Mülheim. Die Stadt Mülheim baut ihre Kapazität zur Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine aus. Der Krisenstab legte jetzt das Vorgehen fest.

Das Land NRW ist im Zuge der Flüchtlingswelle aus der Ukraine in die geordnete Zuweisung von geflüchteten Menschen in die Städte und Gemeinden eingestiegen. In Mülheim werden am Montag oder Dienstag 72 weitere Menschen erwartet. Derweil hat der Ukraine-Krisenstab der Stadtverwaltung abgestimmt, wo zusätzliche Unterbringungsplätze geschaffen werden.

101 Menschen aus der Ukraine waren laut Auskunft von Stadtsprecher Volker Wiebels bis zum Donnerstag in städtischen Unterkünften untergekommen. Zudem weiß die Stadt über entsprechende Registrierungen ihrer Ausländerbehörde, dass 229 Ukrainer privat Unterschlupf gefunden haben. 150 Personen seien bis jetzt im Sozialleistungsbezug.

Stadt Mülheim baut Flüchtlingsdorf an der Mintarder Straße weiter aus

Auch interessant

Corona und Flüchtlingsunterbringung – die Stadt muss mittlerweile zwei akute Krisen managen. Zwei Krisenstäbe tagen, mitunter sind einige leitende Kräfte doppelt gefordert. Während das Corona-Management zwar belastend, aber schon eingeübt ist, wurde die Stadt vom russischen Angriff und der Flucht von Menschen aus der Ukraine überrascht. Es hätten dazu „sehr viele Sondierungen“ stattgefunden, nun habe der Krisenstab „sehr konstruktiv und zielgerichtet“ einen Plan erstellt, wie die Stadt sich für den Zuzug weiterer Flüchtlinge aufstellen wird, so Wiebels.

Der Krisenstab hat nun entschieden, das Flüchtlingsdorf an der Mintarder Straße weiter auszubauen – „unter Hochdruck“, wie Sozialdezernentin Daniela Grobe betont. Dafür lässt die Stadt das Corona-Testzentrum dort schließen, auch die städtische Impfstelle wird ihren Betrieb auf dem Saarner Kirmesplatz schon am heutigen Freitag einstellen. Schon zu ihrer nächsten regulären Öffnungszeit am kommenden Mittwoch soll die Impfstelle laut Feuerwehr-Chef Sven Werner auf dem Gelände der ehemaligen Tennisanlage an der Holzstraße in Broich wieder öffnen, in einem der ehemaligen Flüchtlingshäuser dort, in Verbindung mit dem ehemaligen Verwaltungstrakt der Tennishalle.

420 Plätze für Ukrainer bieten die Holzhäuser an der Mintarder Straße in Mülheim

Auch interessant

An der Mintarder Straße stünden dann absehbar alle acht von neun Holzhäusern wieder für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung; eines beherbergt bekannterweise interimsweise die Feuerwache Süd. Rein rechnerisch stünden somit am Kirmesplatz 420 Schlafplätze zur Verfügung. „Wir legen aber niemanden Fremden dazu“, betont Stadtsprecher Wiebels, dass die Stadt wie 2015 verfahren will, auch die aktuelle Flüchtlingskrise so sozialverträglich wie möglich zu gestalten und in einem Raum nur Angehörige einer Familie unterzubringen.

Vor 14 Tagen hatten THW und Feuerwehr bereits 274 Betten an der Mintarder Straße wieder aufgebaut, 150 weitere sollen in der kommenden Woche folgen. „Jede Familie soll dort auf Sicht ihr eigenes Essen kochen können“, sagt Stadtsprecher Wiebels. Erst einmal werde die Stadt aber eine zentrale Versorgung sicherstellen.

Stadt Mülheim kauf 30 Container: Das schafft Platz für bis zu 104 Menschen

Zusätzlich ist es der Stadt über Kontakte des Feuerwehr-Chefs möglich geworden, auf dem engen Markt für Container 30 Exemplare für Mülheim zu sichern. Kämmerer Mendack wollte sich für die Anschaffung einen Eilbeschluss der Politik einholen. Ein Angebot für 303.000 Euro lag laut Werner am Donnerstag vor. Die Container sollen noch einmal Platz schaffen für – je nach Belegungszwängen – 52 bis maximal 104 Personen. Es soll einen Wachdienst vor Ort geben, ebenso eine Corona-Teststelle ausschließlich für das Dorf.

Der alte Saarner Kirmesplatz wird quasi wie aus dem Nichts zu einem „Ukraine-Dorf“. Bei den Containern ist höchstwahrscheinlich auch nicht Schluss. Bei erwartbar anhaltend hoher Zahl an Ukrainern, die über Deutschland verteilt unterzubringen sein werden, hat der städtische Krisenstab auch an die womöglich schon nahe Zeit gedacht, wenn das „Ukraine-Dorf“ voll belegt sein wird.

Harbecke-Sporthalle wird als Mülheimer Notunterkunft in der Reserve gehalten

Auch interessant

Man lege „die Priorität auf die Unterbringung an einem zentralen Ort“, sagte Sozialdezernentin Grobe zur Entscheidung des Krisenstabs, als Notreserve auch die 2000 Quadratmeter große Harbecke-Sporthalle schon jetzt für den Ernstfall vorzubereiten, der schon in wenigen Wochen zusätzliche Schlafplätze nötig machen könnte. Bodenplatten und Bauzäune werden für diesen Fall in der Vierfach-Sporthalle gelagert, um bei Bedarf schnell kleine Wohneinheiten in der Halle zu schaffen für 200 bis 300 Menschen. „Keiner soll auf der Straße stehen oder unter einer Brücke schlafen“, so Wiebels.

Neun Schulen und einige Sportvereine nutzen die Halle. Für sie sind alternative Sport-Möglichkeiten zu organisieren. Es könne „von heute auf morgen“ sein, dass die Stadt die Halle herrichten müsse, sagt Wiebels. Allerdings sei die Stadtverwaltung nach Kräften bemüht, die Sportabi-Prüfungen in der Halle am 28. März stattfinden lassen zu können. „Wir werden alles dransetzen, den Termin zu halten“, so der Stadtsprecher.

Die Lage bleibt dynamisch, in großen Stücken auch unvorhersehbar. Die Führungskräfte der Verwaltung sehen die Stadt vorerst aber gut gewappnet für die nächsten Wochen, die Sozialdezernentin spricht von einem „guten Konzept“. „Wir sind Tag und Nacht da, keiner bleibt in Mülheim unbetreut“, verspricht Stadtsprecher Wiebels – und: „Wir hoffen, dass wir – wie 2015 immer – vor der Lage bleiben.“

Krieg in der Ukraine: Die bewegendsten Geschichten unserer Redaktion

SWB und MWB stellen Wohnungen zur Verfügung

Stadtsprecher Volker Wiebels gab am Donnerstag bekannt, dass auch Mülheims große Wohnungsunternehmen auf Bitte der Stadt Wohnraum für Flüchtlinge zur Verfügung stellen.

Die SWB stelle ad hoc 13 Wohnungen zur Verfügung, der Mülheimer Wohnungsbau fünf. „Weitere Wohnungen sind anvisiert“, so Wiebels.

Sozialamtsleiter Thomas Konietzka berichtete im Gespräch mit der Redaktion davon, dass in der Flüchtlingswelle ab 2015 in der Spitze 2700 Geflüchtete in städtischen Unterkünften gelebt hätten, aktuell seien es rund 900. Einer Prognose des Städtetages zufolge könnten es im Zuge des Ukraine-Krieges 4000 Geflüchtete in Mülheim werden; das sei zum jetzigen Zeitpunkt „aber alles Spekulation“.