Mülheim. Der viele Regen der vergangenen Wochen reicht für die Bäume der Stadt noch längst nicht aus. Manche Nachbarstadt tut bereits mehr fürs Grün.
Um Bäume gut durch den Sommer zu bringen, braucht es wieder das Engagement der Mülheimer. Denn in den Mülheimer Böden und im Grundwasser ist längst nicht genug an Niederschlägen angekommen, auch wenn der zurückliegende Winter und der Frühling viel Regen und teils sogar Schnee brachten. Das genügt allerdings längst nicht, um die Trockenheit – teils in Rekordhöhe – der vergangenen Sommer ausgleichen zu können. Die häufiger vorkommenden Hitzetage verschärfen die Lage zudem.
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Mülheim rechnet auch in diesem Sommer damit, Stadtbäume bewässern zu müssen
Die Stadt bereitet sich daher wieder auf die Bewässerung vor allem von Jungbäumen vor. Das geht aus einem aktuellen Bericht des Umweltdezernats hervor: Im vergangenen Jahr hatte man 324 Wassersäcke – teils aus Spenden von Initiativen und Bürgern – eingesetzt, um 162 Bäume zusätzlich durch die Hitze zu bringen. Davon sind aufgrund von Diebstahl und Beschädigungen nur noch 258 übrig. Auch die Feuerwehr musste in den trockenen Sommern bei der Bewässerung aushelfen.
Um Bäume kurzfristig durch den Sommer zu bringen, braucht es aber weiterhin das Engagement der Mülheimer: Das Centrum für bürgerschaftliches Engagement (CBE) bereitet ein Infoblatt vor, das Baumpaten gewinnen soll und darüber aufklärt, welche Bäume welche Wassermengen benötigen.
Ruhrverband: Niederschläge an der Ruhr liegen zum zwölften Mal unterhalb der Norm
Das Problem allerdings liegt tiefer: So verzeichnet etwa der Ruhrverband bereits zum zwölften Mal in Folge ein trockenes Jahr. Im Einzugsgebiet der Ruhr liegt der Gebietsniederschlag erneut unterhalb des langjährigen Mittelwerts. 2020 waren es rund neun Prozent weniger, konkret fielen 957 Millimeter. Besonders von April bis September fielen gerade einmal 58 Prozent der sonst üblichen Regenmengen. Das ist zum letzten Mal 1959 passiert. Die vermehrten Hitzetage verschärfen die Lage zusätzlich.
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In Mülheim zeichnet sich ein ähnlich durchwachsenes Bild ab: Bei den Niederschlagsmengen stellte die Stadt laut eines Klimaanpassungskonzepts von 2020 zwar einen leichten Anstieg fest. Das Problem aber liegt in den großen Unterschieden zu den extrem trockenen Sommern, die sich insbesondere in der Innenstadt belastend auswirken.
In Mülheim steigen Temperaturen und die Zahl der Sommertage
So maß die Stadt am 25. Juli 2019 mit 39,8 Grad den höchsten Temperaturwert seit 2005. 2018 zählte sie 78 Sommertage – in den Jahren 2013 bis 2017 hingegen jeweils 30. Man stellte ein hitzebedingtes Birkensterben fest, mehr Wald- und Flächenbrände, mehr Rettungseinsätze, weil Menschen unter der Hitze umkippten. Was aber sind die Lösungen?
Im Mülheimer Wald zumindest hat man seit 1996 reagiert und konsequent einen Mischwald statt Monokulturen verfolgt. Die wirtschaftlich lukrative Fichte etwa reduzierte man von neun auf fünf Prozent. Bestimmt Bereiche werden sogar von einer Bewirtschaftung ausgenommen. Die so geschlossenen Waldbestände können durch ein kühl-feuchtes Klima den Trockenperioden trotzen.
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Was die Stadt Mülheim gegen Trockenheit unternimmt
Wenn auch das Forstamt für den Wald seine erfolgreiche Strategien gegen Wasserknappheit entwickelt hat, ist die Stadt bei ihren Stadtbäumen offenbar noch am Anfang einer langfristigen Lösungsstrategie. Ein Ansatz ist es – so heißt es im Bericht des Umweltdezernats – Baumstandorte so auszugestalten, dass sich Bäume eigenständig mit Wasser versorgen können.
„Wir planen derzeit Probegrabungen, um zu sehen, ob die Baumwurzeln bis ins Grundwasser reichen“, teilt Stadtsprecher Volker Wiebels mit. Bäume, die den veränderten Klimabedingungen nicht standhalten, werden aber früher oder später ersetzt werden müssen. „Das ist ein laufender Beobachtungsprozess, aus dem Erfahrungen für den weiteren Umgang mit der Thematik zu sammeln sind“, heißt es auch im Bericht des Dezernats.
Und was noch fehlt
Baumkataster fehlt der Stadt, kostet aber
Ein Baumkataster wäre eine Voraussetzung für ein solches „Düsseldorfer Konzept“. Jedoch fehlt es der Stadt noch immer.
2015 bereits beantragten die Linken, einen solchen zu erstellen. Die Verwaltung bescheinigte zwar den Vorteil, wies den Antrag aber ab mit Hinweis auf die Kosten: Es handle sich um eine „freiwillige Aufgabe“.
Die Ersterfassung koste nach Angaben der Stadt etwa 400.000 Euro. Hinzu kämen 1,5 bis zwei Personalstellen für die Datenpflege.
Manche Nachbarstädte sind da einen Schritt weiter: In Düsseldorf ist man schon seit 2019 dabei, die Stadtbäume umzustellen. Eine „Zukunftsbaumliste“ listet 190 Baumarten auf, die sich für eine Pflanzung in der Stadt eignen. Darunter Zürgelbaum, Magnolie, Baumhasel, Buche, Edelkastanie, Eiche, Feldahorn, Linde. Auch die Eignung als Bienenweide spielt hier eine Rolle. Noch bis 2023 investiert die Stadt jährlich eine Millionen Euro für die Sanierung und Aufstockung auf so genannte Zukunftsbäume.
In Mülheim hatte man Anfang 2020 mit einem Klimaanpassungskonzept reagiert, das die Bereiche Starkregen, Sturm und eben Hitze analysiert. Festgehalten sind dort die möglichen Folgen wie steigende Hitzebelastung, Rückgang bestimmter standortheimischer Arten, zunehmender Unterhaltungsbedarf von Grünflächen. Als eine Maßnahme gegen überhitzte Städte beteiligt sich die Stadt Mülheim etwa an dem ruhrgebietsweiten Projekt 10.000 Klimabäume. Ein vergleichbares Konzept mit klarer Finanzierung wie in Düsseldorf jedoch gibt es noch nicht.