Mülheim. „Der Wald ist nicht bald tot“, warnt Oberförster Dietrich Pfaff vor übermäßiger Klimahysterie. Wie Mülheim gegen Folgen extremen Wetters handelt.
Die starke Dürre, die kräftige Sonne und auch der Borkenkäfer haben im Mülheimer Wald deutliche Spuren hinterlassen: Kahle Lichtungen, braune Kronen, abgeworfene Rinden kann man derzeit an einigen Stellen, etwa im Uhlenhorster Wald, finden. Ein „Waldsterben“ sieht Oberförster Dietrich Pfaff jedoch für Mülheim nicht. Denn seit Jahren setzt die Forstverwaltung strategisch auf einen Mischwald statt auf Monokulturen – und der Mischwald kann sich regenerieren.
Sonne und Dürre haben etliche frei stehende Buchen verbrannt
Das ist zunächst eine gute Nachricht. Wer den Zustand des Waldes kennenlernen will, muss jedoch differenziert hinschauen. Oberförster Pfaff zeigt mehrere Buchen etwa am Rotweg, deren Rinde zur Sonnenseite hin großflächig aufgeplatzt sind. Zehn Stunden Sonneneinstrahlung am Tag haben in diesem wolken- und regenarmen Sommer bei etlichen Buchen, die schattenlos etwa am Wegrand stehen, zu einem kräftigen Sonnenbrand bis ins tieferliegende Kambium des Baumes geführt. Die Folge: Die Leitungsbahnen sind abgestorben.
Die Rückseite der Buche allerdings ist intakt und führt dazu, dass die Krone weiterhin versorgt und grün ist. „Die Lebenserwartung ist zwar stark reduziert und sie ist nicht mehr ,verkehrssicher’“, erläutert Pfaff, doch wäre der Baum nicht nah am Weg, müsste man ihn nicht fällen.
Oberförster: Das Ökosystem Wald ist nicht instabil
Anderswo im Uhlenhorster Wald sieht man Lichtungen, wo vorher keine waren. Der Grund: Etliche Fichten mussten gefällt werden, weil hier der Borkenkäfer aktiv war. An einer weiteren Stelle hat hingegen wohl der Maikäfer, also seine Larven, zugeschlagen. Zusammen mit dem allgemeinen Wassermangel im zweiten Sommer in Folge hat dies die Feinwurzeln junger Bäume irreparabel beschädigt.
Vom berüchtigten „Waldsterben“ will Pfaff allerdings nichts hören – „das klingt, als wäre der Wald bald tot. Das ist nicht der Fall. Bis auf das fehlende Wasser ist das Ökosystem hier nicht instabil“, sagt der Oberförster. Und auch hier meldet das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung zumindest wieder Wasser in der oberen Schicht bis zu 25 Zentimeter. Der Mülheimer Wald sei laut Pfaff in der Lage, extreme klimatische Ereignisse zu überwinden.
Mülheim bewirtschaftet den Wald nach ökologischen Richtlinien
Das hat seinen Grund, erläutert der Oberförster: In geschlossenen Waldbeständen entsteht ein kühl-feuchtes Klima. Seit spätestens 1996 setzt die städtische Forstverwaltung daher auf einen Mischwald nach ökologischen Richtlinien und reduzierte auch den Anteil der Fichte von 9 auf 5 Prozent. „Die Fichte galt mal als ,Gold des Waldbauers’“, sagt der Oberförster. Doch heute rächt sich vielerorts das schnelle Geld der Monokultur: Die Dürre der vergangenen zwei Sommer begünstigte den Borkenkäfer. Und der fand im Fichtenwald viel Futter. Mit ,Klimawandel’ aber habe das aus Pfaffs Sicht „nichts zu tun. Es gab immer Perioden mit trockenen Sommern“.
Freilich – setzt sich das Wetter in Zukunft so trocken fort, steigt nicht nur das Käfer-Problem, räumt der Oberförster ein. Auf resistente aber nicht-einheimische Baumsorten wie die Douglasie oder Roteiche will sich Pfaff nicht einlassen: „Davon wären einheimische Tiere wie etwa der Specht nicht begeistert.“ Er zeigt aber auch andere Ecken: Das Gebiet Markenstraße und Am Pappelweg wird bewusst
Holzvorrat des Waldes hat sich verdoppelt
Mülheim bewirtschaftet den städtischen Wald gemäß der Richtlinien von Naturland und Forest Stewardship Council (FSC).
Seit dieser Zeit hat sich der Anteil des Holzes im Wald verdoppelt. 1987 waren es 117.210 Kubikmeter, 2000 bereits 183.733 und 2014 241.384 Kubikmeter Holz. Hinzu kommen Totholz und Baumkronen. Das entspricht einer Speicherung von 330.000 Tonnen CO2.
seit 50 Jahren nicht mehr bewirtschaftet. Hier hat sich der Wald erholt, was unzählige junge Triebe zeigen, die zwischen dem Totholz und altem Bestand dicht nach oben streben.
Alle reden vom Waldsterben – sind die Menschen für Natur und Umwelt inzwischen stärker sensibilisiert? „Pff“, macht Pfaff zweifelnd: Allein in diesem Jahr gab es im Wald vier Rehe, die freilaufende Hunde gerissen haben. „Und das sind nur die, die ich gefunden habe.“