Mülheim. Die Familie von Dmytro Zavadsky, Badmintonspieler für Mülheim, ist vor dem Krieg geflohen. Er und sein Schwager müssen in der Ukraine bleiben.
Es vergeht keine Minute, keine Sekunde, in der Anastasia Zavadska, 26 Jahre alt, nicht an ihren Mann denkt. Es vergeht vor allem keine Stunde, in der sie ihm nicht schreibt, nicht fragt, wie es ihm geht. Vor allem dann, wenn in den Nachrichten wieder von Bomben in der Ukraine die Rede ist.
Anastasia Zavadska, ihre Mutter, die Schwiegereltern und die Schwägerin mit ihren beiden Kindern sind seit dem 3. März in Mülheim. Ihr Mann, Dmytro Zavadsky, Badmintonspieler des Zweitligisten 1. BV Mülheim, und ihr Schwager Igor Fomin mussten zurückbleiben. Ob und wann sie nachkommen können, ist ungewiss.
Familie in Mülheim ist in großer Sorge um die Männer in der Ukraine
Diese Ungewissheit ist in den Köpfen allgegenwärtig, die Angst um die beiden Männer ist groß. „Sie helfen der Armee“, sagt Anastasia Zavadska. Nicht an der Waffe, sondern vielmehr dabei, die humanitäre Hilfe zu organisieren oder zu dolmetschen. Es geht den beiden, die sich derzeit in der Nähe von Lwiw befinden, den Umständen entsprechend gut.
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Den Großteil der Flucht aus dem zerbombten Charkiw in der Ost-Ukraine hatten sie noch gemeinsam bewältigt. Zunächst mit dem Zug nach Kiew. Dort musste sich die Familie zum ersten Mal trennen.
In Kiew musste sich die Familie zum ersten Mal trennen
Während Zavadskys Eltern und Schwägerin mit den Kindern den Zug nahmen, ging es für ihn, seine Frau und den Schwager samt zwei Katzen und einem Hund mit dem Auto weiter nach Lwiw, ganz im Westen des Landes. „Mit den Zügen durften nur ältere Menschen und Frauen mit Kindern fahren“, erzählt Anastasia Zavadska.
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In Lwiw angekommen, verbrachten die Familien einige Tage im Haus von Zavadskas Großeltern, eine Entscheidung, wie es weitergehen sollte, musste getroffen werden. Als diese gefallen war, klingelte bei Steffen Hohenberg vom 1. BV Mülheim das Telefon.
Mülheimer hatte die ganze Zeit Kontakt zu Dmytro Zavadsky
Er war die ganze Zeit mit seinem guten Freund in Kontakt, half nun dabei, dass die Eltern, Frauen und Kinder an der polnischen Grenze abgeholt wurden. Dmytro Zavadsky und Igor Fomin mussten zurückbleiben.
Es ging weiter nach Warschau. „Als wir dort im Hotel waren und schlafen konnten, ohne die Einschläge von Bomben zu hören, da sind wir zum ersten Mal etwas zur Ruhe gekommen“, sagt Natalia Zavadska, die Mutter von Dmytro.
Umzug der Ukrainer nach Mülheim war für Mitte März geplant
Am Ziel waren sie aber noch lange nicht. An der deutschen Grenze wurden die Sieben von der ehemaligen Badmintonspielerin Johanna Goliszewski und deren Vater in Empfang genommen, es ging weiter nach Mülheim.
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Mit je einem Rucksack und den drei Haustieren kamen sie in Mülheim an, wohnen aktuell gemeinsam in der Wohnung, die Dmytro und Anastasia am 18. März hätten beziehen sollen. „Dmytro sollte Anfang April einen Job in Deutschland anfangen“, sagt Steffen Hohenberg. Es war alles vorbereitet. Dann kam der Krieg.
Badminton-Training und Sprachkurse – ein Stück Normalität
Hohenberg hat auch dabei geholfen, zwei weitere Wohnungen, die der Mülheimer Wohnungsbau (MWB) zur Verfügung stellt, zu organisieren. In den nächsten Tagen sind sie bezugsbereit.
Er unterstützt bei Behördengängen, hat Sprachkurse organisiert. Yuliia Fomina, Igors 13-jährige Tochter, hat bereits das erste Badminton-Training absolviert. „In der Ukraine hat sie zweimal am Tag trainiert, wir müssen noch eine Gruppe finden, in die sie leistungsmäßig passt“, sagt Hohenberg. Sie war zu gut für die anderen der Gruppe. Yuliias neunjähriger Bruder Myron wird bald seine erste Trainingseinheit im Basketball absolvieren.
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Es ist ein kleines Stück Normalität in diesen Tagen. So wie auch der Spaziergang, den Natalia Zavadska und ihr Mann Oleksandr gemacht haben. „Das Grün, die schönen Blumen. Das tat unserer Seele wirklich gut“, sagt die 61-Jährige. Oder das gemeinsame Streichen der Wohnung, in die sie in den kommenden Tagen ziehen.
Dankbar für die große Unterstützung in Mülheim
Überwältigt sind sie alle von der großen Hilfsbereitschaft. Beim 1. BV Mülheim, aber auch darüber hinaus. „Wenn ich in die Whatsapp-Gruppe schreiben würde, dass ich einen Elefanten brauche, hätte ich ihn in kurzer Zeit“, sagt Steffen Hohenberg. „Kleidung, Spielzeug für die Kinder, sogar Tiernahrung haben wir bekommen“, sagt Natalia Zavadska.
„Wir sind total dankbar für die Hilfe, wir spüren die große Unterstützung für uns, aber auch für unser Land überall“, sind sich Anastasia Zavadska und ihre Familienmitglieder einig. Sie hoffen, dass Dmytro und Igor schon bald nachkommen können. So lange wird sie ihrem Mann schreiben. Jede Stunde.