Mülheim. Mülheims Schulen sollen im Zeitalter der Digitalisierung ankommen: Die Stadt erhofft eine stattliche Förderung. Erst aber muss der Rat zustimmen.
Die Zeit drängt: Wenn die Stadt Mülheim nicht bis Ende des Jahres formvollendet die Fördermittel aus dem Digitalpakt von Bund und Land beantragt, dürften gut acht Millionen Euro für die Digitalisierung der Schulen verloren sein. Mitarbeiter unterschiedlicher Mülheimer Behörden arbeiten daher seit Monaten unter Hochdruck an der Aufgabe; seit Juni ist das neugebildete Amt für Digitalisierung, Geodaten und IT verantwortlich. Am Donnerstag, 11. November, muss nun der Stadtrat sein Okay zum umfänglichen Förderantrag geben.
Mit dem Digitalpakt unterstützen Bund und Land die Kommunen bei der Digitalisierung der Schulen. Für Mülheim sind Mittel in Höhe von 8.076.477 Millionen Euro vorgesehen – das Geld soll in eine zeitgemäße Verkabelung der Schulgebäude fließen und in die Ausstattung mit WLAN-Zugriffspunkten. Nach vielen Gesprächen mit dem Fördergeber ist die Verwaltung guter Hoffnung, die volle Summe zu erhalten – und womöglich sogar noch mehr. Wenn nicht alle Kommunen die Höchstbeträge abschöpfen oder anderswo Geld gespart werde, könne Mülheim möglicherweise erneut profitieren: „Daher soll der Förderantrag bereits jetzt um 2,5 Millionen Euro erweitert werden“, heißt es in der Vorlage für den Rat.
In Vorbereitung des Antrages haben die Experten alle Schulstandorte inspiziert
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In Vorbereitung des Antrages haben die Experten alle Schulstandorte inspiziert; 91 Gebäude und 2343 Räume wurden unter die Lupe genommen. Was ist vorhanden, was fehlt, um 2024 überall problemlos mit Computern arbeiten zu können? Spätestens bis dahin nämlich will der Mülheimer Energiedienstleister Medl die Stadt flächendeckend mit schnellem Glasfaseranschluss ausgerüstet haben – allein dafür stehen Fördermittel in Höhe von 24 Millionen Euro bereit.
Damit alle Mülheimer Kinder und Jugendlichen dann auch wirklich etwas von dem Ausbau haben, sind weitere Schritte nötig: Kabel müssen in die Gebäude hineinverlegt werden und verbindende Komponenten angebracht werden. Mehrfachsteckdosen sind nötig und Access-Points in jedem Klassenraum. Für all das und noch mehr sind die Mittel des Digitalpakts da.
Der Bedarf ist von Schule zu Schule sehr unterschiedlich
Der Bedarf ist dabei von Schule zu Schule sehr unterschiedlich. An manchen Standorten ist bereits einiges an digitaler Infrastruktur vorhanden, an anderer Stelle gibt es bislang gar nichts, berichten Matthias Lincke, Leiter des Amtes für Digitalisierung, Geodaten und IT, und Mitarbeiter bei einem Pressegespräch. Gerade die Grundschulen sind bis dato zumeist völlig unzureichend ausgerüstet, und so weist die Ratsvorlage auch auf die „vergleichsweise hohen Kosten“ für deren Ausstattung hin.
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Eins gelte für alle Standorte, betont Gigabit-Koordinator Marcel Thelen: „Wir werden jede Schule qualitativ hochwertig ausstatten.“ Man werde professionell ans Werk gehen und „nicht aus der Hüfte schießen“. Daher sei an der ein oder anderen Stelle wohl noch etwas Geduld gefragt.
Das Feintuning erfolgt frühestens Anfang 2022
Nicht jede Schule müsse bis 2024 warten, doch in welcher Reihenfolge die Einrichtungen drankommen, sei noch nicht klar. Nach der Begehung, die an der großen Gustav-Heinemann-Schule immerhin zweieinhalb Tage gedauert hat, steht eine grobe Planung. Das Feintuning, aus dem irgendwann auch die konkreten Ausschreibungen hervorgehen werden, erfolgt frühestens Anfang 2022, und das auch nur, wenn das Fördergeld wirklich bewilligt worden ist.
Kompetenzen gebündelt und neue Mitarbeiter eingestellt
Seit 1. Juni 2021 gibt es in Mülheim das Amt für Digitalisierung, Geodaten und IT. Zuvor waren ganz unterschiedliche Stellen in der Stadtverwaltung mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt: Abteilungen verschiedener Behörden sowie ein beim Oberbürgermeister angesiedeltes Projektteam.
Die Kräfte waren nicht ausreichend, sagt Amtsleiter Matthias Lincke in der Rückschau. Mit Bildung des neuen Amtes habe man neues Personal eingestellt und die Kompetenzen gebündelt. Noch immer seien Stellen zu besetzen. So arbeitet seit einigen Wochen auch der erfahrene Elektrotechnikermeister Joachim Kenter in Linckes Team mit. Er hat nun alle Mülheimer Schulen besucht und sich vor Ort über die unterschiedlichen Bedarfe informiert.
Zum neuen Amt gehören insgesamt 140 Mitarbeitende, die alle „mit Herzblut“ dabei seien, so Lincke. 13 Auszubildende lernen dort, sowie vier Studierende. Rund 70 Männer und Frauen beschäftigen sich allein mit dem Thema Digitalisierung – sie unterstehen der stellvertretenden Amtsleiterin Juliane Neubner.
Doch selbst wenn klar ist, dass das Geld fließt, wird der Ausbau kein Zuckerschlecken, glaubt Stefan Wilp. Der Technische Koordinator für den Bereich Schul-IT befürchtet Probleme, weil Handwerker aktuell schwierig zu bekommen seien. Und weil zum Teil Rohstoffknappheit herrscht. Es ist nicht einfach, Kabel zu bekommen, Kupfer ist teuer. „Unsere Motivation ist hoch, aber wir müssen täglich mit neuen Herausforderungen zurechtkommen. Das ist nicht wie die Sanierung des eigenen Badezimmers – das ist eine ganz andere Hausnummer.“
Bewilligungsbehörde erwartet den Antrag schon innerhalb des Monats November
Der Förderantrag ist bei der Bezirksregierung Düsseldorf einzureichen, „zum Glück“, so sagt Marcel Thelen, „läuft unsere Zusammenarbeit bislang äußerst konstruktiv“. Formal muss er bis Ende des Jahres gestellt sein; die Bewilligungsbehörde aber erwartet ihn schon „innerhalb des Monats November“, heißt es in der Vorlage für den Rat. Dass die Ratsmitglieder nun also wirklich grünes Licht geben, darauf hoffen in der Verwaltung alle. „Aufgrund des zeitlichen Drucks darf sich das Verfahren nicht weiter verzögern“, heißt es in der Vorlage, andernfalls könne „eine Bewilligung der Mittel nicht sichergestellt werden“.
Und das wäre jammerschade für die klamme Stadt Mülheim: Das Fördergeld könne „wie ein Goldregen“ sein, so Matthias Lincke. Der Amtsleiter kann der Corona-Pandemie mittlerweile etwas Gutes abgewinnen: „Auch wenn vieles schlimm ist, so hat sie uns doch zu einem neuen Blick auf die Digitalisierung verholfen. Die Sache hat deutlich an Fahrt aufgenommen, und wir gucken bei diesem Thema jetzt positiv nach vorne.“