoaufschläge der Energieanbieter bewegen sich teilweise bei dem Fünfzigfachen im Vergleich zum Geschäftsjahr 2021.“

Zudem würden von den Unternehmen Ausfallsicherheiten gefordert, die für mittelständische Unternehmen finanziell nicht zu stemmen seien, so der FWH-Chef. „Faktisch bleibt uns als Unternehmen damit nur noch die Energieversorgung am Spotmarkt mit seinen ungewissen Preisentwicklungen übrig. Damit sind Planbarkeit und Preisstabilität eine der größten Herausforderungen im Wettbewerb und gegenüber unseren Bestandskunden.“ Der Spotmarkt ist eine Art Börse, an der kurzfristig lieferbarer Strom gehandelt wird – zu stark schwankenden Preisen.

FWH-Geschäftsführer in Mülheim fordert Deckelung des Gaspreises auf Maximalwert

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Vor diesem Hintergrund fordert Neumann eine Deckelung des Gaspreises auf einen Maximalwert: „Das gibt uns die Chance, mit unseren Kunden eine gewisse Planbarkeit, besonders bei der Preisfindung, wiederherzustellen.“ Nötig wäre zudem rasche Hilfe für die Betriebe, denn bislang lasse monetäre Unterstützung auf sich warten: „Aus dem ersten Hilfspaket mit dem Energiekostendämpfungsprogramm, das auch nur Bruchteile der Energiekostensteigerung seit Jahresbeginn abdeckt, sind bis heute noch keine Zahlungseingänge bei uns verbucht worden.“

Praktikabler als eine direkte finanzielle Hilfe wäre es nach Ansicht der FWH-Geschäftsführung, eine indirekte Hilfe für die Unternehmen über staatliche Bürgschaften anzubieten. „Damit hätten mittelständische Unternehmen wie wir wieder die Möglichkeit, langfristige Energieversorgungsverträge abzuschließen und damit eine deutliche höhere Planungssicherheit zu erreichen“, erklärt Neumann.

Mannesmann Grobblech in Mülheim setzt auf energieeffiziente Produktion

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Planungssicherheit ist auch bei einer weiteren Mülheimer Stahlgröße mit energieintensiver Produktion, der Salzgitter-Tochter Mannesmann Grobblech (MGB) GmbH, das Gebot der Stunde. Mit Blick auf den Vertrag zur Energieversorgung macht ein Konzernpressesprecher deutlich: „MGB arbeitet auf der Beschaffungsseite möglichst mit lang- und mittelfristigen Vertragsgestaltungen.“ Da die Energiepreise in Deutschland schon immer vergleichsweise hoch gewesen seien, setze man bei MGB mit Blechwalz- und Rohrbiegewerk auf eine energieeffiziente Produktion, so der Sprecher.

Mit Blick auf einen möglichen Produktionsstopp oder die Verringerung der Produktion heißt es von dem Unternehmen mit Sitz an der Sandstraße: „Wir passen die Produktion situationsgerecht an.“ Konkreter will man bei Mannesmann Grobblech nicht werden – auch aus Wettbewerbsgründen.

Entsorgungsbetrieb Harmuth: Alle zehn Tage ein Verbrauch von 100.000 Litern Diesel

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Ein Energieträger der anderen Art, der sich in den vergangenen Wochen auch stetig verteuert hat, ist Sprit. Das schlägt bei Harmuth Entsorgung ins Kontor: 55 Lkw, die mit Diesel laufen, sind für die Recycling-Firma im Ruhrgebiet unterwegs. „Wir haben alle zehn Tage einen Verbrauch von 100.000 Litern Diesel“, hat Geschäftsführer Klaus-Jürgen Oehlandt ausgerechnet. „Wenn wir da Preise jenseits der zwei Euro pro Liter zahlen müssen, können wir diese Erhöhung nicht eins zu eins an die Kunden weitergeben.“ Stattdessen behilft sich das Unternehmen derzeit mit einem Diesel-Zuschlag von zehn Euro pro Tour – ein Tropfen auf den heißen Stein. Aktuell sei die Erprobung elektrischer Lkw angedacht, schildert Oehlandt. „Da sind wir im Gespräch mit DAF und Volvo, die uns eventuell in ein Pilotprojekt aufnehmen wollen, um die Alltagstauglichkeit der derzeitigen Elektro-Lkw zu testen.“

Harmuth Entsorgung betreibt an den beiden Firmenstandorten an der Geitlingstraße in Mülheim und Essen Entsorgung und Recycling. Die immens gestiegenen Dieselkosten machen dem Unternehmen, das eine Lkw-Flotte mit 55 Fahrzeugen betreibt, derzeit zu schaffen.
Harmuth Entsorgung betreibt an den beiden Firmenstandorten an der Geitlingstraße in Mülheim und Essen Entsorgung und Recycling. Die immens gestiegenen Dieselkosten machen dem Unternehmen, das eine Lkw-Flotte mit 55 Fahrzeugen betreibt, derzeit zu schaffen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

In den übrigen Bereichen sieht sich Harmuth Entsorgung an seinen Firmenstandorten in Mülheim und Essen energetisch gut aufgestellt. „Das Verwaltungsgebäude hat schon eine Wärmepumpe und eine Photovoltaik-Anlage. Im Sommer haben wir angefangen, eine Photovoltaik-Anlage auf einer unserer Hallen zu installieren – damit könnten wir unseren betrieblichen Strombedarf zu 60 bis 70 Prozent abdecken, wenn endlich auch der Schaltschrank geliefert würde“, schildert Oehlandt einen Verzug durch unterbrochene Lieferketten.

Chef des Recyclingbetriebs fordert angesichts der Energiekrise Steuersenkungen

Auch für den Standort an der Geitlingstraße in Mülheim werde geprüft, ob dort eine Photovoltaik-Anlage installiert werden kann, kündigt der Harmuth-Chef an: „Jeder Strombedarf, der so gedeckt werden kann, ist erheblich kostengünstiger, um die enormen Mehrkosten, die wir auf der Seite der fossilen Brennstoffe haben, ausgleichen zu können.“

Klaus-Jürgen Oehlandt, der in den Harmuth-Niederlassungen in Mülheim und Essen rund 160 Mitarbeitende unter sich hat, fordert angesichts der Krise, Verwaltungshürden in dieser Zeit herunterzusetzen und auch die Steuern zu senken, mit denen Energieträger belegt sind: „Da helfen keine drei Monate, eine Steuersenkung müsste für ein bis zwei Jahren her.“ Wie die Zukunft aussieht, vermag der Harmuth-Geschäftsführer nicht einzuschätzen, sagt aber: „Ich bin 45 Jahre im Job – aber solch unsichere Zeiten habe noch nicht erlebt.“