Mülheim. Hayal Baki hat jeden Job angenommen, ohne Leistungen vom Amt kommt die Alleinerziehende aber nie aus. Das Arbeitslosenzentrum Malz begleitet sie.
Ihr Jüngster war gerade drei Jahre alt, als Hayal Baki entschied, dass das Leben als Familie nicht mehr funktioniert. Mit ihren drei Söhnen zog sie aus, verlies Bayern und kam zurück ins Ruhrgebiet. Sie fand sich wieder als Alleinerziehende, die um vieles kämpfen musste. Das Mülheimer Arbeitslosenzentrum, dem unsere diesjährige Benefiz-Aktion Jolanthe zugutekommt, gibt ihr Halt – seit über 20 Jahren.
Einfach nur mit einem Transporter voller Klamotten ist Hayal Baki mit ihren drei Kindern damals aus Bayern zurück ins Ruhrgebiet gekommen, wo sie aufgewachsen ist. „Im ersten Jahr hatte ich ganz schön zu kämpfen, musste mich arbeitslos melden. Da ich aber an dem alten Ort selbst gekündigt hatte, bekam ich drei Monate Sperre und somit kein Geld – dann stand ich also da: Die Miete läuft, die Kinder müssen was zu essen haben.“ Doch dann drückt ihr jemand den Zettel in die Hand, der ihr Leben verändern sollte: die Adresse vom Mülheimer Arbeitslosenzentrum.
Alleinerziehende kommt seit über 20 Jahren ins Mülheimer Arbeitslosenzentrum
Seit über 20 Jahren kommt Hayal Baki zu der Beratungsstelle an der Friedrichstraße. Vorangegangen waren Erfahrungen bei Behörden, die die zierliche Frau immens eingeschüchtert hatten. „Ich hatte Angst, etwas Falsches zu sagen, nachher stehe ich wieder ohne jeden Pfennig mit den drei Kindern da“, sagt die 53-Jährige und senkt den Blick. In den Räumen des Malz aber hat sie erfahren: „Hier passiert mir nichts, hier bin ich sicher. Hier fühle ich mich verstanden.“
Jolanthe unterstützt das Malz
Mit dem Erlös aus unserer Benefiz-Aktion Jolanthe wird in diesem Jahr das Mülheimer Arbeitslosenzentrums Malz unterstützt, das von einem gemeinnützigen Trägerverein geführt wird. Sein Fortbestehen ist derzeit wegen gestrichener Fördergelder bedroht.
Da das Neujährchen ausfallen musste, die Veranstaltung, die traditionell an Neujahr stattfand, um Gelder für Jolanthe zu akquirieren, läuft die Benefiz-Aktion nur über Losverkauf und Spenden. Die Lose für die Jolanthe-Aktion sind erhältlich bei der Tourist-Info der MST im Stadt-Quartier, Schollenstraße 1. Öffnungszeiten: montags bis freitags von 9-18 Uhr sowie samstags von 10-14 Uhr.
Zu gewinnen gibt es etwa einen Reisegutschein im Wert von 300 Euro, das Gemälde „Stadtportrait Mülheim“, unser Zeitungsbuch mit 700 Titelseiten aus 70 Jahren, den Bildband „Ruhrgebiet bei Nacht von oben“ sowie einen Präsentkorb „Pottküche“.
Auch Spenden sind möglich: Spendenkonto bei der Sparkasse Mülheim, DE 05 3625 0000 0175 0342 77, Stichwort: Jolanthe.
Ihre Erlebnisse mit den Ämtern und wechselnden Arbeitgebern, die sich nicht selten respektlos verhielten, haben Hayal Baki zermürbt, sie spricht von harten Zeiten und davon, wie gut es ihre drei Jungen trotzdem haben sollten. Sie ist konfrontiert mit Vorurteilen und Anfeindung, Rassismus erführen auch ihre Söhne regelmäßig, berichtet sie. Hayal Baki muss ihre Erzählung unterbrechen – die Erinnerung schnürt ihr die Kehle zu.
„Frau Baki hat wirklich jeden Job angenommen, Pflege, Putzstellen, Kommissioniererin, OP-Versorgungsassistentin im Krankenhaus. Sie konnte sich abstrampeln, wie sie wollte, so gut wie nie hat der Verdienst ausgereicht, um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erzielen oder davon wegzukommen, aufstocken zu müssen“, ordnet Gabi Spitmann ein, die Beraterin im Mülheimer Arbeitslosenzentrum, das von einem gemeinnützigen Verein getragen wird. Aufgrund gestrichener Fördermittel muss das Malz um seine Existenz bangen. Unsere traditionsreiche Benefiz-Aktion Jolanthe, die pandemiebedingt in diesem Jahr ohne die Veranstaltung zum Neujährchen auskommen musste, bei der Geld für die bestimmte Institution gesammelt worden wäre, will das Arbeitslosenzentrum in diesem Jahr mit ihrem Erlös unterstützen.
Auch Umschulung zur Friseurin half nicht zu ausreichendem Einkommen
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Eine Zeit lang, nachdem mit Hilfe des Malz alles sortiert und geregelt war, da ging es ihr gut, blickt Hayal Baki zurück: „Da durfte ich sogar eine Umschulung machen zur Friseurin und habe noch zwei, drei Jahre gearbeitet.“ Dann schloss der Salon, sie war über, wie sie selber sagt. Also stand sie wieder beim Malz auf der Matte und wurde wohlwollend empfangen. Wieder nimmt sie eine Arbeitsstelle nach der anderen an – und steht als Geringverdienerin doch immer als Erste auf der Streichliste. Macht Praktika bei Friseuren, in der Hoffnung, wieder einen festen Job zu bekommen, und wird letztlich nur als kostenlose Vertretung genutzt, die nach ein paar Wochen wieder gehen muss.
„Sie hat sich immer abgestrampelt, für Geld, das nicht zum Leben reicht“, bilanziert Gabi Spitmann die Bemühungen von Hayal Baki. „Zeitweise haben selbst wir ihr geraten, mal eine Arbeitsstelle auszulassen, denn sie baute seelisch und körperlich ab“, erzählt Gabi Spitmann, die die Mülheimerin nun seit zwei Jahrzehnten begleitet.
Auch in ihrem privaten Umfeld hat Hayal Baki wieder zu kämpfen, ist in den zurückliegenden Wochen immer wieder Impfverweigerern begegnet. Dabei will sie dazu beitragen, dass dem Coronavirus der Garaus gemacht wird. „Ich habe mich dann bei Frau Spitmann erkundigt, was das mit den Impfungen bedeutet, und habe das dann an meinen Bekanntenkreis weitergegeben.“
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Gabi Spitmann nickt: „Viele unserer Klienten mit Migrationshintergrund haben keine Informationen zum Impfen – ich hab sicher 300 bis 400 Gespräche dazu geführt.“ Auch das zeigt, wie beim Malz alles ineinandergreift: Die Beraterin hilft dabei, die Anträge auszufüllen und Gelder zu beantragen, ist aber auch Kummerkasten oder eben Stütze und Ratgeberin.
Hayal Baki kann sich ihr Leben ohne die Unterstützung des Malz nicht vorstellen, wenn sie auf die vergangenen 20 Jahre zurückblickt: „Das, was die Berater des Malz in dieser ganzen Zeit für mich getan haben – und das kostenlos – ist mit Gold nicht aufzuwiegen.“ Am Ende, „das ist das Tragische an der Geschichte“, sagt Beraterin Gabi Spitmann, „wird Hayal Baki von Grundsicherung im Alter leben müssen“. Obwohl sie ihr Leben lang gearbeitet hat.