Mülheim. Emin und Talip Akdaş wollen eine Marktlücke füllen: Wer für kurze Zeit eine kleine, möblierte Wohnung anmieten möchte, wird in Mülheim fündig.
Eine riesige, knallgrüne Fassade in der Mülheimer Innenstadt macht neugierig: Was steckt hinter dem Schriftzug „The Palm“? Was hat es auf sich mit den groß angekündigten „Studio Apartments“? Wer nachfragt, bekommt bereitwillig Antwort von Emin und Talip Akdaş. Es ist ein Projekt, das es in dieser Größenordnung so noch nicht gibt in der Stadt an der Ruhr: Menschen, die für kurze oder längere Zeit eine kleine möblierte Wohnung anmieten möchten, werden ab Juni an der Leineweberstraße fündig.
25 Mikrowohnungen sind in den vergangenen Monaten im Haus Nummer 65 entstanden. Die Geschwister haben das Objekt Ende 2021 gekauft und eine Idee umgesetzt, die viel mit ihren eigenen Lebenswegen zu tun hat: Emin Akdaş (29) arbeitet lange schon als Immobilienkaufmann und weiß, dass sich Pendler, Studenten oder andere Kurzzeitbewohner schwertun, unkompliziert Wohnraum an einem neuen Ort zu finden. „Die Nachfrage wächst seit Jahren.“ Sein Bruder Talip (27), ein Fahrzeugtechnik-Ingenieur, hat das Problem mehrfach am eigenen Leib erfahren. Im Studium musste er viel Energie aufwenden, um überhaupt irgendwo unterzukommen.
Freude aufs Praktikum wurde getrübt, „weil die Wohnungssuche so frustrierend war“
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Da war zum Beispiel die Zeit bei Porsche in Stuttgart. Die Freude aufs siebenmonatige Praktikum wurde getrübt, „weil die Wohnungssuche so frustrierend war“, erzählt er. Mehrere Dutzend Bewerbungen habe er geschrieben und erst vier Tage vor Arbeitsbeginn eine Zusage bekommen. Doch der Stress war damit noch nicht zu Ende: „Ich musste selbst möblieren, ich musste selbst den Internetvertrag abschließen ...“
Dass es auch anders gehen kann, Mieter flexibel aufgenommen und mit einem Gesamtpaket versorgt werden können, erlebte Talip Akdaş einige Zeit später im Masterstudium in der amerikanischen Metropole Los Angeles. „Die Fluktuation in der Stadt ist hoch, da kommen auch viele Menschen mit Hollywoodträumen hin.“ Der Markt sei darauf deutlich besser vorbereitet als der in Deutschland. „Es gibt viel mehr Konzepte für problemloses kurz- und mittelfristiges Wohnen.“
Brüder sind überzeugt: Auch in Mülheim gibt es einen Markt für ihre Idee
Zurück in Deutschland wuchs aus der Idee, Ähnliches vor Ort aufzubauen, ein handfester Plan. Die Brüder setzten sich zusammen, diskutierten – „ich eher von der emotionalen Seite, mein Bruder sachlicher“, so Talip – und waren sich bald sicher: Auch in Mülheim gibt es ausreichend Nachfrage für Domizile, die nicht gleich auf Lebenszeit bewohnt werden sollen.
Das ehemalige Hotel an der Ecke Leineweberstraße/Viktoriastraße erschien ihnen als geeignetes Objekt. Lange Jahre standen die oberen Etagen leer, erzählen die Geschwister, die gemeinsam die Gesellschaft „Emta Properties“ betreiben und auch Eigentümer der Nachbarhäuser 67 und 69 sind. Nur im ersten und zweiten Geschoss, über dem verwaisten Restaurant, praktizierten damals Ärzte und tun das auch heute noch.
Zimmer haben hellgrauen Vinylboden in Parkettoptik, weiße Wände und Holzmöbel
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Mittlerweile wurden die dritte, die fünfte und die sechste Etage ausgebaut: Wände wurden eingerissen, neue gesetzt, kleine Wohneinheiten geformt, hellgrauer Vinylboden in Parkettoptik verlegt, die Einheiten weiß gestrichen und mit weißen Holzmöbeln versehen. Nun steht noch die Grundreinigung der 600 Quadratmeter Wohnfläche aus, dann können die ersten Mieter kommen.
Zwischen 299 und 699 Euro werden sie im Monat zahlen. Das kleinste zur Verfügung stehende Zimmer misst 13 Quadratmeter; ein Bett, ein Schrank, ein Schreibtisch mit Stuhl und ein Badezimmer mit Nasszelle, Waschbecken und Toilette finden Platz darin. Die nächsthöhere Kategorie bietet zudem eine Küchenzeile mit Ceranfeld, Mikrowelle, Kühlschrank und Spüle. Im „Premiumzimmer“ ist die Fläche größer, die Ausstattung aber dieselbe. Das „Premium plus“ mit rund 30 Quadratmetern ist das größte. Es verfügt über eine extra Essecke und kann durchaus zwei Menschen beherbergen. „Die Betten können je nach Bedarf nebeneinander stehen oder auseinandergezogen werden“, so Talip Akdaş.
Man werde auf die Lebenssituation eines jeden Mieters eingehen, versprechen die Brüder
Brüder beobachten die Entwicklung der Mülheimer City genau
Für den Namen „The Palm“ – zu deutsch „Die Palme“ – haben sich die Geschwister entschieden, „weil das frisch, sommerlich, kalifornisch klingt“, so Emin Akdaş. „Wir wollten etwas Poppiges in die Innenstadt bringen.“ Wie sich die Mülheimer City entwickelt, beobachten die Brüder genau und freuen sich über jede Neueröffnung, die eine Belebung verspricht.
Emin Akdaş lebt in Düsseldorf, sein Bruder aber hat sich vor einiger Zeit bewusst für Mülheim entschieden: „Ich bin überzeugt von der Stadt, pendle seit zwei Jahren zu meiner Arbeitsstelle bei Köln.“ An der Ruhr sei es „megaschön“.
Wer sich näher über das Projekt informieren möchte, kann den Geschwistern bei Instagram folgen unter „thepalm_mh“. Bald soll es auch eine Homepage geben.
„Verschlanktes Wohnen“ ist ein Begriff, der beim Rundgang durch die Immobilie fällt, und immer wieder das Wort „Flexibilität“. Das Besondere an den Mikrowohnungen sei, dass die Mieter ein- und ausziehen können, ganz so, wie sie es brauchen. Es sei alles vorhanden, was zur Grundausstattung gehört. Ein paar persönliche Gegenstände mitbringen, fertig sei die Sache. „Man ist beim Mietvertrag auch nicht an den Monat gebunden, kann genau festlegen, an welchem Tag man ein- oder ausziehen möchte.“ Man werde gezielt auf die Lebenssituation eines jeden Mieters eingehen, versprechen die Brüder. Im Festpreis inbegriffen seien Internetanschluss, Strom, Wasser, Hausmeisterservice, Treppenreinigung. „Ein Risiko auf Nachzahlung gibt es nicht.“
Emin und Talip Akdaş nennen ihr Projekt, für das sie „eine siebenstellige Summe“ investiert haben, „ein Bindeglied zwischen Hotel und langfristigem Wohnen“. Interessenten könnten auch von der Hochschule Ruhr West kommen oder der Uni Duisburg-Essen. „Straßenbahn und Bahnhof sind ja direkt vor der Tür.“ Und nicht jeder finde direkt einen Platz im Studentenwohnheim.
Das Projekt ist längst noch nicht abgeschlossen, weitere Wohnungen sind angedacht
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Ihr Projekt sei übrigens längst noch nicht abgeschlossen. So wolle man in den kommenden Wochen auch die vierte Etage ausbauen, aber zunächst herausfinden, wer das Angebot überhaupt annimmt und welche besonderen Bedürfnisse die Mieter vielleicht haben. Sechs bis sieben weitere Zimmer seien denkbar, daneben ein Gemeinschaftsraum. Ingenieur Talip Akdaş denkt auch über eine Solaranlage auf dem Dach nach. „Unsere Vision ist es, energieautark zu werden.“
Auch das Restaurant im Erdgeschoss, an dem sich in den vergangenen Jahren schon viele versucht haben, soll bis Jahresende wiederbelebt werden – mit einem Konzept, von dem sich die „The Palm“-Bewohner angesprochen fühlen. „Die Küche muss zu unseren Mietern passen“, sagt Emin Akdaş.