Mülheim. Fabian Hoff ist Autist. Wie der Mülheimer sein Handicap zum Beruf macht und warum ihm das Mülheimer Arbeitslosenzentrum dabei hilft.
Er möchte vorwärts kommen, will seine Kenntnisse anwenden, um eigenes Geld zu verdienen, um nicht von der Unterstützung vom Amt abhängig zu sein. Fabian Hoff hat Abitur und Studienerfahrung – aber keine Ausbildung zu Ende gebracht. Sein Handicap, das erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wurde, hat ihn bislang immer wieder zurückgeworfen. Der 38-Jährige ist Autist. Mit Hilfe des Mülheimer Arbeitslosenzentrums, dem unsere diesjährige Benefiz-Aktion Jolanthe zugute kommen soll, hat er nun eine Perspektive.
Gerade drei Jahre ist es her, da hatte er eine Stelle gefunden, die gut zu ihm passte: Fabian Hoff arbeitete als Schulbetreuer und begleitete einen autistischen Schüler. Nur zu gut konnte sich der 38-Jährige in den Jungen hineinversetzen, dem er durch den Schulalltag half. Dem manches zu viel war, weil so viele Eindrücke auf ihn einprasselten, der dann überschießend reagierte, weil er sich nicht anders zu helfen wusste. All das war Fabian Hoff nicht fremd, er selbst galt in der Schule oft als Klassenclown, später war es schwierig für ihn, sich einzufügen.
Mülheimer wurde erst mit 27 Jahren attestiert, dass er Autismus hat
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Dass er Autist ist, wurde dem Mülheimer erst mit 27 Jahren attestiert. Vorangegangen waren Krisen mit depressiven Phasen, Aufenthalte in psychiatrischen Einrichtungen, harte Psychopharmaka. Immer wieder fängt er neu an, versucht, vorwärts zu kommen, studiert, bricht ab – eine abgeschlossene Berufsausbildung kann der 38-Jährige nicht vorweisen. „So eine Psychiatrie-Episode ist nicht unüblich für Menschen mit Autismus“, ordnet Fabian Hoff ein. Häufig dauere es Jahre, gar Jahrzehnte bis die Diagnose feststeht – wie bei ihm selbst auch. Nun lebt er also mit dem Handicap, das eine Störung der Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungs im Gehirn ist.
Jolanthe-Aktion: Unterstützung für das Arbeitslosenzentrum
Unsere traditionsreiche Benefiz-Aktion Jolanthe muss dieses Jahr erneut ohne Neujährchen stattfinden. Die Veranstaltung mit Live-Musik der Ruhr-River-Jazzband fällt wegen der Corona-Pandemie aus.
Die Lose für die Jolanthe-Aktion – diesmal zugunsten des Mülheimer Arbeitslosenzentrums Malz, das von einem gemeinnützigen Trägerverein geführt wird – sind erhältlich bei der Tourist-Info der MST im Stadt-Quartier, Schollenstraße 1. Öffnungszeiten: montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr sowie samstags von 10 bis 14 Uhr.
Zu gewinnen gibt es etwa einen Reisegutschein im Wert von 300 Euro, das Gemälde „Stadtportrait Mülheim“, unser Zeitungsbuch mit 700 Titelseiten aus 70 Jahren, den Bildband „Ruhrgebiet bei Nacht von oben“ sowie einen Präsentkorb „Pottküche“.
Auch Spenden sind möglich: Spendenkonto bei der Sparkasse Mülheim, DE05 3625 0000 0175 0342 77, Stichwort: Jolanthe.
Als Schulbegleiter aber konnte er seine Kenntnisse anwenden, war zunächst an einer Grundschule, später an einer Gesamtschule. Dann aber kam das Corona-Jahr 2020, das den Präsenzunterricht stoppt – und Fabian Hoff ins Kurzarbeitergeld fallen lässt. „Das lag bei mir unter Hartz-IV-Niveau, da musste ich aufstocken“, erzählt der Mülheimer. Schließlich lief während der Pandemie-Monate auch sein Vertrag aus, der nicht verlängert wurde. Kein Grund für Fabian Hoff, schwarz zu sehen, im Gegenteil: „Das wollte ich als Gelegenheit nutzen.“ Hoff wollte versuchen, über einen Bildungsgutschein eine bessere Qualifizierung für die Betreuung und Assistenz von autistischen Menschen zu bekommen.
Mülheimer, der vom Arbeitslosenzentrum betreut wird, schreibt Buch über Autismus
Sein Anderssein als sein Kapital zu verstehen, klingt nach einem guten Plan, der aber zunächst an Hürden zu scheitern drohte: „Da ich keine abgeschlossene Berufsausbildung habe, war das schwierig, weil die Agentur für Arbeit nur Weiterbildungen für Menschen finanziert, die schon eine Ausbildung haben.“ Man schlug ihm eine Maßnahme an einem Berufstrainingszentrum vor. „Da gab es aber nichts Passendes im sozialen Bereich, eher Technisches, BWL oder Gastronomie.“ Sie hätten ihn als Pförtner genommen, erzählt Fabian Hoff und schüttelt den Kopf: „So hatte ich mir das nicht vorgestellt.“
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Dabei hatte er längst unter Beweis gestellt, dass er mit seinem Wissen über das Leben mit Autismus als Fachmann anerkannt ist. Seit einigen Jahren hält Hoff Vorträge für den Verein Autismus Deutschland zu Themen wie „Schule und Autismus: „Strategien aus der Sicht eines autistischen Schulbegleiters“. Damit nicht genug: Im neuen Jahr erscheint sein erstes Buch mit dem derzeitigen Arbeitstitel „Schulbegleitung und Autismus“. Ein Verlag war an ihn herangetreten mit dem Vorschlag, seine Erkenntnisse in Buchform zu veröffentlichen. Auch Gabi Spitmann, Beraterin im Mülheimer Arbeitslosenzentrums Malz, ordnet ein: „Herr Hoff hat eine besondere Vita. Man sieht den Willen und den Einsatz, Einkommen zu generieren.“
Arbeitslosenzentrum Malz leidet unter schlechtem Image von Menschen ohne Job
Menschen wie Fabian Hoff, die Engagement zeigen, um aus ihrer prekären Situation herauszukommen, kennt Beraterin Spitmann aus dem Malz zu Hauf und weiß, mit welchen Vorurteilen ihre Klienten zu kämpfen haben. „Das Bild von Arbeitslosen ist vielfach von den Boulevardsendern geprägt, die krakelende Leuten zeigen, die rufen, Arbeit lohnt sich nicht“, weiß Spitmann, die hinzufügt: „Als Arbeitslosenzentrum hatten wir sogar Schwierigkeiten, Räumlichkeiten zu finden – hier im Gewerkschaftshaus hat es geklappt.“ Und dort wollen sie auch bleiben – ob das aber gelingt, ist fraglich, denn das Fortbestehen des Mülheimer Arbeitslosenzentrums, getragen durch einen gemeinnützigen Verein, ist gefährdet, jegliche Fördermittel sind gestrichen worden. Jolanthe, die Benefiz-Aktion dieser Redaktion, will mit der diesjährigen Spendenaktion dazu beitragen, dass das Malz bestehen bleiben kann, damit nicht nur Fabian Hoff weiterhin eine Anlaufstelle hat.
Wie ihre erste Begegnung mit dem Autisten war, weiß Gabi Spitmann noch ganz genau: „Das erste Gespräch mussten wir abbrechen, weil die viele Fakten Herrn Hoff überfordert haben.“ Auch Fabian Hoff hat das erste Treffen noch in Erinnerung: „Wenn so viel auf einen einprasselt, fühlt sich das wie ein Angriff, wie lebensbedrohlich, so dass der Flucht- oder Kampfmodus angeht.“ Schließlich ist es ihnen gemeinsam gelungen, alles in die Wege zu leiten, damit der Mülheimer beruflich vorwärts kommt.
Malz-Beraterin setzt sich für die Weiterbildung des Autisten ein
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Trotzdem bleiben ihm bislang die entsprechenden Weiterbildungen verwehrt, noch ist Malz-Beraterin Gabi Spitmann dabei, an den entsprechenden Stellen Überzeugungsarbeit zu leisten. „Man kann bei Herrn Hoff deutlich zeigen: Er kam aus dem ersten Arbeitsmarkt, hatte schon da einen Minijob, hat inzwischen noch einen zweiten Minijob und generiert durch die Vorträge Einkommen. Es ist klar zu erkennen, dass es sich lohnen würde, Herrn Hoff zu unterstützen – auch noch in diesem Alter.“ Denn Ausbildungen oder Weiterbildungen zu finanzieren, da sei das Amt bei fortgeschrittenem Alter sehr zurückhaltend – nicht jeder sei noch beschulbar. Doch Gabi Spitmann ist positiv: „Wir haben jetzt eine gute Gesprächsgrundlage und Herr Hoff hat einiges vorzuweisen, das belegt, dass er kann und will.“
Auch Fabian Hoff blickt optimistisch in die Zukunft, hofft aber auch auf Zutrauen von außen: „Auch jemand, der in einem bestimmten Bereich Unterstützung braucht, kann in einem anderen Bereich Höchstleistungen erbringen und produktiver Teil dieser Gesellschaft sein.“
Kontakt zum Mülheimer Arbeitslosenzentrum, Friedrichstraße 24, 0208/325 21.