Mülheim. Mutter und Lehrerin aus Mülheim erlebt an zwei Fronten gleichzeitig, wie schwierig es ist, trotz Corona alle Schulen und Kitas offen zu halten.

Mantramäßig wiederholen Politiker zurzeit, dass Schulen und Kitas trotz der Gefahren durch Corona offen bleiben sollen. Wie schwierig das im Alltag sein kann und wie fragil das ganze System ist, erfährt die Mülheimerin Michelle Radeck fast täglich. Zum einen als Lehrerin einer Gesamtschule in Dinslaken, zum anderen als Mutter vierjähriger Zwillinge, die eine Kita in Mülheim besuchen.

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Zehn ihrer Kollegen und mehrere Klassen sind in Quarantäne; der Schulalltag lasse sich kaum noch aufrechterhalten, erzählt Radeck. „Ich weiß wirklich nicht, wie wir das über die nächsten Wochen retten wollen.“ Überall versuche man, Löcher zu stopfen, Kollegen arbeiteten weit über festgelegte Arbeitszeiten hinaus. „Aber es braucht nur noch zwei, drei positive Tests und dann kriegen wir das gar nicht mehr hin.“

Erzieherinnen dürfen nicht mehr von Gruppe zu Gruppe wechseln

Auch privat entkommt die 34-Jährige dem leidigen Thema Corona nicht. Die Betreuung von Alexa und Leonard entwickelte sich jüngst zu einer wackeligen Angelegenheit: Am vergangenen Freitag erfuhren die Eltern der Kita Wirbelwind, dass zwei von sechs Gruppen geschlossen werden müssen. Grund sei eine Vorschrift, wonach Erzieherinnen wegen der Infektionsgefahr nicht mehr von Gruppe zu Gruppe wechseln dürfen, sich also auch im Notfall nicht vertreten können.

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Für die Einheit ihrer Tochter mit rund zwei Dutzend Jungen und Mädchen gab es mit einem Mal nicht mehr genug Personal. Und auch in der Gruppe ihres Bruders konnte die Vierjährige nicht unterkommen, eine Vermischung der Kinder war untersagt. „Dabei teilen sich die Zwillinge zu Hause sogar das Zimmer.“ Von jetzt auf gleich stand Alexa also gewissermaßen auf der Straße. Ein Schock für die voll berufstätigen Eltern und andere betroffene Familien: „Unsere Verzweiflung und unser Unverständnis waren groß.“

Betreuung durch Großeltern ist derzeit zu riskant

Michelle Radeck musste ihrer ohnehin arg gebeutelten Schulleitung mitteilen, dass sie ab Montag ausfällt. „Und das, obwohl weder ich noch meine Kinder krank sind.“ Betreuungsalternativen wie Großeltern aber seien derzeit zu riskant und andere Möglichkeiten hatte die Mutter nicht. Ihr Mann arbeitet zwar im Homeoffice, könne die Betreuung neben Videokonferenzen und Co. aber nicht leisten. In ihrer Not griff sie zum Hörer, sprach mit Jugendamt und Kitaleitung. Das Verständnis war da – „obwohl es gleich hieß, die Corona-Zahlen müssten nun mal runtergehen“ –, und so suchten alle nach einer Lösung. In Absprache mit der Stadt wurden die Kita-Gruppen letztlich doch neu gemischt. 14 Jungen und Mädchen wurden umverteilt. Geschwisterkinder werden nun gemeinsam betreut, ebenso Kinder, deren Eltern beide arbeiten.

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Diese Regelung hat zu Erleichterung geführt, doch auch zu neuer Unruhe: Einige Jungen und Mädchen nämlich, die nur ein berufstätiges Elternteil haben, wurden nach Hause geschickt. „Das wiederum fanden deren Eltern natürlich sehr schade“, sagt Radeck. Doch insgesamt hätten sie und ihre Kollegen aus dem Elternrat „viel Verständnis erfahren“. Und auch die Kitaleitung sei erleichtert. Zwischenzeitlich hätten dieser von eigentlich 16 Erzieherinnen gerade noch fünf zur Verfügung gestanden.

Mutter spricht von einem „glimpflichen Ausgang“ der Sache

Ab Dienstagmorgen konnte die Mathematik- und Techniklehrerin wieder nach Dinslaken zu ihrer Arbeitsstätte fahren. Sie spricht von einem „glimpflichen Ausgang“ der Sache. Und doch macht sich die 34-Jährige weitergehende Sorgen. An ihrer Schule ist aktuell der komplette zwölfte Jahrgang in Quarantäne, dazu zwei fünfte Klassen, eine siebte und eine achte Klasse.

Es sei ja „schön, dass die Politik beschließt, es bleibt alles offen“, aber dann müsse man auch Lösungen finden, wie das zu bewerkstelligen sei. „So wie jetzt kann es jedenfalls nicht weiterlaufen“, sagt Michelle Radeck, Mutter und Lehrerin im Corona-Jahr 2020.