Mülheim. Er würde nichts lieber tun als zu arbeiten. Doch der 61-Jährige ist krankgeschrieben, seit sechs Jahren. Das Mülheimer Arbeitslosenzentrum hilft.

Es ist dieses riesige Schamgefühl, das Thomas Z. plagt. So sehr schämt sich der 61-Jährige über seine berufliche Misere, dass er seinen Namen nicht nennen will. Thomas Z. leidet unter Depressionen, seit man ihn in der Firma über Jahre gemobbt hat. Seine letzte Hoffnung: Erwerbsminderungsrente. Diese alleine zu erkämpfen, das hätte sich der gelernte Schlosser nie zugetraut, in seinem direkten Umfeld erfährt er statt Rückhalt nur Unverständnis. Beim Mülheimer Arbeitslosenzentrums Malz, dem die diesjährige Jolanthe-Aktion gilt, bekommt er Unterstützung.

Er hatte sich einen Bock geleistet, einen Fehler gemacht, der die Firma Geld gekostet hat, das räumt Thomas Z. unumwunden ein. Das war 2014 – seitdem macht sein Arbeitgeber ihm das Leben zur Hölle, schildert Thomas Z. Als Schlosser war er mit knapp 50 bei dem Oberhausener Betrieb angestellt worden, war froh, nach der Pleite seines langjährigen Arbeitgebers und mehreren Zeitarbeitsverträgen wieder einen regulären Job gefunden zu haben.

Arbeitgeber setzt Thomas Z. für minderwertige Arbeit ein und verringert den Lohn

Doch nach dem Bock, den er geschossen hatte, sagt Z., habe ihn die Chefetage auf dem Kieker gehabt. Es hagelte Abmahnungen für Kleinigkeiten, wie er sagt. Er kandidiert für den Betriebsrat und wird von seinen Kollegen in das Gremium gewählt, das auch einen gewissen Schutz vor Kündigung bietet. Der Chefetage war er damit erst recht ein Dorn im Auge.

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Was in der Firma folgt, ist eine Degradierung nach der anderen: Der Schlosser wurde erst nur noch für Transportarbeiten eingesetzt, dann nur noch fürs Verpacken, letztlich für Putzarbeiten, am Ende musste er das Firmengelände fegen und die Hecke schneiden. „Es war ja nicht nur die persönliche Degradierung und die Isolierung von den anderen Kollegen, ich bin nicht nur vorgeführt worden, indem ich etwa auf dem Parkplatz Unkraut zupfen musste und alle zugeguckt haben, ich hab auch jeweils weniger Lohn erhalten“, schilder der 61-Jährige.

Noch bis Ende Januar gibt es Lose für Jolanthe

Mit dem Erlös aus unserer Benefiz-Aktion Jolanthe wird in diesem Jahr das Mülheimer Arbeitslosenzentrums Malz unterstützt, das von einem gemeinnützigen Trägerverein geführt. Sein Fortbestehen ist derzeit wegen gestrichener Fördergelder bedroht.

Da das Neujährchen ausfallen musste, die Veranstaltung, die traditionell an Neujahr stattfand, um Gelder für Jolanthe zu akquirieren, läuft die Benefiz-Aktion nur über Losverkauf und Spenden. Die Lose für die Jolanthe-Aktion sind noch bis zum 31. Januar erhältlich bei der Tourist-Info der MST im Stadt-Quartier, Schollenstraße 1. Öffnungszeiten: montags bis freitags von 9-18 Uhr sowie samstags von 10-14 Uhr.

Zu gewinnen gibt es etwa einen Reisegutschein im Wert von 300 Euro, das Gemälde „Stadtportrait Mülheim“, unser Zeitungsbuch mit 700 Titelseiten aus 70 Jahren, den Bildband „Ruhrgebiet bei Nacht von oben“ sowie einen Präsentkorb „Pottküche“. Die Ziehung der Gewinner erfolgt in der fünften Kalenderwoche.

Auch Spenden sind möglich: Spendenkonto bei der Sparkasse Mülheim, DE 05 3625 0000 0175 0342 77, Stichwort: Jolanthe.

Der Weg zur Arbeit, der Aufenthalt dort – eine einzige Qual für ihn, jeden Werktag aufs Neue. Irgendwann bietet die Firma ihm einen Aufhebungsvertrag an – 10.000 Euro soll er als Abfindung bekommen. Da war er 56 Jahre alt. „Das ist absolutes Niemandsland, wenn man in dem Alter arbeitslos wird. Wer nimmt mich noch mit Ende 50? Und wie soll ich mit 10.000 Euro bis zur Rente kommen?“, Thomas Z. fühlt sich als Mobbingopfer aussichtslos – und lehnt den Aufhebungsvertrag mit Hilfe des Betriebsrates ab.

Der Chef faltet ihn zusammen, danach wird Thomas Z. krankgeschrieben

Das Miteinander zwischen ihm und seinem Arbeitgeber ist zerrüttet. Die Lage eskaliert, als er beim Geschäftsführer vorsprechen muss, nachdem er auf dem Firmengelände aus Versehen die falschen Sträucher abgeschnitten hat. „Da hat der Chef mich dann zusammengeschissen – war ja keiner dabei, der hören konnte, wie der mit mir spricht“, schildert Z. Er habe nur noch sagen können: „Ich bin doch kein Gärtner“ und sei dann zum Arzt gegangen. Der diagnostiziert schwere Depressionen, schreibt ihn krank. „Ich hatte höllische Angst davor, in die Firma zurückzukehren“, erinnert sich Thomas Z.

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Immer wieder hat er neue Schübe der Depression, mehrfach wird sein Gesundheitszustand begutachtet, er bekommt zwei Mal eine Reha, geht für zehn Wochen in eine psychiatrische Tagesklinik, nimmt sich auf Vermittlung des Mülheimer Arbeitslosenzentrums einen Therapeuten, muss seine Geschichte immer wieder aufs Neue erzählen, fühlt darin sein Versagen immer wieder gespiegelt. Bis heute gilt Thomas Z. als arbeitsunfähig.

Benefiz-Aktion Jolanthe kommt dem Arbeitslosenzentrum Malz zugute

„Sie haben diesen Mann wirklich mürbe gemacht“, sagt Gabi Spitmann, Beraterin des Mülheimer Arbeitslosenzentrum (Malz), dem in diesem Jahr der Erlös aus unserer traditionsreichen Benefiz-Aktion Jolanthe zugute kommt. Erhältlich sind die Lose für die Teilnahme noch bis Ende Januar bei der Tourist-Info der MST an der Schollenstraße. Weil die Veranstaltung Neujährchen in diesem Jahr wegen Corona nicht stattfinden kann, ist Jolanthe allein auf die Einnahmen aus dem Losverkauf und auf Spendeneingänge angewiesen. Die Gelder sollen dazu beitragen, die Beratungsstelle Malz zu erhalten, deren Fortbestand wegen weggefallener Fördergelder bedroht ist.

Gabi Spitmann, Beraterin beim Mülheimer Arbeitslosenzentrums (Malz) hilft auch Langzeiterkrankten wie Thomas Z., der nach massivem Mobbing in seiner Firma seit sechs Jahren wegen Depressionen krankgeschrieben ist.
Gabi Spitmann, Beraterin beim Mülheimer Arbeitslosenzentrums (Malz) hilft auch Langzeiterkrankten wie Thomas Z., der nach massivem Mobbing in seiner Firma seit sechs Jahren wegen Depressionen krankgeschrieben ist. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Ohne das Malz, da ist sich Thomas Z. sicher, würde er hier heute nicht sitzen und über seine Misere erzählen. Das Schlimmste, die größte Schmach, ist für ihn, dass er Hartz IV beantragen musste. „Dabei habe ich doch mein Leben lang gearbeitet“, sagt der 61-Jährige, der mittlerweile seit sechs Jahren dauerhaft krankgeschrieben ist. Berichtet er in seinem Umfeld davon, stößt er vor allem auf Unverständnis. „Stell dich doch nicht so an“ bekommt er etwa zu hören. Sätze wie „Machste einen auf Rente, ne?“, untermalt von einem Augenzwinkern, sind wie Messerstiche für ihn.

Thomas Z. will mit Hilfe des Arbeitslosenzentrums Erwerbsminderungsrente zu erhalten

Hilflos, zermürbend, aussichtslos – das sind Worte, die oft fallen in dem Gespräch mit dem grauhaarigen Mann. Er zuckt häufig die Schultern, Tränen schießen ihm in die Augen. Vor drei Jahren hat er mit Hilfe des Malz einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt – bis heute ist nicht darüber entschieden. Auch dieses langwierige Prozedere ist für den 61-Jährigen extrem belastend, schildert er.

Ist der Fall von Thomas Z. ein besonders drastischer? „Die Geschichte von Herrn Z. ist leider typisch. Wir haben hier im Malz viele Langzeitarbeitslose, die diesen Weg gehen“, sagt Beraterin Gabi Spitmann und beschreibt: „Zwölf Prozent unserer Klienten sind Langzeiterkrankte, neben Depression ist Krebs eine häufige Ursache.“ Für Thomas Z. steht im März eine Verhandlung über seine Erwerbsminderungsrente an – dann ist er auf den Monat genau sechs Jahre lang krankgeschrieben.