Mülheim. Die exorbitant steigenden Energiepreise zwingen erste Versorger in die Knie, wie ein Fall in Mülheim zeigt. Die Medl gibt ein Versprechen ab.
Die stark gestiegenen Beschaffungspreise am Energiemarkt lassen die ersten Anbieter in die Knie gehen. So hat nicht nur die Deutsche Energiepool Gesellschaft (DEP) seinen Mülheimer Kunden die Erdgaslieferverträge gekündigt. Selbst Branchenriese Eon hat seinen Neukunden-Vertrieb aktuell eingestellt.
Betroffen von der überraschenden Kündigung durch die DEP sind laut Netzbetreiberin Medl zwar nur wenige Kunden. Doch zeigt dieser Fall, wie schlecht gewappnet einige Marktteilnehmer in den Preiskampf um Kunden einsteigen, wenn die Beschaffungspreise so rasant steigen wie aktuell. Kurzfristig machen sie preisgünstige Angebote, können diese aber nicht länger halten, weil ihre Beschaffungspolitik allzu kurzfristig angesetzt ist.
Gas-Anbieter begründet seinen Lieferstopp mit "wirtschaftlicher Unzumutbarkeit“
Nun musste die Deutsche Energiepool die Segel streichen. „In den letzten Monaten haben sich die Beschaffungspreise für Erdgas und für Strom am Terminmarkt rund verdreifacht, die Preise für kurzfristige Beschaffung sind rund verfünffacht“, begründet das Unternehmen mit Sitz in Niedersachsen seine Kurzschluss-Handlung, plötzlich „aufgrund wirtschaftlicher Unzumutbarkeit“ nicht mehr zu liefern, was versprochen war.
Die Mülheimer Kunden rutschen nun zunächst automatisch in die kostspielige Grundversorgung der örtlichen Medl, bis sie dort einen der günstigeren Tarife abgeschlossen oder sich am Markt einen alternativen Anbieter gesucht haben.
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Preisvergleich bei Gastarifen: Die Tücken stecken oft in den Vertragsdetails
Aktuell sind 182 Gastarife für Mülheimer Verbraucher im Angebot. Bei einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden (Einfamilienhaus) werben die Anbieter auch heute noch mit einer Ersparnis von bis zu 570 Euro gegenüber dem Medl-Grundversorger-Tarif, der die Menge Gas für rund 1640 Euro im Jahr bereithält. Auch noch gut 280 Euro Ersparnis verspricht ein Anbieter gegenüber dem preisgünstigsten Medl-Tarif.
Doch die Tücke steckt in den Vertragsdetails. Anbieter, die auf den ersten Blick unschlagbar günstig erscheinen, lassen die Kunden andere Kröten schlucken. Üppige Bonuszahlungen, die im Gesamtangebot eingerechnet sind, werden nur ausgezahlt, wenn sich Kunden lange an den Tarif binden. Kündigungsfristen und Vertragslaufzeiten sind so lang, dass Verbraucherschützer davon abraten. Gerade bei Online-Tarifen werden Preiserhöhungen teilweise so versteckt mitgeteilt, dass Kunden diese erst bemerken, wenn ihnen die dicke Jahresrechnung präsentiert wird.
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Verbraucherzentrale erwartet, dass weitere Anbieter in die Knie gehen
Tatsächlich müssen sich Verbraucher aktuell bewusst sein, dass die Wohnnebenkosten für Gas, Öl oder Strom immens ansteigen. „Die Energiepreise befinden sich auf einem Rekordniveau. Das sehen wir alle direkt an der Tankstelle“, stellt Medl-Geschäftsführer Hendrik Dönnebrink fest.
Seitens der Verbraucherzentrale wird erwartet, dass es vermehrt zu Lieferstopps (auch bei Strom) kommen wird, auch zu Insolvenzen einiger Discount-Anbieter, die mit ihrer auf kurze Sicht fahrenden Beschaffungspolitik schnell am Ende sein könnten. Energierechtler Holger Schneidewindt registriert gerade seit Ende vergangener Woche vermehrte Kunden-Hinweise dafür.
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Verbraucherrechtler: Versorger müssen eine außerordentliche Kündigung gut begründen
Letztlich würden aber wohl Gerichte zu klären haben, ob die von Anbietern für einen Lieferstopp herangezogenen Gründe ausreichend sind für eine außerordentliche Kündigung etwa aufgrund einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit. „Marktpreise sind unternehmerisches Risiko“, glaubt Schneidewindt, dass Anbieter durchaus qualifiziert begründen müssen, warum ihnen nichts anderes bleibt als eine außerordentliche Kündigung. Den Verbrauchern nutze dies auf die Schnelle freilich wenig; entstandene Mehrkosten könnten sie womöglich erst später als Schadenersatz geltend machen.
Die Medl hatte zuletzt angekündigt, trotz der immens gestiegenen Beschaffungspreise seinen Gaspreis in den verschiedenen Tarifen mindestens bis Jahresende stabil halten zu wollen. Geschäftsführer Dönnebrink ging am Dienstag noch weiter. Mindestens Bestandskunden könnten sich darauf verlassen, dass die Medl-Preise bis zum Ende der Heizperiode Ende März nicht angehoben würden.
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Wegen der CO2-Steuer: Anfang 2021 hatte auch die Medl ihre Preise kräftig erhöht
Zum Jahreswechsel hatte auch der örtliche Grundversorger wegen der CO2-Besteuerung seine Preise für die Erdgas-Belieferung erheblich erhöht, je nach Tarif um bis zu 11,8 Prozent. Da die Medl ihre Preise seither stabil gehalten hat, steht sie aktuell mit ihrem günstigsten Angebot (Tarif „medlFairsorgt“) wieder gut da im Preisvergleich mit Wettbewerbern. Die örtliche Versorgerin verlangt im besagten Tarif 1154,30 Euro für 20.000 Kilowattstunden Gas.
Die Medl gibt sich angesichts der Marktverwerfungen selbstbewusst, den Kunden als örtlicher Versorger mehr Verlässlichkeit zu bieten als Wettbewerber, die mit Kampfpreisen mitunter nur kurz in der Lage sind, vor Ort eine Alternative zu sein. Preisstabilität und Sicherheit gehörten zur obersten Priorität bei der Medl, versichert der Mülheimer Energiedienstleister und verweist auf seine entsprechende Beschaffungsstrategie, große Mengen Gas für drei Jahre im Voraus zu kaufen.
Medl-Chef: Unsere Planungsstrategie ist langfristig und sicher
„Zehn Jahre lang konnten wir unsere Gaspreise stabil halten“, sagt Dönnebrink mit Genugtuung. Erst zum Jahreswechsel habe die Medl aufgrund der Einführung der CO2-Steuer nachsteuern müssen. „Unsere Planungsstrategie ist langfristig und sicher. Nur so haben wir die Möglichkeit, Preissprünge an der Börse aufzufangen“, so Dönnebrink.