Mülheim. Deutscher Gewerkschaftsbund wirbt für die Teilnahme an den bevorstehenden Wahlen. Arbeitnehmervertreter spüren Zulauf in heiklen Zeiten.
Von März bis Mai werden in Unternehmen in ganz Deutschland turnusgemäß die Betriebsräte gewählt – alle vier Jahre ist das in der Regel der Fall. Der Mülheimer DGB-Stadtverbandsvorsitzende Klaus Waschulewski ruft Arbeitnehmer auf, sich daran zu beteiligen und betont: „Bei vielen Dingen im Arbeitsleben kann ein Betriebsrat mitreden, etwa wenn es darum geht, Arbeitsplätze zu sichern oder die Arbeitszeiten zu regeln. Allerdings nur, wenn das Unternehmen auch einen Betriebsrat hat.“
Hohe Wahlbeteiligung beim letzten Mal
Dass Betriebsräte wichtige Arbeit leisten – nicht nur in schwierigen Zeiten mit unsicherer Zukunftsprognose der Unternehmen – wissen viele Beschäftigte offenbar zu schätzen. „Bei den letzten Betriebsratswahlen lag die Wahlbeteiligung bei über 76 Prozent“, stellt Waschulewski heraus.
Wer sich aufstellen lässt und gewählt wird, dem schwappt allerdings nicht nur Wohlwollen entgegen. Das weiß Maurike Maaßen, Verkäuferin und Betriebsrätin bei Netto, aus eigener Erfahrung. Sie hat – zum zweiten Mal bei der Betriebsratswahl in ihrem Unternehmen – eine eigene Liste aufgestellt, weil ihr der bisherige Betriebsrat zu arbeitgebernah ist.
Die 55-Jährige hatte im Vorfeld der Bundestagswahl eine gewisse Bekanntheit erlangt, weil sie in einer ARD-Talkshow den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz auf soziale Missstände hingewiesen hatte. In Mülheim erzählt sie am Dienstag vom Arbeitsalltag bei Netto: „Da wird viel mit Angst gearbeitet, es gibt Testkäufe und Kontrollen.“ Aktueller Aufreger der Betriebsrätin: „Jetzt wollen sie uns verbieten zu trinken, wenn wir an der Kasse sitzen.“ Auch die Zeiten, die die einzelnen Mitarbeiter zum Kassieren bräuchten, würden erfasst und gegeneinander ausgespielt, sagt die Netto-Betriebsrätin und führt weiter aus: „Kollegen werden auch immer wieder zu Vier-Augen-Gesprächen abkommandiert und gehen da eingeschüchtert rein, ohne zu wissen, dass sie dazu jemanden vom Betriebsrat mitnehmen können.“
Drohkulisse wird aufgebaut
Eine Drohkulisse aufzubauen und mit den Ängsten der Mitarbeiter zu spielen, sei typisch für Netto – nicht aber generell für den Handel, schränkt Isabella Hillig, bei Verdi zuständig für den Einzelhandel, ein. Umso wichtiger sei ein starker Betriebsrat, wirbt die Verdi-Vertreterin.
Die aktuelle Situation im Unternehmen, in dem sie tätig ist, stellt auch die Betriebsratsarbeit von Nathalie Kowalski in ein besonderes Licht. Die 31-Jährige arbeitet bei Siemens und berichtet: „Als ich dort anfing, dachte ich: Jetzt bist du bei Siemens, da musst du dir keine Sorgen mehr machen.“ Die Unternehmensentwicklung aber sorgt für Anspannung in der Belegschaft, weiß Nathalie Kowalski – denn Stellenabbau ist auch in Mülheim nicht ausgeschlossen.
Der Abbau würde mutmaßlich die 25- bis 35-Jährigen am stärksten treffen. „Aber gerade die Kollegen brauchen eine Perspektive, weil sie etwa an Familienplanung denken“, sagt Kowalski, die Betriebsrätin für das Projekt Junge Generation ist.
DGB-Mann Klaus Waschulewski erkennt einen Trend hin zur Bildung von Betriebsräten: „Auch viele kleinere Unternehmen fragen inzwischen danach.“ Der DGB biete dabei Unterstützung an, so der Standverbandsvorsitzende: „Wir begleiten die Betriebsratswahlen auf Facebook und auf unserer Homepage.“
DGB unterstützt bei Betriebsratswahlen
Der DGB-Vorstand in Mülheim vertritt rund 18 000 organisierte Mitglieder der Gewerkschaften. Kontakt: Tel. 63 24 70.
Auf seiner Internetseite http://muelheim-essen-oberhausen.dgb.de/ informiert der DGB auch über die anstehenden Betriebsratswahlen, die unter dem Motto „Mach mit für gute Arbeit“ stehen.