Mülheim. Oday Hassan aus Syrien ist einer der 1400 Klienten, die das Mülheimer Arbeitslosenzentrum im Jahr betreut. Unsere Benefiz-Aktion Jolanthe hilft.
Die Sprache ist sein Schlüssel, Neugier seine Triebfeder und das Mülheimer Arbeitslosenzentrum seine zweite Familie – Oday Hassan kam als junger Mann aus Syrien nach Deutschland, jobbte, lernte, fragte sich durch, sog Wissen und Sprache auf wie ein Schwamm. Und ließ viele andere Geflohene nicht allein – bis heute kümmert er sich neben seinem Studium um Geflüchtete. Denn auch er hat Hilfe erfahren, nicht zuletzt beim Mülheimer Arbeitslosenzentrum.
Die Geschichte von Oday Hassan beginnt wie die Tausender junger Syrer – er flüchtet aus dem Land, das ihm keine Zukunft bietet, in dem er Rohheit und Ausweglosigkeit erlebt hat. Über die klassische Route führt auch die Flucht von Oday Hassan – mit einem Schlauchboot übers Mittelmeer, untergekommen in einem Flüchtligscamp in Griechenland und über die Balkanroute bis nach Deutschland. Immerhin ist Oday nicht alleine unterwegs – zusammen mit seinem Vater und seiner Schwester hat er seine Heimat verlassen, die Mutter war gestorben. „Was sollten wir also noch in Syrien“, fragt der junge Mann achselzuckend und möchte das Kapitel des Rückblicks lieber schließen. Stattdessen will er nach vorne gucken, anpacken und helfen.
Junger Syrer engagiert sich im Flüchtlingscamp, übersetzt und hilft anderen Geflohenen
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So, wie er es tut, als er und seine Familie endlich in Deutschland ankommen, über Stationen in Passau, Lüdenscheid und Herne schließlich in Mülheim landet. Verschiedene Notunterkünfte hat der junge Mann auf seinem Weg kennengelernt. Was er davon erzählt, dreht sich allerdings nicht um Mangel oder Missstände – er sagt ganz deutlich: „Ich hab schöne Erinnerungen daran, dort bin ich mit der deutschen Sprache in Berührung gekommen. Da habe ich viel gelernt.“ Er saugt deutsche Wörter auf, hört genau hin, macht sich Notizen. „Als ich mich ein bisschen auf Deutsch verständigen konnte, habe ich mich im Camp ehrenamtlich engagiert, bin mit Bewohnern zu den entsprechenden Stellen gegangen, um zu übersetzen.“
Schließlich bekommt Oday Hassan, der nach kurzer Zeit so gut Deutsch spricht und sich für die anderen einsetzt, einen festen Job angeboten, in einer Flüchtlingsunterkunft im Duisburger Norden. Als Sozialbetreuer wird er eingestellt, arbeitet dann bereits versicherungspflichtig. „Das ist nach der kurzen Zeit seines Aufenthaltes in Deutschland alles andere als selbstverständlich“, ordnet Gabi Spitmann vom Mülheimer Arbeitslosenzentrum ein. Bei ihr war der junge Mann ursprünglich gelandet, weil er daran verzweifelte, die Anträge fürs Jobcenter für seinen Vater auszufüllen, als dessen Bezüge über das Asylbewerberleistungsgesetz endeten. „Als ich das gesehen habe, war das der absolute Horror“, erinnert sich Oday Hassan an die Papiere und erzählt: „Die anderen Betreuer im Camp sind dafür nicht ausgebildet und konnten mir nicht helfen.“ Also hat er einfach gegoogelt. „Im Netz bin ich auf das Arbeitslosenzentrum gestoßen und dachte, vielleicht passt das.“
Wie der Zuzug von Geflüchteten sorgt die Pandemie für deutlich mehr Klienten im Malz
Benefiz-Aktion Jolanthe sammelt für das Malz
Unsere Benefiz-Aktion Jolanthe muss dieses Jahr erneut ohne Neujährchen auskommen. Die Veranstaltung mit Live-Musik der Ruhr-River-Jazzband am Wasserbahnhof fällt wegen Corona aus.
Die Lose für die Jolanthe-Aktion – diesmal zugunsten des Mülheimer Arbeitslosenzentrums Malz, das von einem gemeinnützigen Trägerverein geführt wird – sind in diesem Jahr erhältlich bei der Tourist-Info der MST im Stadt-Quartier an der Schollenstraße 1. Öffnungszeiten: Heiligabend geschlossen, zwischen den Jahren Montag, 27. Dezember, bis Donnerstag, 30. Dezember, von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Silvester geschlossen. Nach den Feiertagen: Öffnungszeiten: montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr, samstags von 10 bis 14 Uhr.
Zu gewinnen gibt es etwa einen Reisegutschein im Wert von 300 Euro, das Gemälde „Stadtportrait Mülheim“, unser Zeitungsbuch mit 700 Titelseiten aus 70 Jahren, den Bildband „Ruhrgebiet bei Nacht von oben“ sowie einen Präsentkorb „Pottküche“.
Wer mag, kann auch spenden: Spendenkonto bei der Sparkasse Mülheim, DE05 3625 0000 0175 0342 77, Stichwort: Jolanthe.
Es passte – und wie. Denn Malz-Beraterin Gabi Spitmann sagt: „Den Wechsel von Bezügen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz zum Jobcenter haben tausende Flüchtlinge bei uns durchlaufen, die Anträge zu stellen und das Profiling zu machen.“ Wie derzeit die Corona-Pandemie zu deutlich mehr Klienten im Malz führt, brachte der enorme Zuzug von Geflüchteten ab dem Jahr 2015 enorme Mehrarbeit für das Erwerbslosenzentrum im Mülheimer Gewerkschaftshaus. Darüber würde sich Gabi Spitmann niemals beschweren, sie hilft allen, die anrufen oder an der Tür des Beratungszentrums an der Friedrichstraße im Schatten des evangelischen Krankenhauses klingeln.
Schwer indes kann die Beraterin, die die einzige hauptamtliche Mitarbeiterin ist, nachvollziehen, dass das Malz inzwischen von allen Fördergeldern abgeschnitten ist. Zunächst kappte die Landesregierung die Zuschüsse, kürzlich bekräftigte auch die Stadt, dass sie keinerlei finanzielle Unterstützung mehr leisten wolle. Die Gelder, die der gemeinnützige Verein durch Mitgliedsbeiträge oder Spenden einnimmt, sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Wie lange Gabi Spitmann noch Menschen wie Oday Hassan oder Fabian Hoff, den wir in einer der kommenden Ausgaben vorstellen, helfen kann, weiß sie nicht.
Fortbestehen des Arbeitslosenzentrums ist akut gefährdet – Klienten wollen helfen
Seit ihre Klienten mitbekommen haben, dass das Fortbestehen des Arbeitslosenzentrums, das es bereits seit 35 Jahren gibt, bedroht ist, wollen viele helfen. „Die, die wirklich nichts haben, stehen hier an der Tür und wollen 50 Euro spenden“, sagt Gabi Spitmann gerührt. Und auch Oday Hassan will etwas von dem zurückgeben, was er durch das Malz erfahren hat: Nicht nur fachkundige Unterstützung, sondern Anerkennung und Wertschätzung. „Wenn ich hier reinkomme und sich die Tür hinter mir geschlossen hat, bleiben meine Probleme draußen.“
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Zwar hat der junge Syrer mit seinem Vater und seiner Schwester Fuß gefasst in Deutschland und in Dümpten ein neues Zuhause gefunden, Hürden aber stellen sich auch dem optimistischen jungen Mann immer wieder in den Weg. Für ihn war schnell klar: Ich will studieren. „Mein Abi aus Syrien wurde zwar anerkannt, aber von der Note her schlechter bewertet.“
Heute studiert der 24-jährige Syrer an der Ruhr-Universität Bochum
Also setzt er alle Hebel in Bewegung, informiert sich, wie sein Traum vom Studium in Deutschland doch noch in Erfüllung gehen kann und belegt spezielle Vor-Kurse. Heute studiert der 24-Jährige, der parallel an Wochenenden noch immer als Sozialbetreuer arbeitet, im dritten Semester Angewandte Informatik an der Ruhr-Universität Bochum. „Dafür schlägt mein Herz“, sagt Oday Hassan strahlend. Nicht nur sein Studium und die Betreuung Geflüchteter ist ihm eine Herzensangelegenheit, sondern auch das Mülheimer Arbeitslosenzentrum, das ihm zu einer zweiten Familie geworden ist.
Seit einem Jahr ist er offiziell Teil des Teams, hat sich dem gemeinnützigen Trägerverein des Malz angeschlossen. So stolz ist er darauf, dass er zum Termin mit der Zeitung eigentlich einen Anzug anziehen wollte. Zum Schriftführer ist er bei Malz gewählt geworden – kein Wunder bei den Sprachkenntnissen, die der junge Mann inzwischen hat. Trotz Integrationskurs an der VHS und seinen handschriftlichen Sprach-Notizen sagt er: „Hochdeutsch habe ich bei Frau Spitmann gelernt.“
Kontakt zum Mülheimer Arbeitslosenzentrum, Friedrichstraße 24, 325 21.