Mülheim. Der Montagmorgen hat es gezeigt: Etliche Bäume der Birkenallee am Auberg sind bereits geschädigt. Wie Winterlinden gegen Klimawandel helfen.

Mit einem Ruck krallt sich der imposante Fällgreifer um den hohen Birkenstamm. Unten am Stamm geht die Säge wie durch Butter. Und das liegt nicht nur an der PS-starken Motorsäge: Der Baum ist einfach knochentrocken. „Dann werden Birken wie Pudding“, kommentiert der Mann an der Säge. So sehen etliche der 160 Birken am Mülheimer Auberg aus. Mit einem weinenden Auge schaut Oliver König vom RVR Ruhr Grün am Montagmorgen darauf, wie ein Stamm nach dem anderen wörtlich ins Gras beißen muss.

„Das muss ich mal deutlich sagen: Mich macht das traurig“, bekräftigt König. Doch der vergangene Rekord-Sommer war für die gut 60 Jahre alte Allee am Eschenbruch wie ein KO-Schlag in der dritten Runde: Seit 2018 kämpfen die Birken hier ums Überleben, weil ihnen das Wasser fehlt.

Ausgetrocknete Bäume sind eine Gefahr für Spaziergänger

„Auf der Kuppe fließt das Wasser eh schnell ab. Und weil Birken Flachwurzler sind, kommen sie nicht an das tiefere Grundwasser“, schildert König. Die Folgen konnte man zum Teil schon im Sommer 2020 erleben: Äste, der Kopf der Birken brachen ab. Das bedeutet Gefahr auch für die Spaziergänger.

Rund 25 Bäume mussten Regionalverband und Stadt damals schon fällen. Denn hier ist ringsum nur freies Feld. Da könne der Wind besonders stark angreifen, deutet König mit schweifender Hand an. Ungebremster Wind und schwächelnde Bäume sind eine gefährliche Mischung. Der für Mülheim verantwortliche Experte des Regionalverbands musste also eine Entscheidung fällen: Die 160 Bäume sollen ersetzt werden durch Winterlinden, die dem Klima wortwörtlich gewachsen sind. „Ihre Wurzeln reichen tiefer in den Boden und kommen damit auch in Bereiche, in denen sie bei Trockenheit noch Wasser finden können.“

Manche Stämme bleiben als Nisthilfen bis Herbst stehen

Das Fällen erfolgt jedoch weniger radikal als zunächst befürchtet. Nicht nur deshalb, weil dieser Eingriff im Naturschutzgebiet, das viele Mülheimer zur Naherholung nutzen, massiv wäre und damit ein Politikum. Es geht auch um ökologische Aspekte: Etliche der zu „Spechtbiotopen“ ausgezehrten Stämme dienen tatsächlich als Brutstätten, zeigt der Experte vom RVR auf kleine Höhlen am Stamm in Kopfhöhe. Hier nisten etwa Meisen und Kleiber.

König hat daher entschieden, solche Stämme zumindest bis zum Herbst stehen zu lassen, um die Brutzeit von März bis etwa August abzuwarten. Im Oktober sollen dann die Winterlinden angesetzt werden, etwa mannshohe Stämme, die im oft feuchten und milden Winter gut angehen sollen. Bis sie allerdings die Höhe der heutigen Birken erreicht haben, werden gut 15 Jahre vergehen, schätzt König.

Winterlinden sind resistenter und können bis zu 1000 Jahre alt werden

Weil die Winterlinden eben deutlich stattlicher – bis zu 30 Meter hoch – ausfallen als ihre Vorgänger, müssen es deutlich weniger Bäume werden, König rechnet mit etwa 90 statt der bisherigen 160. Die übrigen Birken werden dann mit den Neuanpflanzungen weichen müssen, „denn die Winterlinden würden ihnen eh das restliche Wasser wegnehmen“, befürchtet der Fachmann. Der Alleecharakter – für König das Aushängeschild des Naturschutzgebietes am Auberg – soll jedoch erhalten bleiben.

Der hätte womöglich in den nächsten zehn bis 20 Jahren auch ganz natürlich das Zeitliche gesegnet: Birken werden oft um die 80 Jahre alt. Angelegt wurden diese wohl in den 60er Jahren, als das Gelände noch Truppenübungsplatz war, schätzt König.

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Über die Winterlinde sollen sich die Mülheimer dagegen viele Generationen lang freuen können. Sie kann angeblich bis zu 1000 Jahre alt werden. Eine solche ehrwürdige Linde steht übrigens im Elsthal in Luckenwalde. Ihr Alter wird auf etwa 750 Jahre geschätzt.

Was mit den gefällten Birken geschieht

Schon in einem Tag sind die vorgesehenen Bäume gefällt. Die Birkenstämme werden voraussichtlich als Brennholz dienen, gibt Stephan Breuker vom Breuker Baumdienst aus Marl Auskunft.

Die Äste und die Krone werden gehäckselt und anschließend zur „thermischen Nutzung“ ins Heizkraftwerk nach Oberhausen gefahren.