Mülheim. Paukenschlag in Mülheims Bezirksvertretung 3: Zwei CDU-Bezirkspolitiker stemmen sich gegen die Parkstadt-Pläne für das alte Tengelmann-Areal.

Die Bezirksvertretung 3 erlebte eine bemerkenswerte Debatte zu den Plänen, auf dem ehemaligen Tengelmann-Areal in Speldorf ein neues Stadtquartier namens „Parkstadt“ mit bis zu 800 Wohnungen zu bauen. Zwei CDU-Ortspolitiker rebellierten gegen die Pläne. Scharfe Kritik gab es auch aus Reihen der SPD und der Satirepartei „Die Partei“.

Der Politik liegt eine vom Planungsamt nach Abstimmungen mit der Investorenseite ausgearbeitete Vorlage zur Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens zur „Parkstadt“ vor, mit dem am Ende festgelegt sein soll, was und in welcher Dimension auf dem alten Tengelmann-Areal gebaut werden darf. Der städtebauliche Siegerentwurf des Wiener Büros Vlay Streeruwitz hatte ein Bauvolumen von bis zu 800 Wohnungen skizziert, dazu Hochhäuser mit einer Höhe von bis zu 50 Metern (mehr als 15 Stockwerke) und eine 100 Meter breite Grünachse durchs Quartier samt 6000 Quadratmeter großem See zwischen Alt- und Neubauten.

Parkstadt Mülheim: CDU-Politiker präsentiert lange Kritik-Liste

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Mit einer langen Liste an Fragen und kritischen Anmerkungen konterte nun CDU-Ortspolitiker Peter Jansen dem ersten groben Entwurf für einen Bebauungsplan, den Isabel Stimming als Abteilungsleiterin des Stadtplanungsamtes in der BV präsentierte. Jansen redete dabei vehement gegen die Wucht der geplanten Bebauung. Hochhäuser seien abzulehnen. Die maximale Bauhöhe solle sich an dem gewachsenen Gebäudeensemble der alten Tengelmann-Zentrale orientieren, „vielleicht ein bisschen mehr“ an Höhe sei noch zu ertragen, so der CDU-Mann.

Bekanntlich soll die Parkstadt nahezu autofrei gehalten werden; dafür sollen unter anderem in beträchtlichem Umfang Tiefgaragen entstehen. Jansen sieht das kritisch und verweist auf einen Umweltbericht, der die Feststellung treffe, dass Tiefgründungen aufgrund des Grundwasserstandes zu vermeiden seien. Jansen bemängelte auch, dass im parallel laufenden Verfahren zur Änderung des Regionalen Flächennutzungsplans keine Sicherung von drei Hektar Grünfläche mehr vorgesehen sei.

Wird die Polizeiwache in Mülheim-Speldorf Bestand haben?

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Der CDU-Politiker beklagte allerlei Details in der Vorlage. Etwa vermisst er eine Aussage dazu, ob die Polizeiwache Bestandsschutz hat, ebenso das Gefallenendenkmal an der ehemaligen Einfahrt zum Schlachthof. Auch fehle bis dato, wo doch studentisches Wohnen in Aussicht gestellt sei, eine Festlegung auch auf Miethöchstgrenzen. So etwas wäre wohl später in einem städtebaulichen Vertrag zwischen Stadt und Investor festzuzurren. Doch, fragt Jansen mit Blick auf Untergesellschaften, die Investor Soravia für das Dekaden-Projekt gegründet hat: Wer eigentlich werde hier Vertragspartner sein? Und welche Kosten der Quartierentwicklung kämen auf die Stadt zu?

Der Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs zur „Parkstadt Mülheim“ auf dem ehemaligen Tengelmann-Areal von „Studio Vlay Streeruwitz“ und „Plan Sinn“.
Der Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs zur „Parkstadt Mülheim“ auf dem ehemaligen Tengelmann-Areal von „Studio Vlay Streeruwitz“ und „Plan Sinn“. © Studio Vlay Streeruwitz / Plan Sinn

Jansen, der dem CDU-Ortsverband Broich angehört und zwei Straßen entfernt vom Baugebiet an der Kirchstraße zu Hause ist, sieht in der Festlegung im Bebauungsplanentwurf, dass in der Parkstadt auch Einzelhandel Platz finden soll, einen Widerspruch zum Masterplan Einzelhandel, der eben auch einen Handelskern für Speldorf an der Duisburger Straße sichern soll. Noch ein Kritikpunkt Jansens: Zwar sei eine dreigruppige Kita für die Parkstadt skizziert. Das werde aber bei Weitem nicht ausreichen, entstünden tatsächlich 800 Wohnungen. Insgesamt müsse man sich mal vor Augen führen, dass die Parkstadt eine Dimension annehme, bei der auf engem Raum so viele Menschen wohnen würden, dass sie ein Achtel der aktuellen Bevölkerung Speldorfs ausmachten.

Bezirksbürgermeisterin lässt öffentliche Debatte nicht aufkommen

Sichtlich nicht angetan von Jansens zahlreichen Einwürfen und darauf hinweisend, dass viele Festlegungen im Laufe des Bebauungsplanverfahrens mit zweifacher Öffentlichkeitsbeteiligung noch zu treffen seien, würgte Bezirksbürgermeisterin Elke Oesterwind, selbst aus der CDU, eine öffentliche Debatte dazu ab. Sie ließ Isabell Stimming keine Gelegenheit zur Stellungnahme schon in der Ausschusssitzung und forderte stattdessen ein, die Verwaltung möge im Nachgang für das Protokoll schriftlich Stellung beziehen.

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Jansen stimmte dennoch für den Start des Bebauungsplanverfahrens. Doch seine zwei Fraktionskollegen Hartmut Meyer und Lothar Schwarze aus Speldorf, der unmittelbar in Nachbarschaft zum Parkstadt-Gelände an der Ulmenallee wohnt, lehnten es ab, auf Basis des Entwurfs überhaupt in die Debatte um einen Bebauungsplan einzusteigen. Auch Reinhold Leuschner (Linke) verweigerte die Zustimmung und enthielt sich. Am 17. Mai entscheidet der Planungsausschuss dazu.

Kritik: Entwurf ohne ein Wort zum sozialen Wohnungsbau

Kritik kam darüber hinaus aus Reihen der SPD und von Roland Oder (Die Partei). Sebastian Kirsch (SPD) äußerte sein Unbehagen darüber, dass sich im Entwurf der Verwaltung nichts findet zu einer Quote für den sozialen Wohnungsbau.

Präsentierten im Oktober 2021 den Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs für die „Parkstadt Mülheim“: (v. l.) OB Marc Buchholz, Architekt Bernd Vlay und Projektentwickler Erwin Soravia.
Präsentierten im Oktober 2021 den Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs für die „Parkstadt Mülheim“: (v. l.) OB Marc Buchholz, Architekt Bernd Vlay und Projektentwickler Erwin Soravia. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Auf seine Nachfrage hin sagte Stadtplanerin Stimming, eine solche Regelung könne durchaus später in einem städtebaulichen Vertrag mit Soravia Niederschlag finden, doch sei dies bis jetzt, „soweit ich weiß“, kein Thema in Gesprächen zwischen Verwaltung und Investor gewesen. Die gleichlautende Antwort bekam auch Bezirksvertreter Oder, der spitz bemerkte, dass im Entwurf zwar „in jedem zweiten Satz der See Thema ist, aber über den sozialen Wohnungsbau kein einziges Wort zu finden ist“. Das stimme ihn nachdenklich.

Fünf Phasen zur Realisierung geplant

Die „Parkstadt“ soll innerhalb eines Jahrzehnts entstehen. Fünf Bauphasen sind aktuell vorgesehen. Begonnen hat Investor Soravia bereits damit, den Altbaubestand zu modernisieren. Erste Mieter sind eingezogen.

Danach soll als erste Neubaufläche der Südwesten des Areals (der „Zaubergarten“) angegangen werden. An dessen Rand ist eine Kita geplant. In Phase 3 soll das alte Sportplatzgelände mit Optionsfläche für eine weiterführende Schule in Angriff genommen werden.

Phase 4 sieht vor, den Park im Nordosten umzugestalten und auch dort neu zu bauen. Als letzter Bauabschnitt wird das „Jokerfeld“ inmitten des Areals benannt, wo die Hochhäuser angedacht sind.